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Ein Aufstand der Jugend Sudans

KP-Funktionär Elshafie Saeid erwartet weitere Zuspitzung des innenpolitischen Konfliktes


Elshafie Saeid ist Mitglied des Politbüros der Kommunistischen Partei in Sudan und Sekretär für die politischen Beziehungen. Mit ihm sprach für »nd« Peter Nowak.


Ende September gab es schwere Unruhen in Suden. Was waren die Ursachen?

Die Unruhen, die sich auf das gesamte Land erstreckten, hatten zwei Gründe. Erstens die sich verschlechternde ökonomische Situation und die sich daraus ergebenden Engpässe. Zweitens die fehlenden politischen Freiheiten und die verstärkte Repression des islamistischen Regimes unter Omar al-Baschir. Die plötzliche Verteuerung der Grundnahrungsmittel war der Funke, der die Unruhen im ganzen Land auslöste. Die meisten Menschen, die auf die Straße gegangen sind, waren Jugendliche.

Wie reagierte das Regime?

Es begegnete den friedlichen Protesten mit harten Maßnahmen und bewaffnete die islamistischen Milizen. Die eröffneten das Feuer auf die Menge. Dabei kamen im ganzen Land über 200 Menschen ums Leben. Über 3000 Personen wurden verhaftet. Darunter sind auch viele Mitglieder und Anhänger der Kommunistischen Partei, auch Mitglieder des Zentralkomitees. Das Regime hat besonders gegen die Kommunisten eine Hetzkampagne initiiert. Sie werden beschuldigt, die Unruhen gegen die Preiserhöhungen initiiert zu haben.

Ist das nur Propaganda des Regimes oder spielte die KP tatsächlich eine wichtige Rolle bei den Protesten?

Die Proteste wurden hauptsächlich von der Jugendbewegung getragen. Aber auch von vielen Parteien, darunter der Kommunistischen, wurden sie unterstützt. Sie haben sich in einer Allianz gegen die Regierung zusammengeschlossen.

Welche Rolle kommt den Gewerkschaften in der sudanesischen Protestbewegung zu?

Bis 1989 spielten sie eine sehr wichtige Rolle bei den Massenprotesten. Danach wurden sie unter die Aufsicht der Regierung gestellt. Daraufhin gründeten sich oppositionelle Gewerkschaftskomitees, die von staatlichem Einfluss unabhängig sind. Sie beteiligten sich auch an den jüngsten Protesten.

Rechnen Sie mit einem Sturz des Regimes in absehbarer Zeit?

Sicher ist, dass die Gründe, die zu dem Aufstand führten, weiter bestehen. Daher wird sich die innenpolitische Situation zuspitzen und könnte für das Regime gefährlich werden. Allerdings erschwert die ethnische Spaltung eine gesamtsudanesische Opposition und gibt dem Regime die Möglichkeit, Spaltungstendenzen zu fördern. Der Konflikt in der Region Darfur ist ein weltbekanntes Beispiel für eine solche ethnische Spaltung. Dort wurden islamistische Milizen mit Waffen versorgt und gegen die afrikanischen Ethnien eingesetzt.

Was hält die Opposition von der Abtrennung Südsudans?

Wir waren immer Befürworter eines einheitlichen Sudans. 1995 haben wir mit anderen Oppositionsparteien und der NPLA ein Programm ausgearbeitet, das die Einheit des Landes sichergestellt hätte. Doch das Regime hat diese Pläne ignoriert und mit massiver Repression reagiert. So hatte der Süden keine andere Wahl als sich abzukoppeln.

Haben die als arabischer Frühling bezeichneten Aufstände in arabischen Staaten auch Einfluss auf die Ereignisse in Ihrem Land?

Natürlich gibt es die Gemeinsamkeit, dass es auch im Sudan um den Kampf für ein Leben in Würde geht. Doch entscheidend sind die innenpolitischen Faktoren.

Präsident Omar al-Baschir soll sich wegen der Verbrechen in Darfur vor dem Internationalen Strafgerichtshof verantworten.

Wir haben lange Zeit Vorschläge zur Überwindung der Krise in Sudan gemacht, ohne den Internationalen Gerichtshof einzuschalten. Doch die wurden vom Regime ignoriert. Nach dem brutalen Vorgehen gegen die Proteste sagen wir, dass es richtig wäre, wenn sich Omar al-Baschir vor Gericht verantworten müsste.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 10. Oktober 2013


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