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Sudan: Chronik wichtiger Ereignisse
November 2007
Donnerstag, 1. November, bis Sonntag, 11. November
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Unter den 103 Kindern, die eine französische Hilfsorganisation aus dem Tschad nach Frankreich bringen wollte, sind nach UN-Angaben nur wenige Waisen. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, das UN-Flüchtlingskommissariat und das UN-Kinderhilfswerk UNICEF teilten am 1. Nov. mit, Gespräche mit den Kindern hätten ergeben, dass die meisten von ihnen aus dem Grenzgebiet zwischen dem Tschad und dem Sudan kämen und dass 91 von 103 sich auf mindestens einen Elternteil oder einen ähnlich engen Familienangehörigen berufen hätten, heißt es in einer am 1. Nov. veröffentlichten Erklärung der drei Organisationen in der Stadt Abéché im Osten des Tschad.
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In der Affäre um die mutmaßlich geplante Entführung von mehr als hundert Kindern aus dem Tschad sind sieben der 17 festgenommenen Europäer in ihre Heimatländer ausgereist. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy und drei französische Reporter landeten am späten Abend des 5. Nov. auf dem Militärflughafen von Villacoublay. Bei einer Zwischenlandung in Madrid lieferte Sarkozy vier spanische Stewardessen ab, die ebenfalls im Zusammenhang mit dem Skandal um die französische Hilfsorganisation Arche de Zoé festgenommen worden waren. Sarkozy traf auf dem Flughafen kurz mit Spaniens Regierungschef José Luis Zapatero zusammen. Beide dankten Tschads Präsident Idriss Déby Itno für seine Hilfe. Die drei Franzosen und vier Spanier waren von einem tschadischen Richter auf freien Fuß gesetzt worden. Sie wurden am 25. Oktober mit zehn anderen Europäern inhaftiert, nachdem die tschadischen Behörden die Mitarbeiter der französischen Hilfsorganisation Arche de Zoé daran gehindert hatten, 103 Kinder nach Frankreich auszufliegen. Bei ihrer Ankunft in Frankreich zeigten sich die drei Journalisten Marc Garmirian, Jean-Daniel Guillou und Marie-Agnes Peleran erleichtert.
Sarkozy und Zapatero dankten in Madrid Déby für "seine Hilfe und sein Verständnis" und seine "positive Haltung" in der Affäre. Vor seiner Abreise aus dem Tschad sagte der französische Präsident seinem afrikanischen Kollegen zu, dieser könne auf seine "Dankbarkeit und Freundschaft" zählen.
Sarkozy war am 4. Nov. zu einem kurzfristig angesetzten Besuch in den Tschad gereist, zwei Stunden verhandelte er mit Déby und warb dafür, das Verfahren gegen die übrigen sechs festgenommenen Franzosen in ihrer Heimat fortzusetzen. Gleichzeitig räumte er ein, dass sich die Mitarbeiter von Arche de Zoé sehr schlecht verhalten hätten. Diesen sowie drei Spaniern und einem Belgier werden die Entführung Minderjähriger, Betrug und Verschwörung vorgeworfen. Sie sind weiter in der tschadischen Hauptstadt N'Djamena in Haft, ihnen drohen zwischen fünf und 20 Jahren Haft. Auch die französische Justiz untersucht die Vorwürfe.
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Für den EU-Friedenseinsatzes im Osten des Tschads wird Österreich 160 Soldaten stellen. Die ersten Soldaten sollen bereits im Lauf des Monats entsendet werden, teilte der österreichische Verteidigungsminister Norbert Darabos am 6. Nov. mit. Bis Januar 2008 sollen dann alle 160 vor Ort sein. Sie werden Teil der im vergangenen Monat beschlossenen und etwa 3.000 Mann starken EU-Mission sein. Die EU-Soldaten sollen in dem zentralafrikanischen Land zum Schutz von Flüchtlingslagern entlang der Grenze zum Sudan eingesetzt werden. In dem rund 1.300 Kilometer langen Grenzstreifen haben mehr als 200.000 Vertriebene aus der sudanesischen Krisenprovinz Darfur Zuflucht gesucht. Hinzu kommen rund 170.000 Binnenflüchtlinge, die durch Kämpfe zwischen Streitkräften und Rebellen im Tschad selbst ihre Heimat verloren.
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Das Bundeskabinett hat am 7. Nov. die weitere Beteiligung der Bundeswehr im Sudan und in der Krisenregion Darfur beschlossen. Für die gemeinsame Friedensmission der UNO und der Afrikanischen Union (UNAMID) stellt die Bundeswehr bis zu 250 deutsche Soldaten unter anderem für den Lufttransport in und aus der Krisenregion. Außerdem beteiligt sich die Bundeswehr mit 40 Militärbeobachtern an der UN-Mission UNMIS, die die Umsetzung des Friedensabkommens zwischen der Regierung und der südsudanesischen Volksbefreiungsbewegung überwacht. Hier liegt die Mandatsobergrenze für die Bundeswehr bei 75 Soldaten.
Der Bundestag wird am 15. November über die beiden Bundeswehr-Missionen abstimmen, die bis zum 15. August nächsten Jahres laufen. (Siehe hierzu den Bericht: "Strategische Rohstoffinteressen".)
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Die Bundesregierung wirbt um eine breite parlamentarische Zustimmung zu einem verstärkten Bundeswehreinsatz im Sudan. Die "Stabilität in Afrika", dem Nachbarkontinent Europas, liege auch im Interesse der eigenen Sicherheit, sagte Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) am 8. Nov. im Bundestag in Berlin. Deutschland stehe in der Verantwortung, die Friedenskonsolidierung im Süden Sudans voranzubringen und die Umsetzung des Friedensabkommens in der westsudanesischen Krisenregion Darfur mit abzusichern. Hier sind seit 2003 mehr als 200 000 Menschen in dem Bürgerkrieg umgekommen.
Zur Beratung standen zwei Anträge der Regierung, bei denen es zum einen um die fortgesetzte Beteiligung am Friedenseinsatz der Vereinten Nationen im Sudan (UNMIS) und zum anderen um den neuen UN/AU-Hybrideinsatz UNAMID geht. Eine Abstimmung über die Bundeswehreinsätze, die unter Parlamentsvorbehalt stehen, ist für kommende Woche vorgesehen.
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Zwei Wochen nach ihrer Festnahme im Tschad sind die restlichen drei Spanier und ein Belgier, die wegen der angeblich geplanten Entführung afrikanischer Kinder in Verdacht geraten waren, auch wieder frei. Ein Flugzeug der spanischen Regierung stand in der Hauptstadt N'Djamena bereit, um die beiden Piloten und den Flugbegleiter aus Spanien in ihre Heimat zu bringen, wie ein Journalist am 9. Nov. der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Der 75-jährige Belgier, der seit dem Vortag im Krankenhaus behandelt wurde, soll am Samstag ausgeflogen werden. Ein tschadischer Untersuchungsrichter ordnete die Freilassung der vier Europäer an, nachdem am Sonntag vergangener Woche (4. Nov.) schon drei französische Reporter und vier spanische Flugbegleiterinnen freigekommen waren. Der spanische Regierungschef José Luis Zapatero dankte dem Tschad für die gute Behandlung seiner Landsleute und drückte Staatschef Idriss Déby Itno seine "Achtung vor der tschadischen Justiz" aus.
Nach der Freilassung der Spanier und des belgischen Piloten sind nun noch sechs Franzosen und vier Einheimische im Tschad inhaftiert.
Montag, 12. November, bis Sonntag, 18. November
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Eine im Zusammenhang mit der Affäre um die französische Hilfsorganisation Arche de Zoé im Tschad festgenommene Französin ist in eine Klinik des französischen Militärstützpunkts in N'Djamena gebracht worden. Nach Angaben ihres Rechtsanwalts Abdou Lamia war der Krankenschwester "unwohl". Sie habe Medikamente genommen, doch gehe es ihr jetzt besser. Allerdings habe er keine Zeit gehabt, ihr Fragen zu stellen, sagte Lamia am 12. November. Berichte eines tschadischen Gefängnisvertreters, wonach die Frau einen Selbstmordversuch unternommen haben soll, konnten zunächst nicht bestätigt werden.
Die Krankenschwester ist Mitarbeiterin von Arché de Zoé. Der Tschad wirft der französischen Hilfsorganisation vor, sie habe am 25. Oktober versucht, 103 afrikanische Kinder an Bord eines Flugzeugs nach Frankreich zu entführen. Die Organisation erklärt, sie habe Waisenkinder aus dem Nachbarland Sudan retten wollen. Nach Ermittlungen internationaler Organisationen waren die meisten der Kinder keine Waisen und kamen aus dem Tschad.
Insgesamt 17 Menschen wurden im Oktober von den tschadischen Behörden festgenommen. Drei Journalisten, sieben Besatzungsmitglieder der spanischen Chartermaschine sowie ein belgischer Pilot kamen inzwischen wieder frei, die sechs Mitglieder von Arche de Zoé sind jedoch weiter im Gefängnis. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen Kindesentführung und Betrug vor. Heute sill sich der tschadische Untersuchungsrichter mit der Rolle der spanischen Fluggesellschaft Girjet beschäftigen, deren Flugzeug von Arche de Zoé gechartert worden war.
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Aus Wut auf die französische Hilfsorganisation Arche de Zoé haben am 14. Nov. in der tschadischen Hauptstadt N'Djamena mehr als tausend Demonstranten zum Teil gewaltsam protestiert. Die Menschen versammelten sich auf dem Platz der Unabhängigkeit im Zentrum und riefen anti-französische und anti-westliche Parolen. Mit Steinen bewaffnete Jugendliche auf Motorrädern machten Jagd auf Fahrzeuge, in denen sie westliche Ausländer vermuteten. Die Polizei setzte Tränengas ein. Es war die bislang größten Demonstration seit Beginn der Affäre um die französische Organisation.
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Der Bundestag hat am 15. Nov. mit großer Mehrheit die weitere Beteiligung der Bundeswehr an den beiden Missionen im Sudan beschlossen. Für die gemeinsame Friedensmission der UNO und der Afrikanischen Union (UNAMID) in der Krisenregion Darfur stellt die Bundeswehr bis zu 250 deutsche Soldaten unter anderem für den Lufttransport in und aus der Krisenregion. Außerdem beteiligt sich die Bundeswehr mit 40 Militärbeobachtern an der UN-Mission UNMIS, die die Umsetzung des Friedensabkommens zwischen der Regierung und der südsudanesischen Volksbefreiungsarmee (SPLA) überwacht. Hier liegt die Mandatsobergrenze für die Bundeswehr bei 75 Soldaten. Die Missionen wurden bis zum 15. August kommenden Jahres verlängert.
(Siehe hierzu den Bericht: "Strategische Rohstoffinteressen".)
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Der französische Ermittlungsausschuss, der wegen der umstrittenen Hilfsorganisation Arche de Zoé in den Tschad gereist war, will in einem Monat einen Bericht vorlegen. Die Ermittlungsmission habe ihre Arbeit im Tschad abgeschlossen und reise nach Frankreich zurück, hieß es im Umfeld der Ermittler am 15. Nov. in der tschadischen Hauptstadt N'Djamena. Die Mitglieder des Ausschusses hatten in N'Djamena mit französischen Diplomaten und Militärs gesprochen, um zu klären, wie die Arche de Zoé ihre Absichten im Tschad verschleiern konnte. Sechs Mitglieder der französischen Hilfsorganisation sind in dem zentralafrikanischen Land inhaftiert, weil sie vor drei Wochen eigenmächtig 103 Kinder aus dem angrenzenden Sudan "retten" wollten. Die tschadische Staatsanwaltschaft klagte die Franzosen wegen Kindesentführung an.
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Fast 100 Menschen sind in den vergangenen Wochen im östlichen Sudan an Rift Valley-Fieber gestorben. Nach Angaben des Nachrichtendienstes der Vereinten Nationen vom 16. Nov. starben allein in der vergangenen Woche zwölf Menschen, insgesamt seien 96 Todesfälle und mindestens 329 Krankheitsfälle bestätigt.
Die UN-Agrarorganisation FAO schickte Experten in die Region, um örtliche Mediziner und Tierärzte bei der Bekämpfung der für Menschen und Tiere gefährlichen Krankheit zu unterstützen.
Rift Valley-Fieber wird durch Moskitostiche übertragen. Menschen können sich auch durch den Kontakt mit kranken Tieren infizieren, etwa durch nicht abgekochte Milch oder Kontakt mit dem Blut eines infizierten Tieres beim Schlachten. Besonders betroffen sind daher nomadisierende Viehzüchter und Bauern.
Montag, 19. November, bis Freitag, 30. November
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Mit ihren Schülern taufte Gillian Gibbons am 22. Nov. einen Teddybären auf den Namen Mohammed. Nun drohen der britischen Lehrerin einer Privatschule im Sudan Peitschenhiebe und eine Haftstrafe. Die Regierung von Premier Brown setzt sich für ihre Freilassung ein.
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Der Streit um einen Teddybären namens Mohammed im Sudan eskaliert. Ein Gericht hatte die britische Lehrerin am 27. Nov., in deren Unterricht das Plüschtier getauft worden war, zu 15 Tagen Haft verurteilt. Tausende Demonstranten fordern nun ihre Todesstrafe. Die Lehrerin selbst ruft zu Toleranz gegenüber Muslimen auf.
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Die wegen Blasphemie verurteilte britische Lehrerin hat den Sudan am 3. Dez. verlassen. Am Flughafen von Khartum herrschten hohe Sicherheitsvorkehrungen, da Tausende Demonstranten für die 54-Jährige die Todesstrafe gefordert hatten. Am Tag ihre Abreise hat Präsident Omar al-Baschir die wegen Blasphemie zu 15 Tagen Haft verurteilte britische Lehrerin begnadigt. Tausende Demonstranten hatten für die 54-Jährige am Freitag (30. Nov.) sogar die Todesstrafe gefordert.
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