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Sudan: Chronik wichtiger Ereignisse

März/April 2009


Sonntag, 1. März, bis Sonntag, 15. März
  • Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag hat am 4. März den Haftbefehl gegen den sudanesischen Präsidenten Omar al-Bashir erlassen. Die zuständigen Richter am Strafgerichtshof wiesen damit die Befürchtungen der internationalen Gemeinschaft zurück, der Haftbefehl würde einen diplomatischen Friedensprozess in Darfur endgültig zunichte machen. Bereits Minuten nach der Verlautbarung des Internationalen Strafgerichthofs versammelten sich Tausende in der sudanesischen Hauptstadt, um gegen den Entschluss zu protestieren. Die sudanesische Regierung und ihre Vertretung in den Vereinten Nationen nannten das Vorgehen des Strafgerichtshofes kriminell. Obgleich die sudanesische Regierung theoretisch zu al-Bashirs Verhaftung gezwungen ist, ist eine Auslieferung des Präsidenten an den Internationalen Strafgerichtshofes unwahrscheinlich.
  • Demonstrationen von al-Bashirs Anhängern wurden in Darfur und anderen Regionen Sudans gemeldet (5. März). Sie sollen weitgehend friedlich verlaufen sein.
  • Der Sekretär der Afrikanischen Union traf sich am 6. März mit dem Berater des sudanesischen Präsidenten. Bei dem Gespräch wurde diskutiert, wie mit dem Haftbefehl des Internationalen Strafgerichthofes verfahren werden soll. Die Afrikanische Union hatte beschlossen, den Haftbefehl nicht anzuerkennen.
  • Hassan al-Turabi, der Führer der sudanesischen Oppositionspartei Islamist Popular Congress Party, wurde verhaftet und nach mehreren Verhören wieder frei gelassen. (8. März) Die sudanesische Regierung warf ihm Kollaboration mit Rebellengruppen in Darfur vor und machte ihn mitverantwortlich für Angriffe auf Stadtteile der sudanesischen Hauptstadt Khartum. Während al-Turabis Verhaftung dauerten gewaltsame Auseinandersetzungen im Bezirk Omdurman weiterhin an. Al-Turabi leugnete jedwede Kooperation mit der Rebellengruppe Justice and Equality Movement (JEM). Der Parteivorsitzende hatte sich angeblich zugunsten des Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshofes ausgesprochen.
  • Präsident al-Bashir hat aufgrund der Erlassung des Haftbefehls die Mitarbeiter der 13 größten Hilfsorganisationen aus dem Sudan ausgewiesen. Al-Bashir warf ihnen Kooperation mit dem Internationalen Strafgerichtshof vor. (9. März) Gleichzeitig hat der Präsident das Militär in Alarmbereitschaft versetzt, um nach eigener Aussage gegen mögliche Bedrohungen von außen gewappnet zu sein. Ferner erklärte er, er würde weitere Hilfsorganisationen ausweisen lassen und verkündete, es bestehe die Möglichkeit, er würde die Friedenstruppen zum Verlassen Sudans auffordern.
  • Am 10. und 12. März gaben Mitarbeiter der UN bekannt, dass Truppen der UNAMID Friedensmission in Darfur von Unbekannten überfallen worden und Mitarbeiter internationaler Hilfsorganisationen entführt worden seien. Bei den Entführten handelte es sich um Ärzte, die für „Ärzte ohne Grenzen“ im Einsatz waren. Die Entführten wurden laut Pressemitteilungen der UN am 14. März unversehrt freigelassen.
Montag, 16. März, bis Dienstag, 31. März
  • Am 16. März gab al-Bashir bekannt, er wolle alle Vertreter Internationaler Organisationen im Sudan binnen eines Jahres ausweisen. Vertreter der Vereinten Nationen zeigten sich über den Entschluss alarmiert und wiesen auf die Konsequenzen hin, die eine Ausreise der Hilfsorganisationen und der Friedenstruppen für die sudanesische Bevölkerung hätte. Währenddessen gaben bereits mehrere Hilfsorganisationen im Sudan bekannt, sie würden von Angehörigen der Polizei belästigt und bedroht werden.
  • Laut den Mitarbeitern der Vereinten Nationen haben in den vorangegangenen Wochen rund 80.000 Personen aufgrund der gewaltsamen Auseinandersetzungen Zuflucht in Flüchtlingscamps gesucht. Die Flüchtlinge stammen größtenteils aus dem Südsudan, wo derzeit Trockenheit herrscht und Wasser knapp ist. Die African Union - United Nations Hybrid Operation in Darfur (UNAMID) stellte ihnen bislang 100.000 Liter zur Verfügung, mehr würde folgen, so die UNAMID-Mitarbeiter. (18. März)
  • Der sudanesische Finanz- und Wirtschaftsminister Dr. Awad Al-Jaz hat die Haltung Russlands gegenüber dem Sudan gelobt. (22. März) Dies sagte er im Anschluss an sein Gespräch mit dem russischen Botschafter. Der Minister bestätigte die Absichten der sudanesischen Regierungen, eine enge wirtschaftliche Kooperation mit Russland zu knüpfen. Außerdem lud er Russland ein, in die Vermarktung sudanesischer Rohstoffvorkommen – vornehmlich Öl und Erdgas – zu investieren.
  • Der sudanesische Präsident Omar al-Bashir reiste am Montag, dem 23. März, nach Eritrea. Dies war seine erste Reise ins Ausland nachdem der Internationale Strafgerichtshof den Haftbefehl gegen das Staatsoberhaupt erlassen hatte. Der eritreische Präsident Isaias Afwerki hatte seinen Amtskollegen zu Beginn des Monats zu Gesprächen eingeladen. Eritrea hat den Haftbefehl gegen al-Bashir nicht anerkannt und beschuldigt den Strafgerichtshof politische anstatt jurisprudenzielle Motive zu verfolgen.
  • Experten sehen den Grund für neue ethnische Spannungen zwischen dem Habaniya und Al-Falata Stämmen im Südsudan in der Ausweisung internationaler Hilfsorganisationen, die Präsident al-Bashir im Anschluss an die Erlassung des Haftbefehls des Landes verwiesen hatte. (23. März) 13 humanitäre Hilfsorganisationen mussten Sudan verlassen und hinterließen einen Versorgungsmangel: In einigen Teilen Südsudans fehlt es an Lebensmittel und Wasser.
  • Präsident al-Bashir erklärte, er würde wahrscheinlich der Aufforderung der religiösen Oberhäupter Sudans Folge leisten und darauf verzichten, an dem Gipfeltreffen der Arabischen Liga in Doha (Katar) teil zu nehmen. (24. März) Er hat von seiner ursprünglichen Entscheidung, zu dem Treffen reisen zu wollen, auch infolge der Kommentare des französischen Botschafters Patrick Nicoloso abgesehen. Der Botschafter in Sudan hatte verlauten lassen, dass er sich zugunsten einer Umleitung des Fluges des Präsidenten einsetzen würde, sollte dieser sich entschließen Sudan zu verlassen. Da al-Bashir nur außerhalb Sudans verhaftet werden und an den Internationalen Strafgerichtshof ausgeliefert werden kann, könnte sein Flug von dem ursprünglichen Ziel Doha in europäischen Flugraum umgeleitet werden.
  • Al-Bashir ist dennoch zu dem Treffen in Doha gereist (29. März), da er die Unterstützung der arabischen Länder erhalten hatte: Deren Vertreter äußersten sich kritisch zu dem Haftbefehl und lehnten ihn kategorisch ab. Sie sicherten dem sudanesischen Staatsoberhaupt zu, er würde in keinem Mitgliedsstaat der Arabischen Liga festgenommen werden. UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon, der ebenfalls an dem Gipfeltreffen teilnahm, forderte die sudanesische Regierung auf, die Ausweisung der 13 humanitären Organisationen aus dem Sudan noch einmal zu überdenken und im Interesse der sudanesischen Bevölkerung rückgängig zu machen.
  • Auf dem Gipfeltreffen der arabischen Liga erklärte al-Bashir, der Haftbefehl zeuge von einem Doppelstandard und seine Durchsetzung würde die Hegemonie der westlichen Länder gegenüber den anderen Nationen unter Beweis stellen. Ferner lehnte der sudanesische Präsident ihn einmal mehr als unrechtmäßig und unbegründet ab. (30. März) Al-Bashir erklärte außerdem, er habe lediglich 13 von insgesamt 118 Hilfsorganisationen ausgewiesen, die seinen Angaben zufolge lediglich 4,5 Prozent der sudanesischen Bevölkerung Unterstützung boten. Diese 13 Organisationen hatten laut Al-Bashir mit dem Internationalen Strafgerichtshof kooperiert.
Mittwoch, 1. April, bis Sonntag, 12. April
  • Am 3. April traf die African Union High Level Panel on Darfur (AUPD) in El Fasher (Norddarfur) ein, um mit Vertretern der United Nations-African Union Mission in Darfur (UNAMID) und politischen Vertretern der Region Gespräche zu führen. Im Mittelpunkt standen die humanitären Herausforderungen sowie die immer wieder neu aufbrechenden gewaltsamen Auseinandersetzungen.
  • Erneut wurden Mitglieder einer internationaler Hilfsorganisationen im Sudan entführt. Regierungsvertretern zufolge geht es den zwei entführten Mitarbeiterinnen von “Aide Medicale Internationale“ (AMI) gut. (5. April) Sie wurden in Ed el-Fursan im südlichen Darfur entführt, von wem, das sei derzeit noch unbekannt, so die zuständigen Beamten. Bereits wenige Wochen vor diesem Zwischenfall sind zwei Mitarbeiter derselben Nichtregierungsorganisation von Unbekannten erschossen worden, auch ein Versuch der Entführung habe bereits zu Beginn des Jahres stattgefunden.
  • Der US-Sonderabgesandte General Scott Gration traf am 5. April in Juba, der südsudanesischen Hauptstadt ein. Er wird zwei Tage lang das Land bereisen und Rücksprache mit Regierungsvertretern halten, um Präsident Barack Obama den Status quo in Sudan berichten zu können. Gration wurde auf seiner Reise u.a. von Mitgliedern des amerikanischen Außenministeriums sowie dem sudanesischen Botschafter in den USA, Akec Khoc, begleitet. Dies ist die erste von mehreren geplanten Reisen in den Sudan, mit dem die Obama-Regierung hofft, positiven Einfluss auf die humanitäre Krise in Darfur ausüben zu können.
  • Präsident al-Bashir gab bekannt, er würde trotz des Haftbefehls zum UN-Gipfeltreffen reisen, sofern er eingeladen würde. (5. April) Westliche Regierungen ließen verlautbaren, dass sie keinen Wunsch hegten, al-Bashir zu verhaften. Theoretisch steht allen Staaten, die das Rom-Statut und somit die gesetzliche Grundlage des Internationalen Strafgerichtshofs unterzeichnet haben, die Möglichkeit zu, al-Bashir auf seinem Flug in die USA zu verhaften, wenn er ihren Luftraum betritt.
  • Der US-Sonderabgesandte General Gration hielt die sudanesische Regierung im Anschluss an seinen Besuch des Flüchtlingslagers Zamzam in Norddarfur an, weitere Hilfsorganisationen ins Land zu lassen, um die Situation der Menschen zu lindern. (6. April) Da Präsident al-Bashir Anfang des vergangenen Monats 13 Organisationen aus westlichen Nationen des Landes verwiesen hatte, schlug Gration vor, humanitäre Hilfe aus arabischen Ländern zu holen.
  • Laut dem Internationalen Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) hat Sudan die höchste Müttersterblichkeitsrate der Welt. Eine 15-jährige habe eine höhere Chance im Kindsbett zu sterben als ihren Schulabschluss zu machen, so UNICEF-Mitarbeiter. (7. April) Um die Situation zu verbessern, hat UNICEF ein Projekt gestartet, das den Transport von Hochschwangeren zum nächst gelegenen Krankenhaus ermöglichen soll.
  • Präsident al-Bashir lobte Präsident Obama für dessen Offenheit gegenüber dem Sudan. Im Gegensatz zu der früheren US-Regierung empfindet das sudanesische Staatsoberhaupt das amerikanische Vorgehen als versöhnend und gesprächsbereit. (11. April)
  • Neun verurteilte Männer aus Darfur, die im Jahr 2006 den Journalisten Mohammed Taha Mohammed Ahmed aufgrund seiner kritischen Artikel getötet hatten, wurden in einem Gefängnis in Khartum gehängt. (12. April) Der Journalist war sowohl für seine regierungs- als auch rebellenkritische Berichterstattung bekannt.
Montag, 13. April, bis Sonntag, 19. April
  • Die Ergebnisse der Bevölkerungszählung, die im letzten Jahr unternommen wurde, sollen Ende April veröffentlicht werden, teilte die Sudan Tribune mit. (13. April) Nach mehrmaliger Verschiebung des Veröffentlichungstermins soll es diesmal endgültig soweit sein. Die statistische Erhebung soll u.a. für die Wahlen sowie die Verteilung der finanziellen Mittel benutzt werden und ist somit ein wichtiges Element in dem 2005 geschlossenen Comprehensive Peace Agreement (CPA) zwischen Süd- und Nordsudan.
  • Eine arabisch-afrikanische Delegation wird Gespräche mit der sudanesischen Regierung sowie Vertretern der Rebellengruppen in Darfur aufnehmen, um den Friedensprozess zu stärken (13. April). Vertreter der arabischen Liga sowie der Afrikanischen Union (unter ihnen der ehemalige südafrikanische Präsident Thabo Mbeki) werden die Ergebnisse der Bemühungen und die Forderungen der jeweiligen Gruppen beim Gipfeltreffen der Afrikanischen Union im Juli bekannt geben.
  • Sudanesische Studenten reagierten mit Protesten auf die Ansprachen mehrerer ihrer Regierungsvertreter bei der Konferenz “Is international jurisdiction in emergent democracies possible or desirable?” in Kampala (Uganda). (18. April) Die Politiker hatten Präsident al-Bashir für unschuldig und den Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag für unrechtmäßig erklärt. Die Studenten warfen ihren politischen Vertretern Verleumdung und Verzerrung von Tatsachen vor.
  • Erneut kamen bei gewaltsamen Auseinandersetzungen im Süden Sudans fast zweihundert Menschen ums Leben: Die Lou Nuer Dörfer sollen von Rivalen des Murle-Clans angegriffen worden sein. (19. April)
Montag, 20. April, bis Donnerstag, 30. April
  • Präsident al-Bashir sprach sich zugunsten einer friedlichen Nutzung der Atomenergie durch den Iran aus. (20. April) Des Weiteren erklärte er, ein einflussreiches und starkes Iran sei gut für den Zusammenhalt der arabischen Welt. Der iranische Präsident Mahmoud Ahmadinejad ließ al-Bashir zukommen, dass sein Land eng mit dem Sudan kooperieren wolle, um die Feinde von außen abzuwehren, worunter er auch den Internationalen Strafgerichtshof zählte. Außerdem soll der iranische Gesundheitsminister während seines Besuchs im Sudan ein Memorandum unterzeichnet haben, das eine Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern auf dem Gesundheitssektor vereinbart, so die Tehran Times.
  • Ein Feuer ist in der African Union - United Nations Hybrid Operation in Darfur (UNAMID)-Zentrale ausgebrochen und verursachte Schäden in Millionenhöhe, so Sprecher der Vereinten Nationen. (20. April) Bei dem Feuer ist niemand ums Leben gekommen.
  • Hilfslieferungen für die Menschen im südsudanesischen Bundesstaat Western Equatoria, der an die Demokratische Republik Kongo grenzt, sind aufgrund der aufflammenden Gewalt, schwerer Regen und beschädigter Infrastruktur ausgefallen, berichten Vertreter der Vereinten Nationen. (20. April) Neben Rebellengruppen haben auch zahlreiche Flüchtlinge aus dem Kongo Schutz auf sudanesischem Boden gesucht, was die humanitäre Situation weiter verkompliziert.
  • Präsident al-Bashir ist zu einer dreitägigen Reise nach Äthiopien aufgebrochen, wo er bilaterale Verhandlungen über mögliche Kooperation führen wird. (20. April) Die Reise nach Addis Adeba wird die sechste Reise ins Ausland sein, die al-Bashir nach Erlassung des Haftbefehls unternimmt, so die Nachrichtenagentur Agence France-Presse.
  • Die sudanesische Regierung hat die regierungsnahe arabischsprachige Zeitung al-Wifaq verboten. (25. April) Der Grund hierfür ist laut sudanesischen Regierungssprechern die radikale Einstellung der Redaktion gewesen, die zuletzt die Aufforderung veröffentlicht hat, einen ranghohen Politiker und Mitglied der Sudan People's Liberation Movement zu töten, aufgrund dessen oppositioneller Kommentare und seiner Aufforderung, von der Sharia abzusehen, besonders im Falle des Ehebruchs.
  • Ein Gesetzesentwurf zur Zensur der Presse sorgte für Proteste seitens sudanesischer Printmedien. (27. April) Das Gesetz würde die Regierung in die Lage versetzen, den Redaktionen schwere finanzielle Strafen von bis zu 22.000 Dollar aufzuerlegen bzw. die Zeitungen unter Umständen zu schließen. Über dreißig Zeitungen in englischer und arabischer Sprache existierten im Sudan. Bislang werden Zeitungen zwar bereits vor dem Erscheinen kontrolliert, doch keine gesetzlichen Beschränkungen unterworfen.
  • Am 27. April veröffentlichte die „Sudan Times“ einige Angaben der mittlerweile abgeschlossenen Volkszählung: Der Sudan hat laut dieser 39.15 Millionen Einwohner, wovon allein in der Hauptstadt Khartum 7,5 Millionen Menschen leben. Die Zahl der Inlandsvertriebenen soll 500.000 betragen, wird aber von Experten höher eingeschätzt. Auch bezüglich der Richtigkeit anderer Angaben herrschten Diskussionen in Expertenkreisen.


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