Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Frieden in Sicht

Sudan: Abkommen über die Verteilung der Staatsfinanzen - Ein Schritt zum Frieden nach 20 Jahren Bürgerkrieg - Geschichts-Chronik

Am 7. Januar 2004 wurde ein Abkommen zwischen den sudanesischen Bürgerkriegsparteien vereinbart, das als erster Schritt zu einer Friedenslösung nach einem 20 Jahre dauernden Bürgerkrieg gewertet werden kann.
Wir dokumentieren hierzu eine kurze "amtliche" Stellungnahme aus dem deutschen Außenministerium. Einen ersten kritischen Kommentar können Sie hier lesen: Der Krieg nach dem Krieg.
Im Anschluss daran geben wir einen chronologischen Überblick über die Geschichte des Sudan unter besonderer Berücksichtigung der letzten zwei Jahre.


Erklärung von Kerstin Müller (Staatsministerin im Auswärtigen Amt):

Die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Kerstin Müller, erklärte anlässlich der heutigen (07.01.2004) Unterzeichnung eines Abkommens zur Aufteilung der sudanesischen Staatseinnahmen:

"Die heutige Unterzeichnung eines Abkommens über die Aufteilung der sudanesischen Staatseinnahmen ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum Frieden in dem bürgerkriegsgeschundenen Land. Ich begrüße es, dass die beiden Verhandlungsführer Vizepräsident Ali Osman Mohamed Taha und der Vorsitzende der Sudanese People's Liberation Movement (SPLM), John Garang, mit Hilfe von Chef-Vermittler Lazaro Sumbeiywo eine einvernehmliche Lösung dieser für den Friedensprozess so entscheidenden Frage erreicht haben. Nach der Einigung über Sicherheitsfragen vom 25.09.2003 ist dieses Übereinkommen zwischen der sudanesischen Regierung und der SPLM ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zur Beendigung des langjährigen Bürgerkriegs im Sudan.

Nun müssen die noch verbleibenden Streitpunkte zügig gelöst werden, damit so bald wie möglich ein umfassendes Friedensabkommen unterzeichnet werden kann. Wie ich in meinen Unterredungen mit den Verhandlungsführern bei den Friedensgesprächen in Naivasha am 06.12.2003 deutlich gemacht habe, wird Deutschland die Implementierung eines Friedensabkommens im Sudan nach Kräften unterstützen und beim Wiederaufbau des Landes helfen. Ein Frieden im Sudan kann jedoch nur dann von Dauer sein, wenn er mit einer substanziellen Verbesserung der dortigen Menschenrechtssituation sowie einer grundlegenden Demokratisierung einhergeht."

Chronik

  • 2500 bis ca. 1500 v.Chr.
    Reich von Kerma, älteste spezifisch afrikanische Hochkultur, Tonerzeugnisse Gipfel afrikanischer Keramik (Ägypten inbegriffen).
  • 1500 bis 1000 v.Chr.
    Norden des Sudan gelangt unter ägyptischen Einfluss.
  • 1000 v.Chr. 350 n.Chr.
    Königreich Kusch:
    erste Phase Reich von Napata (ca. 1000 - 270 v.Chr.),
    zweite Phase Reich von Meroe (270 v.Chr. - 350 n.Chr.) das weltgeschichtliche Bedeutung erlangt.
    Kusch eroberte im 8. und 7. Jh. v.Chr. Ägypten und beherrschte in der 25. Dynastie ein Reich vom Mittelmeer bis zu den Quellen des Nils. Die Herrscher von Napata nannten sich Pharaonen und hatten eine eigene Schriftsprache.
  • 350 bis 1504
    Sudan unter Einfluss des Christentums. Nubien wird früh, wenn auch nicht sehr intensiv christlich. Koptische Kirche führt ihren Ursprung auf den Minister der Kandake (= Titel der meroitischen Königinnen) zurück (Apostelgeschichte 8.27).
    Letztes christliches Reich (Alwa mit der Hauptstadt Soba, heute Stadtgebiet von Khartum) brach 1504 zusammen.
  • 1500 bis ca. 1800
    Gründung verschiedener Scheichtümer östlich und westlich des Nils durch arabische Stämme, die Islam verbunden sind (z.B. Königreich der Funsch von Sennar).
  • Ende des 18. Jh. bis Mitte des 19. Jh.
    Eroberung des Sudan durch Mohamed Ali, ägyptische Herrschaft, Handel mit Sklaven und Gold.
  • 2. Hälfte des 19. Jh.
    Errichtung eines britisch/ägyptischen Kondominiums.
  • 1877
    Ernennung Gordons zum Gouverneur von Ägypten und Sudan.
  • 1881 bis 1898
    Aufstand des Mahdi, erste erfolgreiche Aufstandsbewegung der Dritten Welt gegen westlichen Kolonialismus.
  • 1885
    Eroberung Khartums durch den Mahdi, Tod Gordons.
  • 1898 bis 1955
    britisch/ägyptisches Kondominium (2. Teil).
  • 1953
    Abhaltung von Wahlen zur Vorbereitung auf die Unabhängigkeit.
  • 1955 bis 1972
    Bürgerkrieg im Südsudan (1. Phase).
  • 1. Januar 1956
    Proklamation der Unabhängigkeit des Sudan.
  • 1958
    Parlamentswahlen, Übernahme der Regierungsverantwortung für sechs Monate durch Abdallah Khalil (Umma Partei).
  • 1958 bis 1965
    Militärregierung unter General Ibrahim Abbud.
  • 1965
    Parlamentswahlen im Mai, erneute Etablierung einer Zivilregierung.
  • 1969 bis 1985
    Putsch und Regierungsübernahme durch Oberst Jaa'far al-Nimeiri, Verbot politischer Parteien, wirtschaftliche Stabilisierung.
  • 1983
    Einführung der Scharia. Alle Bürger, gleich welcher Religion, müssen sich islamischem Recht unterwerfen.
  • 1983 (bis heute)
    Bürgerkrieg im Südsudan (2. Phase).
  • 1985
    Sturz Nimeiris, Regierungsübernahme durch Sadiq al-Mahdi (Enkel des Mahdi, Führer der Umma-Partei).
  • 1986:
    Sudan wird Islamische Republik
  • 1989
    Putsch durch Brigadier Umar Hassan Ahmad al-Bashir, Verhängung des Ausnahmezustands, Unterdrückung der politischen Opposition, Anheizung militärischer Aktivitäten im Süden, Islamisierung des Landes unter dem Chefideologen Hassan al-Turabi, Verwicklung der Führung in terroristische Aktivitäten (z.B. 1995 Anschlag auf ägyptischen Präsidenten Mubarak in Addis Abeba)
  • 1998:
    Sudan gibt sich eine eigene Verfassung
  • Dezember 1999
    Auflösung des Parlaments, Turabi verliert einflussreichen Posten des Parlamentssprechers.
  • 12. Dezember 1999:
    Erklärung des Ausnahmezustands)
  • Februar 2001
    Verhaftung von Hassan al-Turabi; seither unter Hausarrest
  • Januar 2002
    Unterzeichnung des Waffenstillstands-Abkommens für die Nuba-Berge in Bürgenstock/Schweiz
  • Juni 2002
    Aufnahme der Machakos-Friedensverhandlungen im IGAD-Rahmen
  • Juli 2002:
    Machakos-Abkommen vereinbart. Das Abkommen garantiert den Bewohnern des Südsudans Religionsfreiheit und sechs Jahre nach einem endgültigen Friedensschluss ein Referendum über die staatliche Zukunft des Gebiets.
  • Seit 13. August 2002:
    Friedensgespräche
  • 1. September 2002:
    Die südsudanesische Befreiungsarmee SPLA (Sudan People`s Liberation Army SPLA) erobert die Ortschaft Torit (im äußersten Süden des Landes);
    Die Regierung setzt daraufhin die Friedensgespräche aus und beschließt eine Generalmobilmachung.
  • 26. September 2002:
    Flugverbot angeordnet (verhindert u.a. Hilfsflüge für den Süden)
  • 5. Oktober 2002:
    Friedensverhandlungen werden wieder aufgenommen; das Flugverbot wird aufgehoben
  • 6. Oktober 2002:
    Rückeroberung Torits durch die Regierungsarmee. Dabei wurden nach amtlichen Angaben Hunderte von SPLA-Rebellen getötet.
    Der Sudan schließt seine Grenze zu Eritrea, nachdem Milizen der Nationaldemokratischen Allianz (NDA) eine Offensive in der an Eritrea angrenzenden Provinz Kassala eröffnet hatten.
  • 15. Oktober 2002:
    Waffenstillstand vereinbart; gilt für das ganze sudanesische Territorium. Es ist der erste Waffenstillstand seit Beginn des Bürgerkriegs 1983 (abgesehen von regional begrenzten Waffenstillständen)
  • 23. Dezember 2002:
    Waffenstillstands-Abkommens für die Nuba-Berge wird um ein halbes Jahr (genau: bis zum 19. Juli 2003) verlängert; die Abmachung wird von einer internationalen Beobachterkommission kontrolliert.
  • Ende 2002:
    Der kanadische Erdölkonzern Talisman Energy beendet zum Jahresende 2002 sein vierjähriges Engagement im Sudan und beugt sich damit der jahrelangen Kritik zahlreicher Menschenrechtsorganisationen
  • 23. Januar bis 7. Februar 2003:
    Fortsetzung der Friedensgespräche unter norwegischer Vermittlung.
    Während dessen kam es zu neuen Militäroperationen der Regierung in der ölreichen Provinz Oberer Nil
  • Februar 2003:
    Befreiungsbewegung Darfur (DLF) erobert Distrikthauptstadt Gulu in der Provinz Darfur (im Westen des Landes)
  • Anfang März 2003:
    Regierungstruppen bringen Gulu wieder unter ihre Kontrolle; regionaler Waffenstillstand
  • 1. April 2003:
    Treffen zwischen Staatspräsident Omar Hassan Ahmad al-Bashir und Rebellenführer John Garang. Beide Seiten bekräftigen Willen, noch im Jahr 2003 einen umfassenden Friedensvertrag abschließen zu wollen.
    Weitere Friedensverhandlungen fanden im März und im Mai statt: ohne Durchbruch. 7. Juli 2003:
    Neue Verhandlungsrund in Kenia. Regierung beharrt auf Einheit des Landes und kritisiert Parteilichkeit der kenianischen Gastgeber.
  • 25. September 2003:
    Einigung in einigen Sicherheitsfragen
  • 6. Dezember 2003:
    Friedensgespräche in Naivasha
  • 7. Januar 2004:
    Unterzeichnung eines Abkommens zur Aufteilung der sudanesischen Staatseinnahmen (Einigung zwischen Regierung und SPLM-Führer John Garang)
Quellen:
Homepage des Auswärtigen Amtes (www.auswaertiges-amt.de);
Fischer-Weltalmanach 2004, Frankfurt a.M. 2003 (S. 805-808)


Zusammenstellung: Pst


Zu weiteren Beiträgen über Sudan

Zurück zur Homepage