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Darfur: Angriff auf afrikanische Blauhelme – und der Westen schweigt *

Unüberhörbares Schweigen kennzeichnete am Sonntag (30. Sept.) und Montag (1. Okt.) die Nichtreaktion der Darfur-Aktivisten zwischen Hollywood und Berlin. Diejenigen, die seit Jahren Sudans Regierung wegen Menschenrechtsverletzungen – George W. Bush spricht gar von einem »Völkermord« – in ihrer Westprovinz anprangern und eine Militärinvasion fordern, ignorierten den Angriff auf ein Lager der »peacekeepers«. Mindestens zehn Tote, ebenso viele Verletzte sowie bis zu 50 Verschleppte beklagte die AMIS-Blauhelmtruppe der Afrikanischen Union (AU), nachdem mindestens 2000 Rebellen der selbsternannten Sudanesischen Befreiungsarmee (SLA) das Camp »überrannt« hatten – so Augenzeugenberichte. Der Stützpunkt Haskanita mußte evakuiert werden (Foto).

Ein westlicher Sturm der Entrüstung blieb diesmal deswegen aus, weil die SLA-Attacke nicht ins Schema vom bösen arabischen Regime in Khartum inklusive deren vorgebliche Reitermilizen (Dschandschawid) einerseits und den guten schwarzen Freiheitskämpfern paßt – eben jene griffen die überwiegend aus Schwarzafrikanern bestehende 7000köpfige UN-Vorhut an. Dieses geschah im direkten Vorfeld von »Friedensgesprächen« zwischen beiden Seiten unter Vermittlung der Vereinten Nationen, die für den 27. Oktober in Libyen geplant sind, sowie der für die bis Anfang 2008 vorgesehenen Stationierung von zusätzlich annähernd 20000 Bewaffneten mit UN-Mandat.

Mit Sicherheit demonstrierte dieser schwerste Angriff in der Geschichte der Auseinandersetzungen um die ölreiche Provinz brutal, daß es sich bei der Darfur-Krise nur sekundär um eine ethnisch begründete Kontroverse handelt. In erster Linie steht unzweideutig der Kampf um Land, Wasser, Bodenschätze und geostrategischen Einfluß. Dabei manifestierte die SLA am Wochenende blutig ihre Forderung, die zukünftige UN-Truppe möge maßgeblich mit Soldaten der NATO bestückt werden – und eben nicht, wie von Khartum verlangt, mit afrikanischen. Diese seien »nicht neutral«, erklärten die Rebellen, eben dieses für westliche Blauhelme unterstellend.

* Aus: junge Welt, 2. Oktober 2007

Meldung der Nachrichtenagentur AP

Ein Überfall auf die Friedenstruppe der Afrikanischen Union in der Konfliktregion Darfur belastet die für Oktober geplanten Friedensgespräche. Einen Tag nach dem Angriff auf den Stützpunkt Haskanita im Westsudan zog die Afrikanische Union am Sonntagabend (30. September) eine vorläufige Bilanz: Zehn Soldaten wurden getötet, zehn verletzt, und 30 werden noch vermisst.

Bei den Angreifern handelte es sich um mindestens 2.000 Kämpfer der Sudanesischen Befreiungsarmee (SLA), wie aus Kreisen der Friedenstruppe verlautete. Bis Sonntagabend (30. Sept.) wurden die letzten der insgesamt 130 nigerianischen Soldaten aus dem Stützpunkt in Sicherheit gebracht. Ihnen folgten sudanesische Soldaten und Milizen, die das ausgebrannte Lager nach Wertgegenständen durchsuchten. Der Überfall am Samstagabend (29. Sept.) war der bislang schwerste auf die Friedensmission in der sudanesischen Krisenregion, wie AU-Sprecher Nourredine Mezni erklärte. "Es gibt einen Krieg zwischen den Rebellen und der Regierung und die AU wird in der Mitte zermalmt", sagte ein AU-Offizier. Die Rebellen hatten in der Vergangenheit erklärt, die Truppe der Afrikanischen Union sei nicht neutral, sondern stehe auf Seiten der Regierung.

Die 7.000 Mann starke AU-Mission wurde im Juni 2004 in Darfur stationiert. Sie sollte die Gefechte in der Region beenden, was ihr bislang allerdings nicht gelang. Bis Ende des Jahres soll ihr Mandat von einer UN-Friedenstruppe abgelöst werden. Die ersten Einheiten der insgesamt 26.000 Mann umfassenden Truppe sollen noch im Oktober stationiert werden. Bis Ende Dezember soll sie die Verantwortung in der Region übernehmen.

Für den 27. Oktober sind Friedensgespräche in Libyen geplant. Doch hat die Ankündigung der Konferenz zunächst zu einer Eskalation der Kämpfe geführt. Offenhbar versuchen die Bürgerkriegsparteien, vor der Konferenz vollendete Tatsachen zu schaffen und das von ihnen beherrschte Gebiet zu vergrößern.

AP, 30. September 2007




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