UNMISS ist der falsche Weg
Von Christine Buchholz *
In der Debatte zur Einbringung des neuen Mandats für den UN-Einsatz im Südsudan UNMISS am 6. Juni bemüht Philipp Mißfelder (CDU) die sich in Höhlen vor Luftangriffen durch die Sudanesische Armee versteckenden Frauen und Kinder in Abyei in der nordsudanesischen Provinz Südkordofan,
um den robusten Militäreinsatz nach Kapitel VII zu rechtfertigen. Kerstin Müller fordert, den Schutz der Zivilisten dort mit Waffengewalt durchzusetzen.
Beides klingt erst einmal bewegend, denn:Wer möchte nicht Zivilisten, schon gar Frauen und Kinder,
die verängstigt in Höhlen kauern, schützen?
Aber das steht nicht wirklich zur Debatte. Denn bei UNMISS geht es um den Südsudan, dafür steht
das doppel-„S“. Für einen Einsatz im Grenzgebiet zwischen Nord- und Südsudan, oder gar noch
weiter nördlich, wäre eine Zustimmung der nordsudanesischen Regierung in Karthum erforderlich.
Und die wird es nicht geben – und wenn doch, dann nur unter Bedingungen, die es der UNO
unmöglich machen wird, den vorgeblichen Auftrag zu erfüllen. Ein Paradebeispiel sehen wir seit 2007
in Darfur, wo 23.000 UNO-Soldaten und Polizisten bestenfalls hilflos dem Konflikt zuschauen.
Im Südsudan selbst sind bei bewaffneten Konflikten im ersten Halbjahr 2011 über 1.400 Menschen,
und damit mehr als in Darfur, getötet worden, berichtete die stellvertretende UNMenschenrechtskommissarin
Kyung Wha Kang am 29. Juni. Die aktuelle Reisewarnung des
Auswärtigen Amtes spricht eine deutliche Sprache:
„In Südsudan bestehen außerhalb der größeren Städte vielerorts Gefahren durch gewaltsam
ausgetragene Stammeskonflikte sowie durch Landminen. Im Grenzgebiet zu Uganda, der
Zentralafrikanischen Republik und zur Demokratischen Republik Kongo kommt es vereinzelt zu
Übergriffen durch marodierende Bewaffnete der ugandischen Lord's Resistance Army.
In Dschuba, der Hauptstadt der quasiautonomen Region Südsudan, ist ein Anstieg von Kriminalität,
oftmals unter Waffeneinsatz, zu verzeichnen.“
Wohlgemerkt, diese Verbrechen finden im Südsudan momentan statt, während die UNO 10.000
Soldatinnen und Soldaten im Rahmen von UNMIS, also dem alten Mandat, vor Ort stationiert hat.
Jetzt soll, so das Argument der Bundesregierung, die Stationierung von 7.000 Soldatinnen und
Soldaten die Zivilisten schützen. Ist das möglich?
Die Regierung verschweigt uns bei dieser Frage, dass viele der Opfer von eben den
Rebellenorganisationen getötet wurden, die unter dem Dach der offiziellen südsudanesischen
Sicherheitskräfte agieren, wie der genannte UNO-Bericht betont.
Insgesamt sind rund eine Halbe Million Menschen im Südsudan organisiert unterWaffen, alleine
300.000 davon in den staatlichen Sicherheitsdiensten. Dazu kommen diverse abtrünnige Milizen,
sowie Stammesmilizen und grenzübergreifend operierende Gruppen. Und jede von diesen hat enge
Loyalitäten zu bestimmten Dörfern, Stämmen oder Mitgliedern der Regierung, und verfolgt deren
Interessen.
Um den Schutz von Zivilisten in Südsudan militärisch durchzusetzen, müsste die UNO gegen viele
Akteure vor Ort vorgeht. Dazu wäre erforderlich, ein Protektorat zu errichten, die korrupte Regierung
zu ersetzen, und einen brutalen Bürgerkrieg gegen dieMilizen zu führen.
Das ist keine linke Perspektive und letztlich würden auch dadurch in erheblichem Umfang Zivilisten in
Mitleidenschaft gezogen. Bürgerkriege oder Verteilungskonflikte dieser Art können nicht militärisch
beendet werden. Selbst dort, wo derWesten wirklich gewinnen will und bereit ist, alle verfügbaren
Mittel einzusetzen, wie in Afghanistan, ist das nicht möglich. Die UNO würde schnell die gesamte
Bevölkerung gegen sich aufbringen. Und einem solchen UNO-Mandat würde die südsudanesische
Regierung in Dschuba auch nicht zustimmen.
Statt dessen gibt es in dem Mandatsentwurf der UNO unverbindliche Aufforderungen an die
Regierung in Dschuba, die Menschenrechte zu achten, die Milizen und ihre eigenen Sicherheitskräfte
zu demobilisieren, die Straffreiheit der Militärkommandeure zu beenden und so weiter.
Wenn die Bundesregierung von einem robusten Mandat, von einer „hochflexiblen Einsatzreserve“,
von mobilen Einsatzgruppen, die eingesetzt werden können, um Zivilisten zu schützen, redet, ist das
reine Rhetorik. Denn um den Schutz von Zivilisten geht es der Regierung nicht. Genauso wenig wie in
Afghanistan, wo eine Regierung von Kriegsverbrechern gewaltsam an der Macht gehalten wird.
Genauso wenig wie in Saudi-Arabien, wohin nun (wieder einmal) dieWaffen geliefert werden, mit
denen die Opposition gegen Tyrannei unterdrückt werden kann.
Die Stabilisierung Südsudans wäre für den Westen ein wichtiger Schritt hin zu einer Stabilisierung
auch der angrenzenden Länder Äthiopien, Somalia, Kenia, Uganda, Kongo, Zentralafrikanische
Republik und Tschad. Besonders der Kongo ist ressourcenreich. Und am Horn von Afrika vorbei
verläuft die wichtigste Handelsroute derWelt, durch die fast der gesamte Europäische Handel mit
Südost- und Ostasien geht – und die Öllieferungen aus den Golfstaaten.
Um vornehmlich wirtschaftliche Ziele zu erreichen, werden Diktatoren unterstützt, in den
Ölförderländern am Golf genauso wie in Afrika. Zufällig am selben Tag wie der Kabinettsbeschluss zu
UNMISS hat der Parlamentarische Staatssekretär Otto im Bundestag zu verstehen gegeben, dass bei
Waffenlieferungen an Saudi-Arabien eben auch mit berücksichtigt werden müsse, dass es sich um
eine für wichtige deutsche Bündnispartner verlässliche Regionalmacht handele. Blut für Öl, oder
andere Ressourcen, Hauptsache Profite eben, das ist die Devise. Und dafür werden auch im
Südsudan bei Menschenrechtsverletzungen durch den Garant der Stabilität, die SPLA, beide Augen
zugedrückt.
Die Bundesregierung hat auch noch ein anderes, gesondertes Interesse an der Mission im Südsudan.
Sie will sich als wichtiger Akteur in der UNO profilieren, um ihren Anspruch auf einen permanenten
Sitz im Sicherheitsrat zu untermauern. Und dafür reicht es eben nicht aus, nur das Scheckbuch zu
zücken, man muss auch mal mit zupacken.
Die wichtigste Alternative zum UNMISS-Einsatz wäre: kein Militäreinsatz. Alles, was ein sich
etablierendes autoritäres Regime stützt, ist zu unterlassen – ebenso wie jede Intervention von
außen, die letztlich nicht die Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen vor Ort im Visier
hat, sondern eigene Ziele.
Was den Menschen im Südsudan wirklich helfen würde, wäre soziale und wirtschaftliche
Entwicklung. Solange jedes Jahr bis zu 40 Prozent der Bevölkerung von Hilfslieferungen der UNO
abhängig sind, solange Zugang zu Trinkwasser und nutzbarem Ackerland für viele ein unerreichbarer
Luxus sind, solange es keine Gesundheitsversorgung, Bildung und Ausbildung gibt, ist der Einsatz von
Waffen für viele Menschen der einzigeWeg zum Überleben. Zu diesen Problemen hat die Regierung
keine Lösungsvorschläge geliefert.
Deswegen bleibt der LINKEN nur übrig, sich der aktuellen deutschen Außenpolitik zu verweigern und
Druck zu machen, um deren Prioritäten zu ändern.
Zu weiteren Beiträgen über Sudan
Zur Seite "Deutsche Außenpolitik"
Zurück zur Homepage