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Muskelspiel am "Tag des Sieges"

Vor fünf Jahren vernichtete Sri Lankas Armee die tamilische Befreiungsorganisation LTTE

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Ein Teil der Bevölkerung Sri Lankas hat gefeiert. Vor fünf Jahren besiegte die Armee die Rebellen der Organisation Befreiungs­tiger von Tamil Eelam (LTTE). Das blutigste Kapitel in der Geschichte des Landes fand in einem Massaker an tamilischen Zivilisten seinen Abschluß. Die Regierung von Präsident Mahinda Rajapaksa nutzte nun den Jahrestag am Sonntag, um mit einer Militärparade in Matara an der Südspitze des Inselstaates Macht zu demonstrieren. Diplomaten westlicher Botschaften hielten sich fern. Ihr Tenor: Die Herrschenden sollten sich auf die Aussöhnung mit der tamilischen Minderheit konzentrieren, die in dem 31 Jahre dauernden Krieg die meisten Opfer hatte. Rajapaksa behauptete dagegen in seiner Rede vom Sonntag: »Wir feiern nicht den Sieg in einem Krieg, sondern den Frieden.«

7500 Soldaten und Angehörige der Sicherheitskräfte zogen nun zum offiziellen »Tag des Sieges« über die Uferpromenade in Matara, begleitet von Panzern und Kanonen. Vor der Küste kreuzten Kriegsschiffe. 30 Flugzeuge beherrschten den Luftraum. Präsident Rajapaksa ließ die militärischen Muskeln spielen und zeigte, wer der Herr im Hause ist: die buddhistische singhalesische Bevölkerungsmehrheit. »Einige Regierungen sind blind, taub und stumm. Sie sind dagegen, daß wir diesen Sieg feiern«, donnerte er.

Die Vereinten Nationen schätzen die Zahl der Kriegsopfer auf rund 100000 Tote, davon in den letzten Kriegsmonaten des Jahres 2009 etwa 40000 tamilische Zivilisten. Sie waren einerseits gnadenlos von der Armee ins Visier genommen und andererseits von den Rebellen ebenso gnadenlos als menschliche Schutzschilde mißbraucht worden. Der UN-Menschenrechtsrat fordert deshalb eine gründliche internationale Untersuchung der im Kriegsverlauf verübten Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen. Colombo lehnt das als Einmischung in seine inneren Angelegenheiten ab. Dem Vernehmen nach erwägt Sri Lankas Regierung derzeit, die Forderung zu unterlaufen, indem sie den pakistanischen Rechtsanwalt Aitaz Ahsan mit einer Prüfung der Vorgänge beauftragen will.

Im Gegensatz zu den Siegesfeiern hatte Rajapaksa den hinduistischen und christlichen Tamilen verboten, ihrer Opfer zu gedenken. Die Regierung in Colombo argumentiert seit einigen Monaten, es gebe eine geheime, von der tamilischen Diaspora im Westen geförderte Bewegung, die die LTTE wieder aufleben lassen will. Deshalb wurden in den vergangenen Wochen in den Tamilengebieten »Verdächtige« festgenommen, erneut »verschwanden« Menschen spurlos. Trauerveranstaltungen gefährdeten »die nationale Harmonie«, meinte Colombos Polizeisprecher Ajith Rohana. Die Tamilen könnten sie ja privat zu Hause abhalten. Auch Studentengruppen in Jaffna durften sich nicht versammeln. Ein junger Mann erklärte: »Warum dürfen wir unserer Leute nicht gedenken, die im Kampf umgekommen sind? Es geht gar nicht um die LTTE, wir wollen einfach unserer Familienangehörigen und Freunde gedenken.« Um Trauerversammlungen auf dem Campus der Universität Jaffna zu verhindern, wurde diese wegen »dringender Reparaturarbeiten« vom 16. bis 20. Mai geschlossen.

Der LTTE-Chef Velupillai Prabhakaran war am 18. Mai 2009 im Norden Sri Lankas erschossen worden. Damit endete der Krieg um einen selbständigen Tamilenstaat, den die Befreiungstiger auch unter Einsatz terroristischer Mittel geführt hatten. Für die tamilische Minderheit jedoch blieb es über Monate und Jahre weiter bei Entwürdigung, Verdächtigung, Diskriminierung und Repression. In Notlager gepfercht, wurden ihre Angehörigen gedemütigt, vergewaltigt, ausgehungert. Ihre Siedlungsgebiete im Norden und Osten stehen bis heute unter strikter Militärkontrolle.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 22. Mai 2014


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