Streit um Kernkraft am Kap
Widerstand gegen geplanten Ausbau der Atomenergie in Südafrika
Von Armin Osmanovic, Johannesburg *
Während der Fußball-WM blieben in Südafrika alle Lampen an. Dennoch hat
das Land mit Energieversorgungsproblemen zu kämpfen. Der Strommonopolist
ESKOM will dem auch mit einem neuen Atomkraftwerk begegnen. Das weckt
Widerstand.
In den WM-Stadien lief dank Sonderaggregaten alles glatt: die
Stromzufuhr klappte. Auch der befürchtete Blackout wegen eines Streiks
beim südafrikanischen Stromversorger ESKOM blieb aus, da sich
Unternehmensleitung und Gewerkschaften schließlich einigten. Abseits der
WM kam und kommt es in Südafrika immer wieder zu zeitweiligen
Unterbrechungen in der Stromversorgung. Im Township Kwamhlanga
Thembalethu in der Provinz Mpumalanga fiel während der WM für ein
komplettes Wochenende der Strom aus. Die Kälte des südafrikanischen
Winters, wo in der Nacht durchaus Minusgrade herrschen können, zwang die
Bewohner dazu, wieder auf Paraffin zum Heizen und Kochen umzustellen.
Die Häufigkeit von Stromunterbrechungen hat im vergangenen Jahr wieder
etwas abgenommen. Vor der globalen Wirtschaftskrise in den Jahren 2007
und 2008, als Südafrikas Wirtschaft mit fünf Prozent pro Jahr wuchs,
waren Stromunterbrechungen aufgrund des starken Verbrauchsanstiegs
sowohl durch die privaten Haushalte als auch die Unternehmen an der
Tagesordnung. Bergbauminen und andere große Stromabnehmer mussten
zeitweise ihre Produktion wegen Stromlieferengpässen zurückfahren.
Südafrikas Strommonopolist ESKOM setzt für eine sichere Stromversorgung
vor allem auf die Kohle. Zwar will man bis 2025 den Anteil der Kohle an
der Primärenergieerzeugung von heute über 80 Prozent auf dann 70 Prozent
zurückfahren, doch Anfang dieses Jahres hat man gegen den Widerstand in
Politik und Öffentlichkeit den Bau eines neuen Kohlekraftwerks in die
Wege geleitet. Die Weltbank unterstützt den Bau mit einem Kredit in Höhe
von 3 Millionen Euro.
ESKOM strebt auch den Ausbau der Atomenergie an. Bislang besteht in
Südafrika nur eine Atomanlage in der Nähe Kapstadts, in Koeberg am
Atlantischen Ozean. Dieser Druckwasserreaktor des französischen
Herstellers Framatome liefert seit den 80er Jahren Strom. Ein Standort
in der Nähe des bestehenden AKWs und weitere zwei Standorte im Land sind
von ESKOM für die Errichtung eines oder mehrerer neuer Atomkraftwerke in
der engeren Wahl.
Am möglichen Standort Thyspunt, unweit der Stadt Port Elizabeth in der
Provinz Eastern Cape, formiert sich Widerstand. Die Bewohner vor Ort
befürchten durch den Bau eine Beeinträchtigung des Tourismus. Die Gegend
ist als Surferparadies bekannt. Gegenwind gegen den von der Politik
geförderten Atomenergieausbau organisiert auch die
Nichtregierungsorganisation Earthlife Afrika. Im Johannesburger Büro
setzt sich Makoma Lekalakala mit ihren Kollegen energisch für eine
andere Energiepolitik ein. Erneuerbare Energie will auch ESKOM stärker
fördern, aber bislang stemmt sich das Unternehmen etwa gegen ein
Stromeinspeisegesetz, das auch kleineren Lieferanten eine garantierte
Abnahme zu festgelegten Preisen ermöglicht. Wind und Solarenergie
spielen bislang im südafrikanischen Energiemix kaum eine Rolle.
Die Aktivistin Lekalakala will die Politik von den Vorteilen
erneuerbarer Energie überzeugen. »Wind- und Sonnenkraft helfen nicht nur
im Kampf gegen den auch in Südafrika spürbaren Klimawandel. Sie schaffen
auch mehr Jobs als Kohle und Atomenergie«, meint Lakalakala. Für eine
andere Energiepolitik setzt Earthlife auf Druck von unten. »Wir wollen
eine soziale Bewegung für die Förderung von erneuerbarer Energie auf die
Beine stellen. Der Protest gegen den Bau neuer Atommeiler in Südafrika
kann uns dabei genauso helfen wie die erst kürzlich beschlossenen
Stromtariferhöhungen.« Die im Frühjahr beschlossenen neuen Strompreise
hatten viele Menschen im Land erzürnt und zu Protesten gegen ESKOM und
Regierung geführt.
* Aus: Neues Deutschland, 31. Juli 2010
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