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Sudans Opposition bleibt fern

Präsident Baschir bei Präsidentschaftswahlen fast ohne Gegner

Von Marc Engelhardt, Nairobi *

Schon bevor ab Sonntag (11. April) in Sudan gewählt wird, steht der umstrittene Präsident Omar al-Baschir als Sieger fest. Wegen Wahlfälschungen und Schikanen hat ein Großteil der Opposition die Teilnahme abgesagt.

Zum ersten Mal seit 24 Jahren sollte Sudans Bevölkerung am Sonntag die Wahl zwischen mehreren Parteien und Kandidaten haben. Doch was als Schicksalswahl gedacht war, entpuppt sich mehr und mehr als Farce. Alle nennenswerten Oppositionsparteien haben sich aus dem Rennen zurückgezogen: Die ehemaligen Rebellen der Sudanesischen Volksbefreiungsbewegung (SPLM) treten nur noch in ihrer Hochburg im Süden an. Auch die wichtigste Opposition in Nordsudan, die Umma-Partei, hat neben kleineren Parteien ihren Rückzug angekündigt. »Wir boykottieren die Wahl, weil unserer Forderung nach Verschiebung nicht entsprochen worden ist«, verkündete Umma-Sprecherin Sara Nugd-Alla am Mittwochabend. »Wir werden die Ergebnisse nicht anerkennen.«

Grund sind die offenkundigen Wahlfälschungen. Jeden Tag werden neue Details bekannt. Die sudanesische Münze, die Baschirs Partei eigenmächtig mit dem Druck der Wahlzettel beauftragt hatte, musste zugeben, dass die Wahlzettel für das Präsidentenamt nur auf Arabisch gedruckt wurden. In Südsudan aber ist Englisch die Amtssprache. Auch Berichte über Bestechungen von Stammesführern mehren sich. Ein Bericht der International Crisis Group deckt auf, wie Baschirs Partei die Wahlen systematisch fälscht. So seien in der Bürgerkriegsregion Darfur, wo 19 Prozent aller sudanesischen Wähler leben, nur Unterstützer der Regierung registriert worden. Die meisten der 2,6 Millionen Vertriebenen hingegen, die als Oppositionsanhänger gelten, stehen nicht auf den Wählerlisten.

Der massenhafte Wahlboykott hat zwei Seiten: Einerseits ist die Hoffnung des vom Internationalen Strafgerichtshof als Kriegsverbrecher gesuchten Baschir, demokratisch legitimiert zu werden, weitgehend gescheitert. Zugleich hat Baschir allen Grund, sich zu freuen: Seine Wiederwahl im ersten Wahlgang gilt nach dem Rückzug aller anderen aussichtsreichen Kandidaten als sicher.

Wenn die Wahlen, die an diesem Sonntag in Sudan beginnen, etwas Gutes haben, dann, dass sich erstmals seit langem so etwas wie eine zivilgesellschaftliche Opposition gegen Baschir regt. Klare Worte, glaubt der Mitbegründer der Girifna-Bewegung, Siraj Omar, sind der Schlüssel dafür. »Girifna« heißt im sudanesisch-arabischen Dialekt: »Wir haben die Schnauze voll.« »Wir versuchen, die Leute in einer Sprache zu erreichen, die sie verstehen.« Mit Flugblättern, aber auch mit Kampagnen auf Twitter und Facebook versucht der 21-Jährige für Veränderung zu werben. »Zwei Drittel aller Wähler sind Jugendliche, wenn wir die erreichen können, ändert sich etwas.«

Dass die Botschaft wirkt, zeigt die Reaktion des Regimes. Omars Freund Abdallah Mahdi Badawi, ein 18-jähriger Student, wurde Mitte März Opfer eines Überfalls von Geheimagenten. »13 Männer haben mich geschlagen, mit Knüppeln, Peitschen und Elektrokabeln. Sie schrien mich an: Was sind eure Pläne, wer sind eure Mitglieder, woher kommt euer Geld?« An einem Punkt hielten sie Mahdi eine Pistole an die Schläfe und drohten abzudrücken. Mahdi überlebte. Bevor die Männer ihn gehen ließen, musste er eine Reihe von Dokumenten unterzeichnen – unter anderem einen Schuldschein über 31 000 Euro. Wegen dieses Schuldscheins kennt Mahdi sogar den Namen seines Peinigers: Armeeleutnant Mohammed Nur Aldaiem. Ermittlungen sind dennoch bis heute nicht aufgenommen worden.

Es sind Vorfälle wie dieser, die die junge Zivilgesellschaft und die Opposition in dem Aufruf an die Weltgemeinschaft vereinen, die Wahlen in Sudan nicht anzuerkennen. Manche wie die »Sudan Democracy First Group« fordern internationale Wahlbeobachter auf abzuziehen, um den Wahlen keinerlei Legitimität zu verleihen. Ihre Kritik richtet sich besonders gegen die USA, die in den vergangenen Tagen wiederholt gefordert haben, die Wahl trotz aller Probleme durchzuziehen. »Selbst die USA sind Mitglied unserer Partei«, frohlockte daraufhin Baschir auf einer Wahlkampfveranstaltung.

Erst seit die Chefin der EU-Wahlbeobachtungsmission, Veronique De Keyser, am Mittwoch (7. April) den Abzug ihrer Beobachter aus Darfur ankündigte, wendet sich die Wahrnehmung allmählich. »Nicht einmal humanitäre Helfer können dorthin«, sagt De Keyser, »also können wir es auch nicht.«

Auch im Süden Sudans, wo die SPLM auf die große Mehrheit der Stimmen hoffen kann, häufen sich Berichte über Unterdrückung der Opposition. Unabhängige Kandidaten, von denen einigen gute Chancen eingeräumt werden, bemängeln willkürliche Festnahmen ihrer Anhänger. Ein weiteres Problem ist die Wahl selber: Im Süden Sudans, wo die Mehrheit der Bevölkerung noch nie eine Urne gesehen hat, müssen Wähler zwölf Stimmzettel ausfüllen, von denen einige sehr lang und komplex sind. Wahlbeobachter bemängeln, dass selbst wahlgewohnte Europäer Probleme hätten, die wilde Mischung aus direktem und Verhältniswahlrecht zu durchblicken. Dass die Ergebnisse wie geplant am 18. April vorliegen, glaubt vor diesem Hintergrund kaum jemand.

* Aus: Neues Deutschland, 10. April 2010


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