Abhängiger Staat entsteht
Südsudan erklärt seine Souveränität. Trotz Ölreichtum auf Hilfe angewiesen
Von Jan Köstner *
Heute (9. Juli) wird die im Januar per Referendum entschiedene Abspaltung des Südsudan vollzogen. Die Region war bereits seit dem Friedensabkommen von 2005 autonom. Damals wurde der jahrzehntelange Bürgerkrieg zwischen der Regierung in Khartum und der Sudanesischen Volksbefreiungsarmee (SPLA) beendet. Der Süden blieb aber wirtschaftlich weiterhin stark benachteiligt. Somit erlangt mit dem heutigen Tag ein afrikanisches Binnenland seine Unabhängigkeit, das in jeder Hinsicht von ausländischer Hilfe abhängig ist. Infrastruktur und Energieversorgung, Bildungs- und Gesundheitswesen sind unterentwickelt, eine Industrie ist de facto nicht vorhanden, die Landwirtschaft in hohem Maße auf Eigenbedarf ausgerichtet. Einziger Pluspunkt des entstehenden Staates ist der relative Reichtum an Öl: Von den fünf Milliarden Barrel an Reserven, die im Sudan nachgewiesen sind, kontrolliert die südsudanesische Regierung etwa drei Viertel.
In Folge der jahrzehntelangen Bevorzugung des nördlichen Zentralsudan führt jedoch das Pipelinenetz in den Norden zum Ölterminal nach Port Sudan, wo sich eine der beiden Raffinerien der ursprünglichen Republik Sudan befindet. Die zweite steht in Khartum, der Hauptstadt nun nur noch des Nordens. Beide Landesteile sind von den Öleinnahmen abhängig, was zu Konflikten um die Verteilung der Einnahmen aus dem Verkauf führt. Für die Zentralregierung machen diese etwa 60 Prozent des Budgets und 90 Prozent der Devisenerlöse, für die südsudanesische Regierung sogar 98 Prozent des Budgets aus.
Da jedoch die staatliche Ölgesellschaft des Nordens (Sudapet) jahrzehntelange Erfahrung in der Produktion hat, die jüngst als südliches Pendant gegründete Nilepet hingegen nur über 30 Mitarbeiter verfügt, liegen auch in diesem Bereich gute Gründe zur Kooperation beider Länder vor. Die Fähigkeit zur Einigung demonstrierte die beiderseitige Anerkennung der Entscheidung des Ständigen Schiedshofs in Den Haag von 2009, die Ölfelder Heglig und Bamboo aus dem umstrittenen Gebiet Abyei herauszulösen und dem Norden zuzuordnen. Die jüngsten Konflikte in Abyei waren, ebenso wie die in der Region Unity State, nicht durch Öl motiviert.
Potential für eine Verschärfung der Auseinandersetzungen bieten jedoch internationale Faktoren. Nach dem Staatsstreich Omar Hassan Al-Baschirs im Jahr 1989 führte die Positionierung des Sudan auf Seiten des Irak im Golfkrieg 1991 und die Annäherung an den Iran zu einer Krise in den Beziehungen sowohl zu den USA und Ägypten, als auch zu den mit dem Westen verbundenen Golfstaaten. Die politischen Veränderungen am Horn von Afrika, insbesondere der Sturz der Mengistu-Regierung in Äthiopien, erlaubten den USA in den 1990er Jahren die politische Isolierung der Baschir-Regierung als »Sponsor des Terrorismus« und die Verhängung von Sanktionen. Daneben wurden Beziehungen zur vorher als »marxistisch« angesehenen Sudanesischen Volksbefreiungsarmee (SPLA) aufgebaut und deren militärische Kader ausgebildet.
Als Paria-Staat zog der Sudan in den 90er Jahren besonders nationale Konzerne aus Schwellenländern, wie CNPC und Sinopec (China), ONGC Videsh (Indien) und Petronas (Malaysia) an, die als Nachzügler im Wettrennen um Erdölfelder in jenen Regionen investierten, welche von westlichen Unternehmen gemieden wurden.
Die Unabhängigkeit des Südsudan und die damit verbundene Aufhebung der US-Sanktionen für die südlichen Ölgebiete werden nun zu verstärkter Konkurrenz durch westliche Konzerne führen und damit zur Frage nach Exportmöglichkeiten unter Umgehung des Nordsudan. Ein bereits diskutiertes Projekt, an dem Japan und auch China Interesse bekundet haben, ist der Bau einer 1400 Kilometer langen Pipeline mit einer Kapazität von 450000 Barrel pro Tag aus dem Südsudan ins kenianische Lamu.
Damit würden nicht nur der Nordsudan, sondern auch der pirateriegefährdete Golf von Aden umgangen, und das Öl könnte direkt über den Indischen Ozean nach Asien verschifft werden. Die ebenfalls erörterte Weiterführung der von Weltbank und EU finanzierten Tschad-Kamerun-Pipeline in den Südsudan zum Transport des Öls in Richtung Atlantik hingegen scheint angesichts des Konflikts in Darfur und der instabilen Lage in der Zentralafrikanischen Republik ausgeschlossen.
Auf absehbare Zeit wird der Süden jedenfalls auf die Infrastruktur des Nordens angewiesen bleiben. Unterdessen hat China, das zwei Drittel der sudanesischen Exporte kauft, seit 2009 seine diplomatische und kommerzielle Präsenz im südsudanesischen Dschuba deutlich erhöht. Da chinesische Konzerne in beiden Landesteilen engagiert sind und CNPC in einem Joint- venture mit Sudapet die Raffinerie in Khartum betreibt, könnte der chinesische Einfluß zu einer Annäherung zwischen Norden und Süden beitragen.
* Aus: junge Welt, 9. Juli 2011
UNMISS: Bundesrepublik schickt Soldaten **
Mit der Unabhängigkeit des Südsudan endet auch die 2005 eingesetzte UN-Mission in Sudan (UNMIS). Diese war für die Überwachung der Einhaltung des Friedensabkommens zuständig, welches den seit 1983 andauernden Bürgerkrieg vor sechs Jahren beendete und den Grundstein für die nun entstehende Republik Südsudan legte. Das UNMIS-Mandat wird voraussichtlich direkt in die UN-Misson für den Südsudan (UNMISS) übergehen. Dieses soll laut UNO in dem neuen afrikanischen Staat, der bei einer Fläche von der Größe Frankreichs etwas mehr als acht Millionen Einwohner haben wird, »Frieden und Stabilität« sichern. Kritiker sehen in der Fortsetzung der Mission hingegen einen Versuch des Westens, weiterhin auf die Entwicklung des Südsudan Einfluß zu nehmen.
Noch bevor im UN-Sicherheitsrat über das Mandat abgestimmt wurde, hat der Bundestag am Freitag (8. Juli) die Entsendung deutscher Soldaten und Polizisten in den Südsudan beschlossen. Nur die Abgeordneten der Partei Die Linke stimmten gegen diesen neuen Auslandseinsatz der Bundeswehr. Seitens der Regierung wurde auf die Kämpfe in der Region Abyei während der vergangenen Monate hingewiesen. Dabei hat der künftige UNMISS-Einsatz mit diesem Gebiet überhaupt nichts zu tun. Die Stationierung äthiopischer Blauhelme in Abyei wurde bereits vor Wochen in einem Abkommen zwischen Norden und Süden beschlossen. Die Gespräche dazu hatte der frühere südafrikanische Präsident Thabo Mbeki vermittelt.
Das UNMISS-Mandat wird hingegen auf das Gebiet der neuen Republik beschränkt sein. Daß hier Soldaten beim Aufbau ziviler Strukturen konstruktiv beitragen können, darf bezweifelt werden.
Die Linke-Bundestagsabgeordnete Christine Buchholz, Mitglied im Verteidigungsausschuß, erklärte, die »wichtigste Alternative zum UNMISS-Einsatz wäre: Kein Militäreinsatz.« Interventionen von außen hätten nie »die Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen vor Ort im Visier, sondern eigene Ziele. Was den Menschen im Südsudan wirklich helfen würde, wäre soziale und wirtschaftliche Entwicklung.« (sl)
** Aus: junge Welt, 9. Juli 2011
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