USA intensivieren Kontakte zu Sudan
Verhärtete Fronten in Darfur - Tauwetter zwischen Washington und Khartum
Von Anton Holberg*
Ungeachtet fortdauernder, jüngst wieder zunehmender bewaffneter Auseinandersetzungen in Darfur
deuten sich wichtige Entwicklungen an. Die USA intensivieren iihre Kontakte zur Regierung in
Khartum.
Ein Problem ist gelöst, viele bleiben. Die Geiselhaft von 34 internationalen und nationalen Helfern im
größten Flüchtlingslager der westsudanesischen Region Darfur wurde in der Nacht zu Mittwoch
beendet. Doch mehr als zweieinhalb Jahre nach Beginn der Krise in Darfur steigen in den Lagern
die Spannungen. Ähnlich wie in sudanesischen Dörfern haben sich dort soziale Strukturen mit
Anführern an der Spitze gebildet. Mehr als zwei Millionen Bewohner der Region sind aus ihren
Dörfern geflohen. Aus Angst vor neuen Angriffen von verfeindeten regierungsnahen Milizen und
Rebellen trauen sie sich nicht in ihre Heimatorte zurück.
Während in Darfur die Fronten weiter verhärtet sind, kommen sich die USA und die Zentralregierung
in Khartum nach langer Zeit wieder näher. Seit letzter Woche amtiert wieder ein USA-Botschafter in
Khartum: Cameron Hume. Einem Sprecher des State Departments zufolge widerspiegelt das »die
große Bedeutung, die wir der Realisierung des umfassenden Friedensabkommens (zwischen
Khartum und der südsudanesischen SPLM) und der Lösung der Krise in Darfur beimessen«. Seit
1997 waren die diplomatischen Beziehungen zwischen Washington und Khartum abgebrochen. Die
USA warfen der islamistischen Militärregierung Omar al-Baschirs damals Unterstützung des
internationalen Terrorismus vor. Nun lautet der Vorwurf, in Darfur werde Völkermord an der dortigen
schwarzafrikanischen Bevölkerung begangen.
Der erste Vorwurf ist vom Tisch, weil sich Khartum im »Krieg gegen der Terror« nach massivem
Druck schnell zur Mitarbeit bereit erklärte. Darfur scheint für die USA im Moment zweitrangig zu
sein. Wichtiger ist wohl die nicht unbegründete Hoffnung, dass sich ihre langjährigen Investitionen in
die südsudanesische Befreiungsbewegung SPLM auszahlen. Mit aktiver Hilfe aus Washington
erzwang die SPLM zum Jahresanfang das erwähnte Friedensabkommen. Wichtiger noch als die
Beteiligung an der Zentralregierung ist ihr nun verbrieftes Recht auf einen 50-prozentigen Anteil an
den Erdöleinnahmen des Landes und die Aussicht, nach einer sechsjährigen Übergangsphase einen
eigenen Staat zu gründen. Die Tatsache, dass sich in der Anfang der Woche gebildeten
südsudanesische Regionalregierung so gut wie alle wichtigen SPLM-Führer befinden, wurde bereits
als ein Hinweis darauf interpretiert, dass sie die Trennung vom Norden als wahrscheinlich
betrachtet. Die USA, die schon enge Beziehungen zu Kenia und Uganda unterhalten, dürften das
auch angesichts des Ölreichtums der Region nicht ungern sehen.
Darfur spielt wirtschaftlich bislang kaum eine Rolle, und anders als im überwiegend christlichen
Süden ist die Bevölkerung hier durchgehend muslimisch. Die USA haben deswegen auch die
dortigen Oppositionsgruppen, die SLA und die kleinere, stärker islamistisch ausgerichtete JEM, nie
so unterstützt wie die SPLM.
Eben erst haben die USA zwar erneut betont, dass sie die Sanktionen gegen Sudan so lange nicht
aufzuheben gedächten wie in Darfur keine Ruhe eingekehrt sei. Allerdings machen sie deutlich,
dass sie für den Stillstand im Verhandlungsprozess die Sudanesische Befreiungsarmee SLA und die
Bewegung für Gleichheit und Gerechtigkeit JEM ebenso für verantwortlich halten wie die Regierung
in Khartum. Angriffe von SLA-Einheiten auf Soldaten der Friedenstruppen der Afrikanischen Union
hatten Außenministeriumssprecher Adam Ereli zu der feststellung veranlasst, ein solches Verhalten
werde es keiner Gruppe erleichtern, engeren Kontakt zu den USA herzustellen.
Einer der Gründe für die andauernden blutigen Unruhen sind die Spaltungen innerhalb der
Regierungsgegner. Angesichts des internationalen Drucks soll nun eine Konferenz aller SLA-Kader
stattfinden, um die Organisation wiederzuvereinigen. Dass diese allerdings die interne Krise und den
schon bewaffnet ausgetragenen Konflikt mit der konkurrierenden JEM wird lösen können, ist
unwahrscheinlich.
* Aus: Neues Deutschland, 27. Oktober 2005
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