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Sudan: Chronik wichtiger Ereignisse
Januar 2008
Dienstag, 1. Januar, bis Sonntag, 13. Januar
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Nach dem Mord an einem US-Diplomaten und seinem Fahrer in der sudanesischen Hauptstadt Khartum hat Washington die Entsendung von Ermittlern angekündigt. Wie ein Außenamtssprecher am 3. Jan. in Washington sagte, werde ein Team aus Mitarbeitern des Diplomatischen Sicherheitsdienstes und der US-Bundespolizei FBI in den Sudan reisen, "um den Mord zu untersuchen". Ihre Visa seien bereits beantragt.
Der 33-jährige Diplomat John Granville und sein einheimischer Fahrer waren in der Neujahrsnacht getötet worden, als Unbekannte aus einem Auto heraus das Feuer auf das Diplomatenauto eröffnet hatten. Es ist bisher unklar, ob es sich um einen gezielten Angriff handelte. Das sudanesische Außenministerium sprach von einem "Zwischenfall ohne politische Bedeutung".
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Frankreich will laut Medienberichten die vor dem Scheitern stehende EU-Friedenstruppe für den Tschad (EUFOR) retten und fehlende Hubschrauber und andere logistische Mittel bereitstellen. Paris werde "rund zehn Helikopter, ein Transportflugzeug sowie ein zusätzliches Kontingent von 500 Mann" entsenden, schrieb die Zeitung "Le Figaro" am 10. Jan. Insbesondere über das geringe Engagement Deutschlands für die Truppe sei Paris verärgert, hieß es unter Berufung auf Militärkreise.
Frankreich wird das Angebot dem Bericht zufolge am (morgigen) Freitag (11. Jan.) auf der Sitzung des Sicherheitspolitischen Komitees der EU formell unterbreiten. Das Pariser Verteidigungsministerium lehnte eine Stellungnahme ab. "Frankreich engagiert sich für die Truppe, um die Menschen in den Flüchtlingslagern zu schützen", sagte ein Sprecher am 10. Jan. lediglich. Man werde am Freitag (11. Jan.) sehen, ob Paris seinen Beitrag tatsächlich aufstocke. Aus Brüsseler Diplomatenkreisen verlautete, dies würde sehr begrüßt werden.
Ursprünglich sollten die ersten Truppen schon im November im Osten des Tschads stationiert werden, wegen mangelnder Transportmöglichkeiten blieb das Projekt im Sande stecken. In der Region haben mehr als 200.000 Vertriebene aus der sudanesischen Krisenregion Darfur Zuflucht gesucht. Hinzu kommen 170.000 Binnenflüchtlinge, die wegen der Kämpfe zwischen Streitkräften und Rebellen im Tschad selbst ihre Heimat verloren. Die Spannungen zwischen dem Sudan und dem Tschad haben in den vergangenen Wochen zugenommen.
Seit mehr als einem halben Jahr wird über die Beiträge der EU-Staaten zu der EUFOR-Mission gerungen. Berlin will sich nur mit einigen Offizieren in der Pariser Kommandozentrale beteiligen, deshalb ist man in Paris laut "Le Figaro" sauer. Deutschland hätte "erhebliche Mittel zur Verfügung", zitierte die Zeitung aus Militärkreisen. Dennoch habe die Bundesregierung alles versucht, um während ihrer EU-Ratspräsidentschaft Fortschritte bei der Mission zu verhindern. Der Sprecher des französischen Verteidigungsministeriums sagte der AP dazu nur, Deutschland wolle sich bislang nicht engagieren, was sich aber noch ändern könne.
Insgesamt soll die Truppe 3.500 Mann stark werden, der französische Beitrag werde über die ursprünglich geplanten 2.000 Mann hinaus gehen, hieß es in dem Zeitungsbericht. Neben Frankreich entsenden Irland, Polen, Schweden, Belgien, Österreich und Spanien Soldaten. Italien liefert der Zeitung zufolge ein bislang fehlendes Feldkrankenhaus. Das Kommando der Truppe soll der irische Generalmajor Pat Nash übernehmen. Der Feldkommandeur im Tschad soll dagegen aus Frankreich kommen.
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Russland und die Ukraine erwägen offenbar eine Unterstützung der geplanten EU-Mission im Tschad. Bei einer Truppenstellerkonferenz in Brüssel erklärten die beiden Nicht-EU-Staaten am 11. Jan., sie würden die Bereitstellung dringend benötigter Hubschrauber und Flugzeuge für den Friedenseinsatz prüfen, wie aus Diplomatenkreisen verlautete. Vertreter Frankreichs hätten sich bereit erklärt, unter diesen Umständen "alles zu stellen, was noch fehlt". Zahlen seien nicht genannt worden, sagte ein EU-Diplomat der Nachrichtenagentur AP.
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Der geplante Einsatz einer EU-Friedenstruppe im Tschad und in der Zentralafrikanischen Republik scheint gerettet: Bei einer Truppenstellerkonferenz in Brüssel wurden am 11. Jan. erhebliche Fortschritte erzielt, wie aus dem Generalsekretariat des EU-Ministerrats in Brüssel verlautete.
Belgien, Polen und Frankreich hätten zugesagt, die fehlenden Hubschrauber und Soldaten für die Mission bereitzustellen, hieß es. «Die Militärplaner glauben, dass sie jetzt haben, was wir brauchen», erklärte ein Beamter. Der Einsatz könne voraussichtlich Ende Januar von den EU-Außenministern offiziell beschlossen werden.
Warschau will nach Angaben eines polnischen Diplomaten in Brüssel seinen Beitrag von 350 auf 400 Soldaten aufstocken und zusätzlich zwei Hubschrauber zur Verfügung stellen. Das französische Verteidigungsministerium hatte bereits am Donnerstag erklärt, Paris wolle seinen Anteil von den zunächst zugesagten 2.000 Mann noch einmal deutlich aufstocken. Genauere Zahlen wurden zunächst nicht genannt. Der Mehrbedarf war vor der Konferenz auf 800 Soldaten und mindestens zehn Hubschrauber geschätzt worden.
Deutschland will sich lediglich mit vier Offizieren in der Pariser Kommandozentrale der Truppe an der Operation beteiligen.
Auch Russland und die Ukraine erwägen offenbar eine Unterstützung der EU-Friedenstruppe im Tschad, obwohl sie der Europäischen Union nicht angehören. Bei der Truppenstellerkonferenz in Brüssel erklärten Vertreter der beiden Länder, sie würden die Bereitstellung weiterer Hubschrauber und Flugzeuge für den Friedenseinsatz prüfen, wie aus Diplomatenkreisen verlautete.
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Der Weltsicherheitsrat droht mit neuen Sanktionen gegen den Sudan. Der Rat verurteilte am 11. Jan. einen Angriff auf einen Nachschubkonvoi der UN-Friedensmission durch "Elemente der sudanesischen Streitkräfte" scharf. Ein solcher Angriff sei inakzeptabel.
Der Sicherheitsrat erklärte in einer Stellungnahme, man sei bereit, gegen jede Partei einzuschreiten, die den Friedensprozess, Hilfslieferungen oder die Stationierung der UN-Truppe INAMID behindere. Der Rat zeigte sich außerdem besorgt über die Verschlechterung der Sicherheitslage in Darfur. Die Sollstärke der Mission von UN und Afrikanischer Union (AU) beträgt 26.000 Mann. Bislang sind jedoch erst rund 9.000 Soldaten stationiert. Dem seit fast fünf Jahren anhaltenden Konflikt in Darfur sind schon 200.000 Menschen zum Opfer gefallen, etwa 2,5 Millionen wurden zu Flüchtlingen.
Montag, 14. Januar, bis Donnerstag, 31. Januar
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Der Einsatz der US-Schauspielerin Mia Farrow für die Menschen in der sudanesischen Krisenregion Darfur ist in Kambodscha auf taube Ohren gestoßen: Farrow und sieben Mitglieder der Organisation Dream for Darfur wurden laut AFP vom 20. Jan. von den Behörden daran gehindert, in dem ehemaligen Gefängnis Tuol Sleng gegen die Menschenrechtsverletzungen in Darfur zu protestieren. Die 62-Jährige und ihre Mitstreiter wollten in der Gedenkstätte symbolisch eine olympische Fackel anzünden, um auf die engen Beziehungen Chinas zum Sudan hinzuweisen. Kambodscha unterhält enge Beziehungen zu China. Die Polizei versperrte alle Zufahrten zu dem Museum. Farrow überreichte den teils mit Knüppeln und Tränengas bewaffneten Polizisten weiße Lotusblumen. Sie sei "enttäuscht", dass die Zeremonie unterbunden worden sei, sagte Farrow. Ein kambodschanischer Mitstreiter sagte, die Aktion sei aufgrund chinesischen Drucks untersagt worden.
Kambodscha sollte nach Ruanda, Armenien, Deutschland, Bosnien und dem Tschad das sechste Land sein, in dem Dream for Darfur mit einer olympischen Fackel gegen Menschenrechtsverletzungen im Sudan protestiert. In Darfur herrscht seit Anfang 2004 ein Bürgerkrieg, bei dem nach UN-Schätzungen mindestens 200.000 Menschen getötet und zwei Millionen Menschen in die Flucht getrieben wurden. China ist der größe ausländische Investor im Sudan.
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George Clooney ist in Anerkennung seiner humanitären Arbeit zum UN-Friedensbotschafter ernannt worden. Der Schauspieler, der sich seit langem für Flüchtlinge in der Region Darfur im Sudan einsetzt, gesellt sich damit unter anderem zu seinem Kollegen Michael Douglas, der die Ehrung ebenfalls schon erhalten hat. UN-Sprecherin Michele Montas: "(Clooney wird) dafür gewürdigt, die öffentliche Aufmerksamkeit auf wichtige internationale politische und soziale Belange zu richten." (Wenn, 21. Jan.)
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