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Sudan: Chronik wichtiger Ereignisse

Januar/Februar 2009


Donnerstag, 1. Januar, bis Sonntag, 11. Januar
  • Der stellvertretende sudanesische Präsident Ali Osman Mohamed Taha erklärte am 4. Januar, die anstehenden Wahlen stellten eine Herausforderung für das Land dar. Die Vorbereitungen weisen nach wie vor große Schwächen auf, so Taha. In seiner Rede erwähnte der Vizepräsident ebenfalls, dem sudanesischen Präsidenten werden von dem Internationalen Gerichtshof (IStGH) unrechtmäßig schwere Verbrechen angelastet. Taha verlautbarte, Chefankläger Luis Moreno Ocampo säe Chaos und Zwietracht im Sudan. Dies sei ein Komplott, das über die Grenzen Sudans hinausreiche: Die Ereignisse in Gaza, Irak und Afghanistan seien ebenfalls Beispiele für die Willkür des Westens.
  • Am 4. Januar eröffnete die regionale Regierung Südsudans Versöhnungskonferenzen für südsudanesische Gemeinden. Sie sollen dazu beitragen, Konflikte zwischen den Gemeinden beizulegen und friedfertig miteinander zu leben. Die Konferenz beginnt mit dem Anfang der Trockenzeit, weil in dieser Periode besonders oft Spannungen aufkommen, beispielsweise um Wasserquellen sowie Weidengebiete für Herdentiere. Um den Friedensdialog zu fördern bereist der südsudanesische Vizepräsident Riek Machar Teny vier Jonglei Gemeinden innerhalb einer Woche.
  • George W. Bush hat am 5. Januar sofortige Lieferungen von Fahrzeugen und Equipment für die Friedensmission in Darfur autorisiert. Aufgrund der Notsituation hat Bush die übliche 15-Tage-Frist für die Verständigung des Kongresses übergangen, mit der Begründung, die Situation demonstriere „erhebliches Risiko für die Gesundheit und das Wohlergehen der Menschen."
  • Ebenfalls am 5. Januar hat sich George Bush mit dem Präsidenten der südsudanesischen Region, Salva Kiir, zu Gesprächen in Washington getroffen. Parallel zum Treffen fanden die Sitzungen am Internationalen Gerichtshof statt, um zu entscheiden, ob die Klage gegen Präsident Omar Hassan al-Bashir aufgrund Völkermordes, Kriegsverbrechen sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit erhoben werden solle. Bashir hat mehrmals gedroht, Zivilisten in der Krisenregion Darfur anzugreifen, sollte die Klage ausgesprochen werden. Eine Entscheidung, ob diese erhoben wird, wird Ende des Monats erwartet.
  • Das Internationale Rote Kreuz (ICRC) eröffnete am 6. Januar das erste Rehabilitationszentrum für Behinderte im Südsudan. Das Zentrum verfügt über Prothesen und bietet den Patienten Physiotherapie. Ferner soll es den Menschen eine würdevolle Umgebung zusichern.
  • Die sudanesische Regierung plant eine Rohölausbeute von 500.000 Barrel pro Tag (BpT) im Jahr 2009. (10. Januar) Der derzeitige Output liegt bei 450.000 bis 460.000 (BpT). Am Ende des Jahres soll die Ausbeute auf 600.000 erhöht werden.
  • Mitglieder von NGOs und Staatsangehörige westlicher Staaten, die sich im Sudan aufhalten, werden zum Angriffziel werden, sollte das Internationale Strafgerichtshof eine Klage gegen Präsident al-Bashir erheben. Das erklärte Salah Gosh, der Chef des Sudan's National Security and Intelligence Service, am 11. Januar gegenüber einer Nachrichtenagentur.
  • Insgesamt 160 Soldaten des chinesischen Peacekeeping Engineering Contigent werden in Darfur ihre Arbeit aufnehmen. Die erste Gruppe der 160 Soldaten wurde am 11. Januar in Sudan begrüßt.
Montag, 12. Januar, bis Samstag, 31. Januar
  • Der Beauftragte der südsudanesischen Region Western Equatoria gab am 12. Januar bekannt, dass seit Weihnachten 42 Menschen durch die Lord’s Resistance Army (LRA) ermordet und weitere Zivilisten entführt worden sind. Die LRA hat die Gewalt über die Grenzen Ugandas heraus in den Kongo sowie den Südsudan getragen.
  • Der südsudanesische Präsident Salva Kiir gab bekannt, die Region müsse sich für die Eventualität wappnen, dass Präsident al-Bashir vom Internationalen Strafgerichtshof angeklagt wird. (13. Januar) Kiir fürchtet, sudanesische Parteien würden das Friedensabkommen mit Südsudan nicht respektieren, wenn al-Bashir seines Amtes enthoben würde. Aus diesem Grund versuchte Kiir George W. Bush von der Notwendigkeit zu überzeugen, das Internationale Strafegerichtshof von einer Klage abzuhalten.
  • Am 16. Januar sind in Darfur erneut Kämpfe zwischen Rebellen und den Regierungstruppen ausgebrochen. Dabei soll das sudanesische Militär Stützpunkte der Rebellen in der Nähe von El Fasher aus der Luft angegriffen haben (25. Januar). Dieser jüngste Ausbruch von Gewalt ist laut Experten auf die bevorstehende Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshofes zurückzuführen. Das Gericht soll in wenigen Tagen festlegen, ob ein Haftbefehl gegen den sudanesischen Präsidenten al-Bashir erlassen wird.
  • Der Sudanexperte Dr. Edward Thomas sowie einige seiner Kollegen haben Befürchtungen geäußert, dass die Friedensbemühungen zwischen Süd- und Nordsudan scheitern könnten. (17. Januar) Ein Grund hierfür ist beispielsweise, dass Süd und Nord die laut dem gemeinsamen Friedensabkommen seit drei Jahren ausstehende Entscheidung bezüglich der regionalen Grenzen immer noch nicht gefällt haben.
  • Die Truppenstärke der African Union/United Nations Hybrid Operation in Darfur (UNAMID) soll bis Juni ihr geplantes Kontingent von 26.000 vor Ort stationierten Soldaten erreichen, erklärten Vertreter der African Union. Damit werden fast doppelt so viele Friedenstruppen vor Ort sein wie derzeit. (18. Januar) Vertreter der Vereinten Nationen erklärten, die Anzahl der Truppen sei lediglich ein erster Schritt, um den Frieden in Darfur herstellen und langfristig erhalten zu können. Die Truppen sehen sich mit zahlreichen wesentlichen Problemen konfrontiert, beispielsweise mit logistischen Schwierigkeiten und dem Mangel grundlegender Infrastruktur.
  • Aufgrund von Überschwemmungen in dem südsudanesischen Bundesstaat Jonglei sollen mehr als 40.000 Menschen aus ihren Häusern geflohen sein, berichteten südsudanesische Medien am 19. Januar.
  • Der russische Regierungsvertreter Mikhail Margelov erklärte am 21. Januar, seine Regierung wolle sich stärker an einer friedlichen Beilegung der Darfurkrise beteiligen. Hierfür fanden bereits erste Gespräche zwischen ihm und dem sudanesischen Außenminister Deng Alor statt. Margelov erklärte, Russland wolle wieder Einfluss auf dem afrikanischen Kontinent ausüben, wie es zu der Zeit des Kalten Krieges der Fall war. Margelov soll ebenfalls mit Präsident al-Bashir über ein russisches Engagement im Sudan diskutieren. Experten kritisieren das russische Vorgehen in Sudan: Im Jahr 2007 wurde Russland bereits von mehreren NGOs angeklagt, Waffen an die sudanesische Staatsregierung verkauft und damit gegen die UN-Resolution verstoßen zu haben.
  • Die African Union/United Nations Hybrid Operation in Darfur (UNAMID) hat mehrere sudanesische Medien aufgrund einer Falschmeldung kritisiert. Laut den Angaben der Zeitungen sollten Mitarbeiter internationaler Organisationen aus dem Sudan evakuiert worden sein. (24. Januar)
  • Laut Expertenberichten erleben die größeren Städte des Südsudan derzeit einen wirtschaftlichen Boom. (26. Januar) In Juba, Wau, Rumbek und Malakal wird besonders im Baugewerbe sowie auf den Sektoren Telekommunikation und Handel ein hoher Gewinn verzeichnet. Die jeweiligen Investoren sind Unternehmen aus dem Kongo, Uganda, Kenia, Somalia, Eritrea sowie aus außerkontinentalen Ländern wie Indien und China. Trotz der Zunahme der Produktion bleiben südsudanesische Städte sehr stark Importabhängig: Aufgrund lediglich rudimentär ausgeprägten Eigenproduktion müssen alltägliche Waren aus andere Ländern herantransportiert werden, was besonders angesichts der begrenzten Infrastruktur ein Problem darstellt und zu Engpässen in der Versorgung der Bevölkerung führen kann.
  • Die Sprecher der African Union/United Nations Hybrid Operation in Darfur (UNAMID) wiesen die Vorwürfe sudanesischer Medien zurück, wonach in den kürzlich stattgefundenen gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen der Regierung und den Rebellen in Darfur Fahrzeuge der Friedensmission zum Einsatz gekommen waren. Es sei kein Fahrzeug der UNAMID als vermisst gemeldet, so die Sprecher.
Sonntag, 1. Februar, bis Sonntag, 15. Februar
  • UNAMID-Vertreter Rodolphe Adada und weitere Repräsentanten der Friedensmission sind am 7. Februar nach Süddarfur gereist, um sich einen Eindruck von den jüngsten Auseinandersetzungen zwischen den Regierungstruppen und den Rebellen zu verschaffen. Sie berichteten, dass die Krankenhäuser in der Region überlastet und vermehrt Fälle von Meningitis aufgetreten seien.
  • Die Sicherheitssituation in Süddarfur in der Nähe der Stadt Muhajeriya hat sich normalisiert. (9. Februar) Hier hatten vor wenigen Tagen die Regierungstruppen gegen die Rebellen der Justice and Equality Movement (JEM) gekämpft. Zivilisten, die Schutz in der nahegelegenen UNAMID-Base gesucht hatten, haben begonnen in die Stadt zurück zu kehren.
  • Am 9. Februar ist eine Delegation der Red Crescent Authority (RCA) aus den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) in Khartum eingetroffen, um Vorschläge für die Verbesserung der Lebensbedingungen in Darfur und Südsudan auszuarbeiten. Die sudanesische Regierung bedankte sich offiziell bei der VAE-Regierung und sprach von einer engen Kooperation mit dem arabischen Land.
  • Am 10. Februar begannen die Verhandlungen zwischen den Vertretern der Rebellenbewegung Justice and Equality Movement (JEM) und der sudanesischen Regierung, mit dem Ziel, die Friedensbemühungen für Darfur wieder zu beleben. Vertreter der ägyptischen Regierung hatten die Diskussionen gefördert, indem sie die Vertreter der Rebellengruppe nach Kairo eingeladen und sie auf die Verhandlungen vorbereitet hatten. Die Gespräche fanden unter der Aufsicht des UN-AU Vertreters Djibril Bassolé statt. Sie sind die neuste Bemühung der sudanesischen Regierung und der Rebellen, Frieden zu schaffen, nachdem die JEM gemeinsam mit anderen Rebellengruppen bereits 2006 und 2007 eine Fortführung der Friedensverhandlungen abgelehnt hatten, weil sie die damaligen Forderungen der Regierung für untragbar erachtet hatten. Diesmal wurde die JEM von Djibril Ibrahim und die Regierung von Nafi'e al Nafi'e vertreten, einem engen Berater des Präsidenten Omar al-Bashir. Die JEM war als einzige Rebellengruppe anwesend, weil sie als die aktivste und gefährlichste Bewegung gilt und ihr Einfluss als ausschlaggebend für eine Herstellung des Friedens erachtet wird.
  • Die Richter des International Criminal Court (ICC) in Den Haag erklärten den Antrag für einen Haftbefehl gegen Präsident Omar Hassan al-Bashir für gültig. (11. Februar) Es ist das erste Mal, dass der Gerichtshof ein amtierendes Staatsoberhaupt wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und anderen Vorwürfen juristisch anbelangt. Die Entscheidung zugunsten der Erlassung des Haftbefehls hat die internationale Debatte um Friedensbemühungen in Darfur weiter verschärft, so Experten. Zahlreiche afrikanische und arabische Staaten äußerten sich kritisch bezüglich des Haftbefehls und erklärten, er könne Präsident al-Bashir dazu anstacheln, die Friedensbemühungen zu stoppen und mit erneuter Gewalt in Darfur vorzugehen. Die sudanesische Regierung reagierte indes mit Vorwürfen, das ICC sei ein Instrument der westlichen Mächte und würde missbraucht, um den Sudan weiter zu schwächen. Der Antrag auf den Haftbefehl war im Juli 2008 von Chefkläger Luis Moreno-Ocampo gestellt worden, der al-Bashir den Tod von 300.000 Bewohnern aus Darfur zur Last legt.
  • Am 15. Februar meldete die sudanesische Regierung, die Gewinne aus dem Ölhandel seien im Dezember gegenüber dem November um 21% gefallen. Daher werden für das Jahr 2009 stärkere Verluste im Ölgeschäft und eine Verschärfung der finanziellen Krise im Sudan erwartet.
Montag, 16. Februar, bis Samstag, 28. Februar
  • Die Firma Hail Agriculture Development Co., ein Landwirtschaftskonzern aus Saudi Arabien, plant eine Investition von rund $45 Millionen im Sudan, wo das Unternehmen Weizen und Korn anbauen will. (16. Februar)
  • Am 17. Februar gaben libanesische Investoren in Juba bekannt, dass sie ein neues Mobilnetzwerk im Südsudan aufstellen werden. Die entsprechende Infrastruktur wird rund einer Millionen Einwohner drahtlose Kommunikation ermöglichen. „Vivacell“ wird damit der zweite Netzwerk-Anbieter sein, der ausschließlich im Süden Sudans operiert. Er wird mit drei weiteren, landesweiten Anbietern konkurrieren. Die libanesischen Investoren hatten 2007 ein südsudanesisches Unternehmen erworben, das über die entsprechende Lizenz für die Dienstleistung verfügt. Im Zuge der Friedensgespräche im Jahr 2005 wurden dem Südsudan von der sudanesischen Regierung zwei Mobilnetzwerk-Lizenzen erteilt.
  • Am 20. Februar gab die sudanesische Regierung bekannt, sie wolle den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen dazu anhalten, die Erlassung des Haftbefehls gegen Präsident Omar al-Bashir um ein Jahr aufzuschieben. Dafür suchen sudanesische Regierungsmitglieder Unterstützung bei anderen Regierungen. So begab sich der sudanesische Außenminister Dr. Deng Alor Kuol nach Südafrika, wo er seinen Amtskollegen Nkosazana Dlamini Zuma zu Gesprächen traf. Südafrika ist ein starker Verbündeter der sudanesischen Regierung und hat sich bei der Afrikanischen Union zugunsten des sudanesischen Präsidenten eingesetzt. Die Union hat den Entschluss gefasst, auf internationaler Bühne für den Aufschub zu plädieren. Sie hält jedoch die sudanesische Regierung dazu an, die Verantwortlichen für die Gewalt in Darfur entsprechend zu bestrafen.
  • Tausende Sudanesen flüchteten aus der südsudanesischen Stadt Muhajeria, nachdem es dort zu Kämpfen zwischen dem Militär und einigen Rebellengruppen gekommen war und das Militär das Gebiet bombardiert hat. Die Leute flohen zu einem Stützpunkt der UNAMID-Hybrid-Friedensmission der Vereinten Nationen und der Afrikanischen Union (18. Februar). Der Befehlshaber der UNAMID-Streitkräfte, General Martin Luther Agwai, traf sich am nächsten Tag mit dem sudanesischen Verteidigungsminister, um die Situation in Muhajeria sowie im Darfur zu diskutieren.
  • Der Internationale Strafgerichtshof teilte mit, dass es am 4. März eine Entscheidung darüber treffen werde, ob der Haftbefehl gegen Präsident al-Bashir erlassen wird. (23. Februar)
  • 150 weitere Soldaten sind aus Senegal ins nördliche Darfur gekommen, um die Friedensmission zu verstärken. Damit befinden sich derzeit 12.753 Soldaten der Friedensmission vor Ort in Darfur und Sudan. (25. Februar)


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