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Die Gier nach Öl

"Darfur-Konferenz" in Paris: Tauziehen um Sudans schwarzes Gold

Von Anton Holberg / Raoul Wilsterer *

In Paris trafen zu Wochenbeginn die wichtigsten internationalen Kontrahenten im Tauziehen um Sudans Ölreichtum aufeinander. Offiziell sollte sich die eintägige »Darfur-Konferenz« von 18 Staaten und Organisationen, darunter die USA, Großbritannien, Deutschland und China, um Lösungsmöglichkeiten bemühen, die seit vier Jahren anhaltenden Kämpfe, Übergriffe auf die Zivilbevölkerung und das Flüchtlings­elend in der westsudanesischen Krisenprovinz zu beenden. Doch machte der Verlauf deutlich, daß es mehr um handfeste ökonomische, denn um humanitäre Interessen geht. Dementsprechend hatten sich Sudan und die Afrikanische Union (AU), ohne die es keine Lösung für Darfur geben wird, gar nicht erst in die französische Hauptstadt begeben.

Armut bekämpfen

Für den Paukenschlag zum Auftakt hatten per Zeitungsanzeige »Menschenrechtler« und »UN-Experten« gesorgt. In der französischen Tageszeitung Libération unterbreiteten sie spektakulär den Vorschlag, die Öleinnahmen Sudans »unter internationale Kontrolle zu stellen« – also quasi dem sudanesischen Staat die materielle Grundlage zu entziehen, die Regierung in Khartum zu entmachten und ein internationales Verwaltungsgremium für den Sudan zu bestimmen. Als Begründung für diesen wohl beispiellosen Versuch, die nationale Souveränität eines Staates zu beseitigen – ein Schritt, der kriegerische Auseindersetzungen in der Region zwangsläufig befördern würde –, mußten wie verschiedenenorts in den vergangenen Jahren die »Menschenrechte« herhalten.

Auch Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy verlangte, mit Druck und – gegebenenfalls – repressiven Maßnahmen gegen den Sudan vorzugehen. »Das Fehlen von Entscheidungen und Aktionen ist nicht länger hinnehmbar«, sagte Sarkozy, »die Stille tötet.« Der konservative Politiker mit der ausländerfeindlichen Vergangenheit forderte »die internationale Gemeinschaft« auf, sich »entschlossen« zu zeigen, falls die Regierung in Khartum nicht bei einer Lösung der Darfur-Krise »mitwirkt«. »Der Sudan muß wissen, daß wir ihm kraftvoll helfen werden, wenn er kooperiert – und wenn er sich weigert, werden wir entschlossen sein müssen«, meinte Sarkozy, ohne näher zu erläutern, ob er ebenfalls dafür eintritt, die Öleinnahmen des Landes zu sperren. Der von der Afrikanischen Union gestellten »Friedenstruppe« der UN sagte er zehn Millionen Euro Unterstützung zu. Sudan hatte unlängst der vom UN-Sicherheitsrat geforderten Stationierung einer aus 20000 Soldaten und Polizisten bestehenden Truppe zugestimmt.

China trat in Paris als einziger Staat dagegen auf, Druck auf die Regierung Sudans auszuüben. Um das Darfur-Problem lösen zu können, müsse »die internationale Gemeinschaft versuchen, ein positives und ausgeglichenes Signal auszusenden«, sagte der chinesische Sondergesandte für den Sudan, Liu Guijin. Drohungen und Druck gegenüber der sudanesischen Regierung wären »kontraproduktiv« und »würden die Dinge nur noch weiter verkomplizieren«, sagte Liu. China als Sudans wichtigster Ölkäufer schlug vor, die Krise über eine verstärkte Bekämpfung der Armut lösen. »Ich bin sehr erfreut, festzustellen, daß Wiederaufbau und Entwicklung bei der Pariser Konferenz auch auf der Tagesordnung stehen«, sagte Liu. Der chinesische Sondergesante verteidigte die sudanesische Regierung gegen Vorwürfe, Armee und Milizen gegen Rebellen einzusetzen. Khartum wolle »aufrichtig die humanitäre Lage verbessern«. Die Regierung stoße aber auf echte Schwierigkeiten, weil es in der Region noch keinen Waffenstillstand gibt«.

Der Konflikt hatte im Februar 2003 in Nord-Darfur begonnen, als – zum Teil aus dem Ausland gestützte – Rebellen den Hauptort Gulu einnahmen. Die Sudanesische Befreiungsbewegung (SLM) und die Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit (JEM) beschuldigten bald darauf arabische Reitermilizen (Dschandschawid), die von Khartum ausgerüstet würden, Massaker an Bauern zu verüben. Die Rebellenbewegung hat sich inzwischen mehrfach gespalten, so daß es heute rund zehn verschiedene Gruppen gibt, was eine Lösung des Konflikts erschwert.

Die US-Regierung hat sich fürs erste darauf zurückgezogen, die sudanesische Regierung unter Druck zu setzen, indem sie Ende Mai 30 überwiegend im Ölgeschäft tätige Firmen auf eine schwarze Liste setzte und Finanztransaktionen mit ihnen verbot, sowie wirtschaftliche Beziehungen zu vier ernster Menschenrechtsverletzungen beschuldigen Einzelpersonen verbot. Zu denen gehört interessanterweise neben drei Ministern der sudanesischen Regierung auch Khalil Ibrahim, Chef der islamistischen Rebellenorganisation JEM. Der hatte sich in der Vergangenheit der besonderen Unterstützung von Tschads Präsident Idriss Déby erfreut, der vor nicht allzulanger Zeit noch gute Beziehungen nicht nur zu Frankreich, sondern gerade auch zu den USA pflegte. Der Import von Gummiarabikum, dessen Hauptproduzent und -exporteur der Sudan ist, und den die US-Wirtschaft braucht, steht übrigens nicht auf Bushs Boykottliste.

Im Mai 2006 unterzeichnete lediglich ein Teil der SLM ein Friedensabkommen mit Khartum. Religiöse Motive spielen in dem Bürgerkrieg in der Provinz an der Grenze zum Tschad, Libyen und der Zentralafrikanischen Republik praktisch keine Rolle. Die Darstellung eines Kampfes von muslimischen »Arabern« und schwarzen »Afrikanern« sei vereinfacht und »sehr problematisch«, sagt Alex De Waal von New Yorker Organisation Social Science Research Council (SSRC). »Viele ›arabische‹ Gruppen haben sich der Rebellion angeschlossen, und viele ›afrikanische‹ Gruppen stehen hinter der Regierung.«

Chinesisch lernen

Die Gründe für die lokalen Akteure, sich auch untereinander zu bekämpfen, beschrieb jüngst die Zeitschrift China Business (25.5.): »Darfur: Vergiß den Völkermord; es gibt Öl da«. Sie schrieb, daß es seit der US-Invasion im Irak 2003 einen neuen kalten Krieg zwischen Washington und Peking über die Kontrolle der wichtigsten Erdölvorkommen gebe und daß Afrika und hier der Abschnitt Tschad-Sudan im Zentrum der Konkurrenz stehe. Dabei sei der Spätankömmling VR China relativ erfolgreicher als die USA, auch weil er darauf verzichte, seine Wirtschaftsabkommen mit einer wachsenden Zahl afrikanischer Länder durch irgendwelche Vorschriften wie den IWF-Strukturanpassungsprogrammen zu belasten.

Besonders erfolgreich war China bislang gerade im Sudan, wo es die Erdölausbeutung weitgehend monopolisiert – so sehr übrigens, daß eine wachsende Zahl sudanesischer Studenten angefangen hat, chinesisch zu lernen. 2006 war der Sudan der viertgrößte Erdölexporteur für China, das bis zu 80 Prozent des im Südsudan geförderten Erdöls kauft. Chinas Ölkonzession im Südsudan betrifft den Block 6, der an Darfur grenzt. Die Regierung in Khartum hat allerdings 2005 bekanntgegeben, daß auch im Süddarfur Erdöl gefunden worden sei. Der von Washington erhobene und international mediengerecht aufbereitete Vorwurf des »Völkermordes« dient –so China Business – der Vorbereitung einer Intervention der NATO – sprich der USA – mit dem Ziel des »Regimewechsels« zum Gefallen der US-amerikanischen Ölkonzerne.

* Aus: junge Welt, 27. Juni 2007


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