Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

USA intensivieren Kontakte zu Sudan

Verhärtete Fronten in Darfur - Tauwetter zwischen Washington und Khartum

Von Anton Holberg*

Ungeachtet fortdauernder, jüngst wieder zunehmender bewaffneter Auseinandersetzungen in Darfur deuten sich wichtige Entwicklungen an. Die USA intensivieren iihre Kontakte zur Regierung in Khartum.

Ein Problem ist gelöst, viele bleiben. Die Geiselhaft von 34 internationalen und nationalen Helfern im größten Flüchtlingslager der westsudanesischen Region Darfur wurde in der Nacht zu Mittwoch beendet. Doch mehr als zweieinhalb Jahre nach Beginn der Krise in Darfur steigen in den Lagern die Spannungen. Ähnlich wie in sudanesischen Dörfern haben sich dort soziale Strukturen mit Anführern an der Spitze gebildet. Mehr als zwei Millionen Bewohner der Region sind aus ihren Dörfern geflohen. Aus Angst vor neuen Angriffen von verfeindeten regierungsnahen Milizen und Rebellen trauen sie sich nicht in ihre Heimatorte zurück.

Während in Darfur die Fronten weiter verhärtet sind, kommen sich die USA und die Zentralregierung in Khartum nach langer Zeit wieder näher. Seit letzter Woche amtiert wieder ein USA-Botschafter in Khartum: Cameron Hume. Einem Sprecher des State Departments zufolge widerspiegelt das »die große Bedeutung, die wir der Realisierung des umfassenden Friedensabkommens (zwischen Khartum und der südsudanesischen SPLM) und der Lösung der Krise in Darfur beimessen«. Seit 1997 waren die diplomatischen Beziehungen zwischen Washington und Khartum abgebrochen. Die USA warfen der islamistischen Militärregierung Omar al-Baschirs damals Unterstützung des internationalen Terrorismus vor. Nun lautet der Vorwurf, in Darfur werde Völkermord an der dortigen schwarzafrikanischen Bevölkerung begangen.

Der erste Vorwurf ist vom Tisch, weil sich Khartum im »Krieg gegen der Terror« nach massivem Druck schnell zur Mitarbeit bereit erklärte. Darfur scheint für die USA im Moment zweitrangig zu sein. Wichtiger ist wohl die nicht unbegründete Hoffnung, dass sich ihre langjährigen Investitionen in die südsudanesische Befreiungsbewegung SPLM auszahlen. Mit aktiver Hilfe aus Washington erzwang die SPLM zum Jahresanfang das erwähnte Friedensabkommen. Wichtiger noch als die Beteiligung an der Zentralregierung ist ihr nun verbrieftes Recht auf einen 50-prozentigen Anteil an den Erdöleinnahmen des Landes und die Aussicht, nach einer sechsjährigen Übergangsphase einen eigenen Staat zu gründen. Die Tatsache, dass sich in der Anfang der Woche gebildeten südsudanesische Regionalregierung so gut wie alle wichtigen SPLM-Führer befinden, wurde bereits als ein Hinweis darauf interpretiert, dass sie die Trennung vom Norden als wahrscheinlich betrachtet. Die USA, die schon enge Beziehungen zu Kenia und Uganda unterhalten, dürften das auch angesichts des Ölreichtums der Region nicht ungern sehen.

Darfur spielt wirtschaftlich bislang kaum eine Rolle, und anders als im überwiegend christlichen Süden ist die Bevölkerung hier durchgehend muslimisch. Die USA haben deswegen auch die dortigen Oppositionsgruppen, die SLA und die kleinere, stärker islamistisch ausgerichtete JEM, nie so unterstützt wie die SPLM.

Eben erst haben die USA zwar erneut betont, dass sie die Sanktionen gegen Sudan so lange nicht aufzuheben gedächten wie in Darfur keine Ruhe eingekehrt sei. Allerdings machen sie deutlich, dass sie für den Stillstand im Verhandlungsprozess die Sudanesische Befreiungsarmee SLA und die Bewegung für Gleichheit und Gerechtigkeit JEM ebenso für verantwortlich halten wie die Regierung in Khartum. Angriffe von SLA-Einheiten auf Soldaten der Friedenstruppen der Afrikanischen Union hatten Außenministeriumssprecher Adam Ereli zu der feststellung veranlasst, ein solches Verhalten werde es keiner Gruppe erleichtern, engeren Kontakt zu den USA herzustellen.

Einer der Gründe für die andauernden blutigen Unruhen sind die Spaltungen innerhalb der Regierungsgegner. Angesichts des internationalen Drucks soll nun eine Konferenz aller SLA-Kader stattfinden, um die Organisation wiederzuvereinigen. Dass diese allerdings die interne Krise und den schon bewaffnet ausgetragenen Konflikt mit der konkurrierenden JEM wird lösen können, ist unwahrscheinlich.

* Aus: Neues Deutschland, 27. Oktober 2005


Zu weiteren Beiträgen über Sudan

Zurück zur Homepage