Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Tschad in Darfur?

Konflikt in sudanesischer Westprovinz von außen angeheizt: Militärische Unterstützung für Rebellen aus Ndjamena

Von Anton Holberg *

Die Kämpfe um die Vorherrschaft im Tschad halten an. Weder seine Bestätigung als Staatschef in Pseudo-Wahlen Anfang Mai, noch der lediglich durch militärische Unterstützung der Exkolo­nialmacht errungene Sieg über die bewaffneten Oppositionskräfte vor den Toren der Hauptstadt Ndjamena haben Präsident Idriss Déby die erhoffte Ruhe verschafft. Am vergangenen Sonntag besetzte die oppositionelle FUC (Forces Unies pour le Changement et la Démocratie) kurzfristig die Stadt Goz-Beida nahe der Grenze zur sudanesischen Westprovinz Darfur. Damit werden die Beziehungen zwischen Tschad und Sudan erneut in Frage gestellt.

Aggressive Politik

Bis zum August hatte Déby den Regierenden in Khartum stets unterstellt, sie hätten die FUC ausgerüstet und zu seinem Sturz mobilisiert. Mit dieser Begründung brach er auch die diplomatischen Beziehungen zum Nachbarland ab. Im August dann vollzog er eine überraschende Kehrtwende, normalisierte das Verhältnis wieder, und beide Staaten verpflichteten sich, gemeinsam für die Sicherheit ihrer Grenze zu sorgen. Anfang Oktober verlautete aus Ndjamena, daß die sudanesische Armee auf tschadisches Territorium vorgedrungen sei - eine Behautpung, die von Khartum nicht bestätigt wurde. Tatsache indes ist, daß der Tschad immer offener die in Darfur gegen die sudanesische Zentralregierung kämpfende islamistische Rebellenorganisation JEM (Justice And Equality Movement) unterstützt.

Anders als die zweite Darfur-Guerilla SLA-Minnawi (Sudanese Liberation Army) hatte die JEM das unter Druck der USA in der nigerianischen Hauptstadt Abuja ausgehandelte Friedensabkommen zwischen Khartum und den bewaffneten Darfur-Gruppen Anfang Mai nicht unterschrieben. Seitdem führt sie ihren Krieg sowohl gegen die sudanesische Armee, die »Reitermilizen« Dschandschaweed als auch gegen die ehemaligen Kampfgefährten der SLA. Hintergrund dafür, so internationale Beobachter, sei zuallererst die Verankerung der JEM in der Zaghawa-Ethnie. Dieser beidseitig der Grenze Tschad-Sudan lebenden Bevölkerungsgruppe gehören auch Déby und die ihn unterstützenden Offiziere an. So sollen die JEM bei ihren jüngsten Angriffen in Darfur auch von Einheiten der tschadischen Armee auf sudanesischem Boden unterstützt worden sein. Überdies hat der Chef des JEM, Khalil Ibrahim, vor wenigen Tagen zugegeben, daß seine Kräfte im April auf Seiten Débys gegen die FUC gekämpft haben. Seine Begründung: Diese würden vom Sudan unterstützt.

Die tschadische Opposition mit der FUC vertritt ihrerseits die Auffassung, daß der Darfur-Konflikt wesentlich Resultat einer agressiven Politik des Zaghawa-Regimes von Idriss Déby sei. Bei allen Schuldzuweisungen darf in der Tat nicht übersehen werden, daß sich die Macht des tschadischen Regimes entscheidend auf ihre ethnische Verankerung in den Zaghawa stützt, während das sudanesische weder mit Kräften in Darfur noch gar im Tschad eng verbunden ist.

Déby setzt auf NATO

Die tschadische Opposition ist multiethnisch strukturiert und machte in den vergangenen Monaten deutliche Fortschritte auf dem Weg der Vereinigung. So wurde die jüngste Offensive bei Goz-Beida von Einheiten des »Conseil Démocratique Révolutionnaire«(CDR), der »Union des Forces pour le Progrès et la Démocratie« (UFPD) des ehemaligen Verteidigungsministers Mahamat Nouri, und der FUC durchgeführt. Diese hatten sich kurz zuvor zur »Union des Forces Pour La Démocratie et le Dévelopement« (UFDD) zusammengeschlossen.

Präsident Déby setzt sich derweil für die Entsendung von NATO-gestützten UN-Truppen in Darfur ein – wohl aus dem Kalkül heraus, daß sich deren Stationierung auch negativ auf die Tschad-Opposition auswirken würde.

* Aus: junge Welt, 26. Oktober 2006


Zurück zur Sudan-Seite

Zur Tschad-Seite

Zurück zur Homepage