Kämpfe um Ölregion
Grenzkonflikt begleitet Abspaltungsprozeß des Südsudan. UN-Sicherheitsrat macht Norden und Süden für Gewaltausbruch verantwortlich
Von Simon Loidl *
Die Lage im Sudan eskaliert. Nachdem es am Wochenende zu Kämpfen in der Stadt Abyei gekommen und diese von Streitkräften des Nordens besetzt worden war, sind am Montag nach UN-Berichten Bewaffnete plündernd und brandschatzend durch die zwischen Nord- und Südsudan umstrittene Stadt gezogen. Mehr als 15000 Menschen sind den Angaben zufolge Richtung Süden geflohen.
Die UN-Mission im Sudan (UNMIS) forderte die nordsudanesischen Streitkräfte dazu auf, die »kriminellen Handlungen zu stoppen«. Bereits am Sonntag hatte der UN-Sicherheitsrat eine Erklärung veröffentlicht, in der beide Seiten für die Eskalation verantwortlich gemacht wurden. Die Konfliktparteien sollen sich für eine politische Lösung einsetzen, hieß es. Zudem wurde vom Sicherheitsrat der »unverzügliche Abzug aller militärischen Elemente aus Abyei« gefordert.
Ursache für die jüngsten Ereignisse sind die ungelösten Probleme, die mit der kommenden Unabhängigkeit des Südens verbunden sind. Der Status der derzeit umkämpften Region um die Stadt Abyei sollte bereits im Januar mittels Referendum endgültig gelöst werden. Während über die Abspaltung des Südsudan abgestimmt wurde, mußte die parallel anberaumte Entscheidung über den Grenzverlauf in der Region Abyei jedoch verschoben werden. Norden und Süden konnten sich nicht darüber einigen, wer an der lokalen Abstimmung teilnehmen darf. Damit war bereits Anfang des Jahres absehbar, daß es auf dem Weg zu der für Juli festgesetzten Spaltung des Landes zu Konflikten kommen würde.
Das Interesse aller Beteiligten an der umstrittenen Region ist groß. Abyei liegt inmitten eines erdölreichen Gebietes. Der künfitge Grenzverlauf durch diesen Teil des Landes bildet den Kern der Auseinandersetzung, bei der die Rollen relativ klar verteilt sind. Die EU-Außenminister beschlossen am Montag Zahlungen in Höhe von 200 Millionen Euro für den neuen Staat, dessen angekündigte Abspaltung auch von US-Präsident Barack Obama im Januar begrüßt wurde. »Hilfe von außen wird entscheidend sein, um dem Südsudan bei der Bekämpfung extremer Armut zu helfen«, hieß es in einer Erklärung der EU-Minister. China wiederum, das seine Rohstoffinteressen in der Region durch die Spaltung des Landes gefährdet sieht, mahnte bereits Anfang des Jahres dazu, die offen gebliebenen Fragen durch Dialog zu lösen.
Indes stehen die Chancen für eine friedliche Lösung schlecht. Der bereits seit dem Friedensabkommen zwischen Khartum und der südsudanesischen Volksbefreiungsarmee (SPLA) von 2005 autonome Süden hat angekündigt, auf jede Verletzung seines Territoriums mit Gewalt reagieren zu wollen. Gleichzeitig werden militärische Einheiten des Südens für die Attacke auf den Militärkonvoi des Nordens verantwortlich gemacht, durch welche die Kampfhandlungen vergangenen Donnerstag ausgelöst worden waren. Fest steht, daß beide Seiten Interesse daran haben, den noch ungeklärten Grenzverlauf zu beeinflussen. Entscheidend wird nun das Verhalten des Westens sein. Das wiederholte einseitige militärische Eingreifen von EU und USA auf dem afrikanischen Kontinent während der vergangenen Monate läßt ernsthafte Bemühungen um eine diplomatische Lösung jedoch als unrealistisch erscheinen.
* Aus: junge Welt, 25. Mai 2011
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