Sudan gegen UN-Truppen
Präsident Al Baschir lehnt Blauhelmsoldaten für Darfur ab. Warnung vor "Rekolonisierung" Afrikas. Kritik an deutschen Interventionsplänen
Von Rüdiger Göbel *
Der sudanesische Präsident Omar Hassan Al Baschir lehnt den Einsatz von UN-Truppen in seinem Land ab. Eine Entsendung von ausländischen Soldaten unter dem Kommando der Vereinten Nationen und unter dem Vorwand, den Konflikt in der Provinz Darfur lösen zu wollen, käme der »Rekolonisierung« des Sudans gleich, erklärte der Staatschef am Montag abend in der Hauptstadt Khartum. Die sudanesische Regierung lehne auch eine sogenannte Hybridtruppe unter gemeinsamem Kommando der UNO und der Afrikanischen Union (AU) ab. »Berichte, nach denen wir der Entsendung der Hybridtruppe zugestimmt haben, sind nicht wahr«, sagte Al Baschir während einer mehrstündigen internationalen Pressekonferenz, an der Journalisten in Paris, London, Washington, Moskau, Berlin, Pretoria, Beirut und Kairo per Videoschaltung teilnahmen. Truppen für Darfur sollten vielmehr Teil der bisherigen AU-Mission sein und auch unter dem Kommando der AU stehen. Jegliche Einheiten, die unter Verweis auf die Resolution 1706 des UN-Sicherheitsrates in den Sudan kämen, würden als »Kolonialtruppen« wahrgenommen und entsprechend bekämpft werden.
Der sudanesische Staatschef widersprach ausdrücklich UN-Generalsekretär Kofi Annan, der in der vergangenen Woche behauptet hatte, Khartum habe bei Verhandlungen in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba einem Drei-Phasen-Plan für eine Interventionstruppe mit UN-Beteiligung zugestimmt. Demnach sollten in Darfur bis zu 22500 Soldaten und Polizisten unter UN-AU-Mandat zum Einsatz kommen. Letztlich gehe es nur noch um Kleinigkeiten wie die Größe der Truppe und den Truppenkommandeur, hatte der UN-Chef seinerzeit offensichtlich geflunkert.
Al Baschir stellte nun dagegen klar, der Sudan werde ausschließlich finanzielle und logistische Hilfe der Vereinten Nationen zur Unterstützung eines AU-Einsatzes annehmen. »UN-Truppen haben in Afrika noch nie eine positive Rolle gespielt«, erklärte der Staatschef. Auf Nachfrage von junge Welt wies Al Baschir ausdrücklich die Forderung von Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) zurück, auch Deutschland müsse angesichts eines »schleichenden Genozids in Darfur« Soldaten in den Sudan entsenden.
Al Baschir warf dem Westen vor, den Konflikt in seinem Land zu dramatisieren. In der westsudanesischen Provinz gebe es keinen Völkermord und keine »humanitäre Katastrophe«. Niemand habe bisher Beweise für die Behauptung vorgelegt, im seit 2003 andauernden Darfur-Konflikt seien mehr als 200000 Menschen ermordet worden. »Unseren Angaben zufolge kamen bei Kämpfen zwischen der Armee und Rebellengruppen, zwischen Rebellen und verschiedenen Stämmen sowie zwischen verschiedenen Stammesgruppen nicht einmal 9000 Menschen ums Leben«, erklärte Al Baschir – ohne seinerseits allerdings Belege zu präsentieren.
Sudans Staatschef wies ausdrücklich Behauptungen zurück, die Regierung in Khartum unterstütze die sogenannten Reitermilizen in Darfur. Diese werden beschuldigt, Menschen wahllos zu ermorden sowie Frauen und Mädchen zu vergewaltigen. Bei den »Dschandschawid« handle es sich um »Banditen«, stellte der Präsident klar.
Al Baschirs Pressekonferenz wurde am Dienstag von den großen internationalen Medien kaum beachtet. Vielleicht lag es daran, daß Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) weiter ungerührt für eine Bundeswehrentsendung nach Darfur warb.
* Aus: junge Welt, 29. November 2006
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