Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Sudan: Chronik wichtiger Ereignisse

September 2004

Mittwoch, 1. September, bis Sonntag, 5. September
  • Sechs im Sudan verschleppte Mitarbeiter von Hilfsorganisationen sind wieder frei. Rebellen in der Krisenregion Darfur hätten die drei Mitarbeiter des Welternährungsprogrammes (WFP) sowie drei Mitarbeiter des Roten Halbmondes am Mittwochmorgen freigelassen, sagte WFP-Sprecher Peter Smerdon am 1. September in der kenianischen Hauptstadt Nairobi. Die Freigelassenen seien mit dem Hubschrauber nach El Fascher im Norden von Darfur gebracht worden; es gehe ihnen gut. Zunächst war von fünf entführten Mitarbeitern des Roten Halbmondes die Rede gewesen, was sich als falsch herausgestellt habe, sagte der Sprecher. Die Helfer waren am Wochenende entführt worden.
  • UN-Generalsekretär Kofi Annan hat sich für eine stärkere internationale Präsenz in der sudanesischen Krisenregion Darfur ausgesprochen. Die sudanesische Regierung habe ihre vor 30 Tagen zugesagten Verpflichtungen nicht "vollständig erfüllt", heißt es in einem am 1. September veröffentlichten Bericht Annans an den UN-Sicherheitsrat. Angriffe gegen die Zivilbevölkerung gingen weiter, ohne dass es strafrechtliche Ermittlungen gegen die Täter gebe oder diese auch nur identifiziert würden. Die große Mehrheit der Milizionäre sei nicht entwaffnet worden.
  • Bei den Friedensgesprächen für die Krisenregion Darfur haben die sudanesische Regierung und die Rebellengruppen am 1. September erste Fortschritte erzielt. Die Parteien hätten sich auf einen unter Vermittlung der Afrikanischen Union (AU) zustande gekommenen Plan zum Schutz der Flüchtlinge in der westsudanesischen Region vor Hunger und Gewalt geeinigt, sagte der Chef der Rebellenorganisation Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit (JEM), Ahmed Mohammed Tugod, in der nigerianischen Hauptstadt Abuja, dem Ort der Gespräche. Damit seien die Verhandlungen über humanitäre Fragen abgeschlossen. Ab dem 2. September solle als nächster Punkt die Frage der Sicherheit angegangen werden. Auch die anderen beteiligten Parteien bestätigten die Übereinkunft.
  • Der UN-Sondergesandte für den Sudan, Jan Pronk, hat die Regierung in Khartum am 2. September aufgefordert, mehr "Hilfe der internationalen Gemeinschaft" anzunehmen. Wenn die Regierung nicht in der Lage sei, den Schutz der Bevölkerung in der westsudanesichen Krisenregion Darfur allein zu gewährleisten, müsse sie auf Unterstützung von außen zurückgreifen, heißt es in Pronks Bericht an den UN-Sicherheitsrat. Die beste Möglichkeit dafür sei die "Ausdehnung der Mission" der Afrikanischen Union (AU) in Darfur.
  • Bei den vor eineinhalb Wochen begonnenen Verhandlungen über eine friedliche Lösung des Darfur-Konflikts gibt es erneut Probleme. Die Parteien konnten sich in der nigerianischen Hauptstadt Abuja am 2. September nicht auf eine Vereinbarung zum Zugang von humanitärischen Organisation zu der Region einigen. Auch zur Frage der Sicherheitslage gab es keine Fortschritte. Die Gespräche wurden bis zum 4. September unterbrochen.
  • Die sudanesische Regierung hat sich bereit erklärt, über die Stationierung einer größeren Zahl von Beobachtern der Afrikanischen Union (AU) in der Krisenregion Darfur zu verhandeln. Khartum wolle bei entsprechenden Gesprächen "positiv kooperieren", zitierten sudanesische Zeitungen Außenminister Mustafa Osman Ismail am 3. September. Ismail lehnte jedoch erneut die Stationierung von Friedenstruppen in der Region im Westen des Landes ab.
  • Wegen Missachtung der UN-Resolution zu Darfur hat die EU der sudanesischen Regierung erneut mit Sanktionen gedroht. "Wir schließen Sanktionen zu einem späteren Zeitpunkt sicherlich nicht aus," sagte der niederländische Außenminister Bernard Bot am 4. September in Valkenburg nach einer Aussprache mit seinen EU-Kollegen. Die EU-Kommission und der Rat der EU-Regierungen seien beauftragt worden, eine Liste möglicher Sanktionen aufzustellen. Zugleich wolle die EU die Friedensbemühungen der Afrikanischen Union (AU) noch stärker unterstützen und könne auf Anfrage auch eine Polizei-Mission in den Sudan entsenden. Ein Einsatz werde jedoch nur auf ausdrücklichen Wunsch der Afrikanischen Union zustande kommen, so Bot.
  • Der sudanesische Außenstaatsekretär Nadschib Abdelwahab hat den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zur Unterstützung der Friedensgespräche in Abuja aufgefordert. "Der Sicherheitsrat wird aufgefordert, nichts zu unternehmen, was die Suche der beiden Parteien nach einer Lösung für das Problem behindern könnte", sagte Abdelwahab am 4. September in der nigerianischen Hauptstadt vor Journalisten. Das UN-Gremium solle der sudanesischen Regierung und den Rebellen in Darfur vielmehr dabei helfen, "einen Ausweg zu finden". "Das Wichtigste ist, dass sich die Leute mit dem Thema Darfur beschäftigen, die davon betroffen sind." Dies müsse allerdings unter der Schirmherrschaft der Afrikanischen Union (AU) geschehen, weil sie die "kompetenteste örtliche Organisation" sei.
Montag, 6. September, bis Sonntag, 12. September
  • Die Zeit für internationale Sanktionen gegen den Sudan wegen der Krise in Darfur ist nach den Worten des UN-Sondergesandten Jan Pronk noch nicht gekommen. Strafmaßnahmen müssten "als letztes Mittel" zur Einflussnahme auf die Regierung in Khartum gesehen werden, sagte Pronk am 6. September in Oslo. Er sprach sich stattdessen für die Entsendung internationaler Beobachter in die westsudanesische Krisenregion aus. Eine "ausreichende Zahl" von afrikanischen oder anderen ausländischen Beobachtern "mit einem guten Mandat und großer logistischer Unterstützung" sei die beste Möglichkeit, die Zivilbevölkerung in Darfur vor den arabischen Reitermilizen der Dschandschawid zu schützen.
  • Mit der Operation "Dorca" hat die französische Luftwaffe 600 Tonnen Hilfsgüter für die Flüchtlinge aus der sudanesischen Krisenregion in den Osten Tschads geflogen. Wie ein französischer Militärsprecher am 7. September mitteilte, trafen die Hilfsgüter am Flughafen Abéché ein. Die Luftbrücke wurde am 7. September ins weiter südlich gelegene Gos-Beida verlängert, wo sich zwei Flüchtlingslager befinden.
  • Die US-Regierung hat den Druck auf die sudanesische Regierung in Darfur erhöht. Außenminister Colin Powell stufte die Verfolgung der schwarzen Bevölkerung in der Krisenregion Darfur als Völkermord ein. Verantwortlich seien die Regierung in Khartum und die von ihr unterstützten Dschandschawid-Kämpfer, sagte Powell am 9. September vor dem Auswärtigen Ausschuss des Senats in Washington. Einen Tag zuvor hatten die Vereinigten Staaten dem UN-Sicherheitsrat einen neuen Entwurf für eine Resolution zu Sudan vorgelegt, in dem unter anderem mit einem Boykott der Erdölexporte des Landes gedroht wird.
    In ihrem neuen Resolutionsentwurf fordern die USA eine stärkere internationale Beobachtertruppe in Darfur. Gedroht wird mit einem Boykott der sudanesischen Erdölexporte, falls Khartum die Sicherheitslage nicht umgehend verbessert und die arabischen Reitermilizen entwaffnet. In der Resolution wird Sudan vorgeworfen, es habe seine Verpflichtungen aus einer früheren Entschließung des Weltsicherheitsrats nicht erfüllt. Die Lage in dem Land stelle eine Bedrohung für den internationalen Frieden und die Sicherheit in der Region dar, heißt es.
    Mit der neuen Resolution soll der sudanesischen Regierung eine weitere Frist von 30 Tagen gegeben werden. Innerhalb dieser Zeit soll sie ernsthaft und glaubwürdig die Erfüllung der Forderungen einer früheren UN-Resolution einleiten und gegen die Vertreibung, Misshandlung und Ermordung der schwarzafrikanischen Bevölkerung in Darfur vorgehen.
    Sudan appellierte derweil an die Afrikanische ebenso wie an die Europäische Union, bei der Umsetzung des Friedensabkommens für Darfur vom April zu helfen. Insbesondere der EU warf die Regierung mangelnde Unterstützung für die Zivilbevölkerung vor. Die AU hat zurzeit 80 Beobachter in Darfur stationiert, die von etwa 300 Soldaten aus Ruanda und Nigeria beschützt werden. Eine gut 3.000 Mann starke internationale Friedenstruppe, wie sie die Vereinten Nationen wünschen, lehnt Sudan bislang ab.
  • Etwa 65.000 aus der sudanesischen Krisenregion Darfur geflohene Menschen sind nach amtlichen Angaben in ihre Heimatdörfer zurückgekehrt. Wie die Regierungszeitung "El Anbaa" am 9. September unter Berufung auf einen für humanitäre Hilfe zuständigen Beamten berichtete, gewährte die Regierung in Khartum den Rückkehrern in den Dörfern Zalinge und Wadi Saleh Unterstützung im Gesundheits- und Bildungswesen sowie in der Landwirtschaft. Rund 8.000 in Flüchtlingslagern im benachbarten Tschad untergebrachte Familien kehrten demnach wegen der verbesserten humanitären Lage nach Zalinge zurück. Die Behörden wollten jetzt verstärkt Flüchtlinge bei der freiwilligen Rückkehr unterstützen.
  • Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (ai) schickt eine Untersuchungskommission in die westsudanesische Krisenregion Darfur. Die von ai-Generalsekretärin Irene Khan geleitete Gruppe werde am 14. September aufbrechen, teilte die Organisation am 9. September in London mit. Bis zum 21. September seien Besuche in den Ortschaften El Dscheneina, Njala und El Fascher in Darfur und Gespräche mit Opfern sowie mit Vertretern von regierungsunabhängigen Organisationen vor Ort geplant. In der Hauptstadt Khartum wollen die ai-Experten den Angaben zufolge mit Regierungsmitgliedern und internationalen Vertretern sprechen. Amnesty hatte der sudanesischen Regierung Ende August vorgeworfen, Menschenrechtsverletzungen in Darfur mit der Festnahme von Zeugen vertuschen zu wollen.
  • Der UN-Sicherheitsrat ist weiter gespalten über die Androhung von Sanktionen gegenüber dem Sudan. Wie Diplomaten am Sitz der UNO in New York am 9. September mitteilten, sperren sich vor allem die Ratsmitglieder China, Russland, Pakistan und Algerien gegen den von den USA eingebrachten Resolutionsentwurf, der der Regierung in Khartum im Zusammenhang mit der anhaltend instabilen Lage in der Krisenregion Darfur Strafmaßnahmen androht. Er hoffe dennoch, dass die Entschließung nächste Woche zur Abstimmung gebracht werden könne, sagte der US-Botschafter bei der UNO, John Danforth, nach den Beratungen im höchsten UN-Gremium am 9. September. Die Gespräche sollten am 10. September auf Expertenebene fortgesetzt werden, hieß es aus Diplomatenkreisen.
  • US-Präsidentschaftskandidat John Kerry hat dazu aufgerufen, in der sudanesischen Krisenregion Darfur einen neuen Völkermord wie 1994 in Ruanda zu verhindern. "Wir können einfach kein weiteres Ruanda akzeptieren", sagte Kerry am 9. September bei einem afro-amerikanischen Kirchentreffen in New Orleans (US-Bundesstaat Louisiana). "Wenn ich Präsident wäre, würde ich jetzt handeln", sagte der demokratische Herausforderer von US-Präsident George W. Bush.
  • Nach US-Außenminister Colin Powell hat auch Präsident George W. Bush der sudanesischen Regierung vorgeworfen, einem Völkermord in der Krisenregion Darfur tatenlos zuzusehen. Zugleich appellierte er am 9. September an die internationale Gemeinschaft, künftig zur Verhinderung solcher Verbrechen mit den USA zusammenzuarbeiten. Die Vereinten Nationen müssten den Völkermord und andere Verbrechen im Südsudan untersuchen. Bush warf der sudanesischen Regierung vor, die UN-Resolution zur Darfur-Krise nicht beachtet zu haben.
  • Der Sudan weist den Völkermordsvorwurf der Vereinigten Staaten "kategorisch" zurück. Dies erklärte der sudanesische Botschafter in den Vereinigten Staaten am 9. September in einem Brief an das US-Außenamt in Washington.
  • Die USA sind mit ihrem Resolutionsentwurf für verschärfte Sanktionen gegen den Sudan auf Ablehnung wichtiger Staaten im UN-Sicherheitsrat gestoßen. Die ständigen Mitglieder Russland und China, aber auch Pakistan und Algerien lehnten das angedrohte Embargo gegen die sudanesische Ölindustrie ab, wie UN-Diplomaten am 10. September in New York sagten. Khartum wies den von den USA erhobenen Vorwurf des Völkermords in Darfur zurück. Wie aus UN-Diplomatenkreisen verlautete, will der Sicherheitsrat im Laufe des Tages seine Gespräche über den Resolutionsentwurf fortsetzen. Nach dem Willen der USA sollen die Strafmaßnahmen nicht nur verhängt werden, wenn der Sudan den Forderungen der Resolution 1556 von 30. Juli nicht nachkommt, sondern auch bei einer fehlenden Kooperation mit der Afrikanischen Union (AU). Unter anderem lehnen viele Staaten auch ab, dass in dem Resolutionsentwurf der Erdölsektor als mögliches Ziel internationaler Sanktionen genannt wird.
  • Die Zahl der aus der westsudanesischen Krisenregion Darfur vertriebenen Menschen hat sich nach Angaben der Hilfsorganisation Oxfam weiter erhöht. Weitere 30.000 Memnschen seien in den vergangenen zwei Wochen in einem von Oxfam betreuten Flüchtlingslager eingetroffen, teilte die in London ansässige Organisation am 10. September mit. Bislang hatten internationale Organisationen die Zahl der Vertriebenen mit 1,4 Millionen angegeben.
  • Die UN wollen die arabischen Ölstaaten in die Hilfe für Flüchtlinge in der sudanesischen Darfur-Region einbinden. Arabische Staaten haben bislang kaum Geld für die Linderung des Elends in Darfur gespendet. Das wird aber durch Angriffe arabischer Milizen auf die schwarzafrikanische Bevölkerung verursacht. Nach UN- Angaben werden bis Jahresende 722 Millionen Dollar zur Versorgung Notleidender in Darfur sowie in der Bürgerkriegsregion im Süden Sudans benötigt. (dpa, 10.09.2004)
Montag, 13. September, bis Sonntag, 19. September
  • Die Europäische Union hat wegen der angespannten Lage in der westsudanesischen Krisenregion Darfur der Regierung in Khartum mit Sanktionen gedroht. Sollte es bei der Erfüllung der UN-Resolution keine greifbaren Fortschritte geben, werde die EU "angemessene Maßnahmen, einschließlich Sanktionen" gegen die Regierung und alle anderen Parteien ergreifen, hieß es in einem Beschluss der EU-Außenminister am 13. Sept. in Brüssel. Die EU bescheinigte dabei der Regierung eine gewisse Verbesserung der Lage in Darfur; insbesondere die anhaltenden Kämpfe und Angriffe auf Zivilisten seien aber extrem beunruhigend.
  • Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (ai) schickte am 14. Sept. eine Untersuchungskommission in die westsudanesische Krisenregion Darfur. Die von ai-Generalsekretärin Irene Khan geleitete Gruppe will in mehreren Ortschaften Gespräche mit Opfern und mit Vertretern von regierungsunabhängigen Organisationen vor Ort führen. In der Hauptstadt Khartum sind Gespräche der ai-Experten mit Regierungsmitgliedern und internationalen Vertretern geplant.
  • Die Vereinigten Staaten haben dem UN-Sicherheitsrat einen überarbeiteten Resolutions-Entwurf zum Sudan vorgelegt. "Wir hoffen, dass es gegen Ende der Woche eine Abstimmung gibt", sagte der US-Botschafter bei den Vereinten Nationen, John Danforth, am 14. Sept. in New York. Die Kämpfe in der sudanesischen Krisenregion Darfur seien "eine echte Tragödie", und umso dringender sei es, den Einsatz der Afrikanischen Union (AU) vor Ort zu verstärken. Mit einem ersten Entschließungsentwurf waren die USA im Sicherheitsrat vergangene Woche gescheitert.
  • Deutsche Sicherheitskreise haben zurückhaltend auf einen Zeitungsbericht reagiert, dem zufolge syrische Sondereinheiten in der sudanesischen Bürgerkriegs-Provinz Darfur chemische Waffen gegen die afrikanische Bevölkerung eingesetzt haben. "Wir sehen die Nachricht mehr als skeptisch. Diese Gerüchte gab es ja schon seit Januar oder Februar" hieß es am 15. Sept. zu einem Bericht der Tageszeitung "Die Welt". Hinter dem Bericht seien sudanesische Exilkreise zu vermuten. "Die Welt" hatte unter Berufung auf Unterlagen westlicher Geheimdienste berichtet, bei dem Giftgaseinsatz seien Dutzende Menschen umgekommen. Der Einsatz beruhe auf Absprachen mit der sudanesischen Regierung. Folge man den Geheimdienstunterlagen, hätten sich syrische Offiziere im Mai in einem Vorort von Khartoum mit Vertretern der sudanesischen Armee getroffen. Dabei sei es um eine Ausweitung der militärischen Zusammenarbeit gegangen, berichtete die Zeitung. Die syrische Delegation solle der sudanesischen Seite eine engere Kooperation auf dem Gebiet der chemischen Kampfführung angeboten haben. Dabei sei vorgeschlagen worden, die Kampfstoffe gegen Rebellen der Sudanesischen Volksbefreiungs-Armee (SPLA) einzusetzen. Da die Regierung in Khartoum im Mai mit der SPLA über Frieden verhandelt habe, habe die sudanesische Delegation offenbar dazu geraten, die Kampfstoffe an der schwarzafrikanischen Bevölkerung zu testen. Wann der Einsatz in Darfur begonnen habe, lasse sich nicht feststellen, hieß es in dem Zeitungsbericht. Allerdings hätten sudanesische Augenzeugen in einem Artikel für eine arabische Website mit Namen "Ilaf" im August von sonderbaren Vorgängen in einem Khartoumer Krankenhaus berichtet. Im Juni seien mehrere Dutzend eingefrorener Leichen in das Hospital gebracht worden. Sie hätten Verletzungen aufgewiesen, die auf einen Chemiewaffeneinsatz hindeuteten. (Reuters, 15. Sept.)
  • Die Darfur-Friedensgespräche in Nigeria wurden nach Angaben einer beteiligten Rebellengruppe am 15. Sept. abgebrochen. Es sei keine Einigung über zentrale Sicherheitsfragen zu Stande gekommen, sagte ein Vertreter der Gruppe.
  • Der sudanesische Außenminister Mustafa Osman Ismail hat am 15. Sept. auch den überarbeiteten Entwurf für eine UN-Resolution zur Darfur-Krise zurückgewiesen. Die Vereinten Nationen hatten ihren Vorschlag für den Resolutionstext am Vortag modifiziert. Auch die neue Version droht dem Sudan unter anderem mit Wirtschaftssanktionen gegen die Ölindustrie, sollte die Regierung das Morden und die Vertreibung in der westsudanesischen Krisenregion Darfur nicht unverzüglich beenden. Außerdem spricht sich der UN-Sicherheitsrat in dem Entwurf für die Verstärkung der Überwachungstruppen der Afrikanischen Union aus. Der sudanesische Außenminister sagte auf einer Pressekonferenz in Kairo über die Resolution: "Sie ist unausgeglichen, unfair, und wir weisen sie genauso zurück wie die erste".
  • Die NATO prüft Möglichkeiten für die Unterstützung einer Friedenstruppe der Afrikanischen Union (AU) in der westsudanesischen Krisenregion Darfur. Damit kommt das Bündnis einer Anfrage der Vereinten Nationen nach, wie es in Kreisen des Bündnisses am 15. Sept. in Brüssel hieß, wo der NATO-Rat tagte. Entsprechende Kontakte mit New York seien bereits aufgenommen worden. NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer habe nach einer Unterredung mit UN-Generalsekretär Kofi Annan im vergangenen Monat nun die Mitgliedstaaten des Bündnisses um Unterstützung gebeten. Bereits vergangene Woche hatte de Hoop Scheffer auch eine Kooperation mit der EU bei den Bemühungen um eine Entspannung in Darfur als möglich bezeichnet.
  • Das Europaparlament hat die sudanesische Regierung aufgefordert, dem "Völkermord" in der Krisenregion Darfur ein Ende zu setzen. Die Regierung unterstütze dort Verbrechen an Zivilisten, Morde, sexuelle Gewalt gegen Frauen und Plünderungen, kritisierte das Parlament am 16. Sept. in einer Entschließung. Sollten die sudanesischen Behörden nicht gegen die Verantwortlichen dieser "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" vorgehen, müsse die internationale Gemeinschaft einen Weg finden, um diese vor den Internationalen Strafgerichtshof in den Haag zu bringen.
  • UN-Generalsekretär Kofi Annan hat den UN-Sicherheitsrat aufgefordert, im Fall der sudanesischen Krisenregion Darfur umgehend zu handeln. Er habe den Rat aufgefordert, sich ohne Verzögerung einem entsprechenden Resolutionsentwurf zu widmen und dabei "so einig wie möglich zu sein", sagte Annan am 16. Sept. vor Journalisten am Sitz der Vereinten Nationen in New York. Dass der Sicherheitsrat auf diesen Appell nicht reagieren werde, erscheine ihm "unvorstellbar".
  • Die ins Stocken geratenen Friedensgespräche der Konfliktparteien im Westen des Sudan sollen in gut drei Wochen fortgesetzt werden. "Die Verhandlungen in (der nigerianischen Hauptstadt) Abuja werden am 10. Oktober wiederaufgenommen", kündigte Sudans Außenminister Mustafa Osman Ismail am 16. Sept. am Sitz der Arabischen Liga in der ägyptischen Hauptstadt Kairo an, wo er sich mit Liga-Generalsekretär Amr Mussa, getroffen hatte. Entgegen der Äußerungen eines Rebellenführers vom Vortag seien die Gespräche "nicht gescheitert".
    Wie der Vermittler der Afrikanischen Union (AU), Hamid Algabid, am 17. Sept. nach Gesprächen mit den Konfliktparteien in der nigerianischen Hauptstadt Abuja mitteilte, soll den Unterhändlern mehr Zeit eingeräumt werden, um die wichtigsten Streitfragen zu klären. Der genaue Termin für eine Wiederaufnahme der Verhandlungen werde noch festgelegt. Algabid bestätigte damit entsprechende Ankündigungen des sudanesischen Außenministers Mustafa Osman Ismail vom Vortag.
  • Der UN-Sicherheitsrat hat am 18. Sept. eine neue Sudan-Resolution verabschiedet. Darin droht die internationale Gemeinschaft mit Sanktionen gegen die Erdölindustrie des Landes, sollte die Regierung in Khartum der UN-Forderung nach vollständiger Entwaffnung der arabischen Reitermilizen in der westlichen Region Darfur nicht nachkommen. Die Resolution war zuvor wegen des Widerstandes einiger Mitglieder des Sicherheitsrates mehrere Male überarbeitet und abgeschwächt worden.
    Die Bundesregierung hat die Verabschiedung der Sudan-Resolution im Weltsicherheitsrat begrüßt. "Dies ist ein klares Zeichen der Staatengemeinschaft", sagte Bundesaußenminister Joschka Fischer am Abend in Berlin. Trotz einiger Fortschritte in den letzten Wochen müsse die Regierung in Karthum weiter zur Erfüllung der eingegangenen Verpflichtungen angehalten werden. Die Situation bleibe dramatisch, so Fischer. "Angesichts dieser Lage darf der Druck der internationalen Gemeinschaft jetzt nicht nachlassen."
  • Die sudanesische Regierung hat auf einer Sondersitzung am 19. Sept. beschlossen, die Forderungen der UN-Resolution zur Beendigung der Krise in Darfur umsetzen. Das Kabinett halte die Resolution für "ungerecht", sagte der Staatsminister im Außenministerium, Nagib el Chari Abdel Wahab, in Khartum. Dennoch wolle die Regierung die Forderungen befolgen.
Montag, 20. September, bis Donnerstag, 30. September
  • Nach einem einwöchigen Besuch der Krisenregion Darfur im Westsudan hat die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) die Lage dort als "erschreckend" bezeichnet und ein engagierteres internationales Einschreiten gefordert. "Das Leben und der Lebensraum Hunderttausender in Darfur ist zerstört", erklärte AI-Generalsekretärin Irene Khan am 21. Sept. nach ihrer Rückkehr aus dem Land. Die Regierung in Khartum weigere sich weiterhin, die Verantwortung für diese Vorgänge zu übernehmen. "Dieses Leugnen verhöhnt die Opfer", erklärte Khan.


Auszug aus der Presseerklärung von ai:

Ein Ende der Darfur-Krise ist nicht in Sicht: Die Reitermilizen morden, vergewaltigen und brandschatzen weiter. Der Flüchtlingsstrom reißt nicht ab. Doch die Täter haben wenig zu befürchten, einige sind gar in die Reihen der Regierungstruppen integriert worden „Die Vertriebenen haben kein Vertrauen in die Regierung. Selbst in den Camps haben sie Angst. Jeder, mit dem wir gesprochen haben, war davon überzeugt, dass es lebensgefährlich ist, in die Dörfer zurückzukehren“, beschrieb der ai-Delegierte Mokhine die Stimmung in den Flüchtlingslagern. „Ein massives Aufstocken der internationalen Beobachter ist daher unerlässlich,“ so der Appell von ai an die Afrikanische Union und die Vereinten Nationen.

Nach der Sudan-Mission fordert ai umso dringlicher ein Ende der Menschenrechtsverletzungen sowie den Schutz der Bevölkerung in Darfur. ai drängt auf die Entwaffnung der Janjawid-Milizen, die Einrichtung einer internationale Untersuchungskommission und die Bestrafung der Täter. ai-Generalsekretärin Khan wies außerdem darauf hin, dass die internationalen Hilfs- und Menschenrechtsorganisationen freien und vollen Zugang zu dem Krisengebiet brauchen. „Darfur muss auf der Agenda der internationalen Gemeinschaft bleiben, bis es den Menschen dort möglich ist, in Freiheit und Sicherheit zu leben.“ (21.09.2004; www.amnesty.de)


  • UN-Generalsekretär Kofi Annan hat die internationale Gemeinschaft erneut nachdrücklich zu raschen Hilfen für die sudanesische Krisenregion Darfur aufgefordert. Die ganze Welt schaue dieser Tragödie zu, kritisierte Annan am 24. Sept. vor dem Weltsicherheitsrat. Die Zivilbevölkerung in Darfur werde weiterhin täglich angegriffen. Die Vereinten Nationen müssten eine Ausweitung der Vor-Ort-Mission der Afrikanischen Union (AU) unterstützen. Dazu seien logistische Unterstützung, Ausrüstung und Geld nötig. "Jedes Land, das kann, muss helfen", betonte Annan.
  • Die Regierung im Sudan hat nach eigenen Angaben nur knapp einen Staatsstreich verhindert. Die islamistische "Verschwörung" sei wenige Stunden vor Ausübung aufgedeckt worden, teilte das sudanesische Innenministerium. Anhänger des inhaftierten Islamistenführers Hassan el Turabi hätten demnach die Regierung im Anschluss an das moslemische Freitagsgebet am 24. Sept. stürzen wollen. Bis auf den mutmaßlichen Rädelsführer, El Hadsch Adam Jussef, seien alle Beteiligten festgenommen worden, hieß es in der Erklärung. Jussef ist ein ranghohes Mitglied von Turabis Volkskongresspartei (CP). Turabi war über Jahre hinweg einer der engsten Vertrauten des sudanesischen Präsidenten Omar Hassan el Beschir gewesen, bevor dieser ihn 1999 entlassen hatte. Anfang September hatten die sudanesischen Behörden 33 führende Mitglieder der CP festgenommen, nachdem es Gerüchte über einen geplanten Staatsstreich gegeben hatte.
  • In der sudanesischen Krisenregion Darfur leben nach Angaben der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Louise Arbour, 1,4 Millionen Flüchtlinge in Lagern. Diese seien wie Gefängnisse ohne Mauern. Die Flüchtlinge hätten Angst vor der Rückkehr in ihre Dörfer, weil sie sich dort nicht sicher fühlten. Das sagte die Hochkommissarin nach einem Besuch der Region in Khartum am 25. Sept. Es sei an der Zeit, die Täter und diejenigen, die die Verbrechen geduldet haben, zur Verantwortung zu ziehen.
  • Die sudanesische Regierung hat in die Stationierung zusätzlicher Soldaten der Afrikanischen Union (AU) in Flüchtlingslager der Krisenregion Darfur eingewilligt. Dies teilte ein UN-Vertreter am 29. Sept. in Khartum mit. Die AU will "einige tausend" weitere Soldaten nach Darfur schicken. Deren Stationierung solle in Absprache mit allen Parteien erfolgen, vor allem der Regierung in Khartum, sagte ein AU-Mitarbeiter. Über ein Mandat für den aufgestockten Einsatz in der Konfliktregion solle in den kommenden Wochen bei einem Treffen des Friedens- und Sicherheitsrates der AU entschieden werden. Der UN-Sondergesandte für den Sudan, Jan Pronk, sprach am 29. Sept. von einem möglichen Beginn der erweiterten Mission schon im Oktober. Dies nannte der AU-Mitarbeiter jedoch unmöglich.
  • Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Louise Arbour, hat die sofortige Entsendung einer internationalen Polizeitruppe in die westsudanesische Krisenregion Darfur empfohlen. Die sudanesische Regierung und ihre Sicherheitskräfte täten nicht genug für die Sicherheit der Bevölkerung, sagte Arbour am 30. Sept. vor dem UN-Sicherheitsrat nach einem einwöchigen Besuch in der Region. Es gebe immer noch "massive" Angriffe auf die Zivilbevölkerung. "Die Regierung hat bis jetzt weder die Art noch die Tragweite des Problems zugegeben", sagte Arbour. In der Bürgerkriegsregion herrsche "ein Klima von Rechtsfreiheit". Die sudanesische Polizei solle von einer "internationalen Komponente" begleitet werden, forderte Arbour.


Zurück zur Chronik-Übersicht

Zur Sudan-Seite

Zurück zur Homepage