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Tote bei Protesten

Sudan: Gewalteskalation nach Demonstrationen gegen Preiserhöhungen wegen Streichung von Treibstoffsubventionen

Von Simon Loidl *

Im Sudan kommt es seit einer Woche zu Protesten gegen die Regierung. Ausgelöst wurden diese durch die Bekanntgabe der Regierung, Subventionen für Treibstoff zu streichen. Nach ersten Demonstrationen Anfang vergangener Woche kam es in den darauffolgenden Tagen zu Kundgebungen im ganzen Land. Die Sicherheitskräfte gingen laut Medienberichten hart gegen die Demonstranten vor. Die oppositionsnahe Sudan Tribune zitierte unbestätigte Meldungen über mehr als hundert Tote. Amnesty International und andere Nichtregierungsorganisationen sprachen am Wochenende von mehr als 50, die sudanesischen Behörden von 33 Toten. Letztere gaben zudem an, 600 Personen seien verhaftet worden, Anderen Berichten zufolge wurden bereits Tausende festgenommen. Zudem bestritten die Behörden, scharfe Munition gegen Demonstranten eingesetzt zu haben.

Die Streichung der Subventionen führt zu einer Verdoppelung der Preise für Benzin, Diesel und Gas, was sich in weiterer Folge auch auf die Kosten für Nahrungsmittel und Dienstleistungen auswirken wird. Die Regierung begründet das Ende der Preisstützung mit der schlechten wirtschaftlichen Lage des Landes. Würden die Subventionen nicht gestrichen, könnte dies zu einem wirtschaftlichen Kollaps führen, hieß es.

Auch am Wochenende kam es trotz der Gewalt zu neuen Kundgebungen. So gingen Medienberichten zufolge am Samstag in Khartum etwa 2000 Menschen auf die Straße. Die Sudan Tribune berichtete zudem von einem Memorandum, das Funktionäre der regierenden National Congress Party (NCP) an Präsident Omar Al-Baschir und andere Repräsentanten des Staates gesandt haben sollen. In diesem fordern sie die Regierung auf, die Streichung der Subventionen zurückzunehmen. Die Maßnahme habe harte Auswirkungen auf die Bürger und werde auch von Teilen der NCP abgelehnt. Zudem kritisieren die Verfasser, daß den Demonstranten ihr verfassungsmäßiges Recht auf friedliche Meinungsäußerung verwehrt worden sei. Die Repression haben erst zu der eskalierten Gewalt geführt.

Staatliche Zensoren gingen in der vergangenen Woche gegen mehrere Medien vor. Die sudanesischen Ableger der in den Vereinigten Arabischen Emiraten angesiedelten TV-Sender Al-Arabija und Sky News Arabia erhielten am Freitag Sendeverbot wegen irreführender Berichterstattung und Anstachelung zu Protesten. Zuvor hatten die Behörden bereits das Erscheinen mehrerer Zeitungen verboten, woraufhin andere Blätter aus Protest ihre Arbeit vorübergehend einstellten. Selbst die regierungstreue Zeitung Al-Intibaha war von Zensurmaßnahmen betroffen. Mitte der Woche war zudem das Internet im ganzen Land lahmgelegt. Während die Opposition die Regierung dafür verantwortlich machte, sprachen die Behörden von technischen Problemen infolge eines Angriffes auf Einrichtungen eines Telekommunikationsunternehmens durch Demonstranten.

Am Mittwoch hatte die Regierung angekündigt, daß die Armee zum Schutz öffentlicher Gebäude und Tankstellen eingesetzt werde. Verschiedenen Berichten zufolge haben Sicherheitskräfte aus Hubschraubern und gepanzerten Fahrzeugen auf Demonstranten geschossen. Die Nachrichtenagentur IPS zitierte indessen Berichte, wonach Armeeangehörige sich weigern, die Befehle des Staatspräsidenten auszuführen. Trotz des Einsatzes der Armee griffen Demonstranten auch in den folgenden Tagen Büros der NCP, sowie Polizeistationen und Tankstellen an und setzten diese in Brand.

Der Sudan hat mit dem Einbruch der Öleinnahmen seine wichtigste Einkommensquelle verloren. Seit der Abspaltung des Südens des Landes im Juli 2011 streitet Khartum mit seinem neuen Nachbarn über die Aufteilung der Einkünfte aus der Förderung. Der überwiegende Teil der Ölfelder liegt im Südsudan, der Rohstoff muß aber über die Pipelines des Nordens zum Port Sudan am Roten Meer transportiert werden. Während der vergangenen zwei Jahre war die Förderung bereits mehrmals vollkommen eingestellt worden, weil sich Khartum und Juba nicht über die Höhe des Preises einigen konnten, die der Süden dem Norden für den Transport des Öls zu zahlen hat.

* Aus: junge Welt, Montag, 30. September 2013


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