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Spannungen in Sri Lanka

Blutige Ausschreitungen radikaler Buddhisten gegen Muslime im Südwesten

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Die radikal-buddhistische Gruppe Bodu Bala Sena (BBS) sorgt seit Sonntag im Südwesten Sri Lankas durch Zusammenstöße mit Angehörigen der muslimischen Minderheit für Spannungen. Inzwischen kamen bei den Ausschreitungen vier Menschen ums Leben, über 80 wurden verletzt, Dutzende Häuser, Geschäfte und einige Moscheen in Brand gesetzt. Am Dienstag ließ die Regierung Einheiten der Armee aufmarschieren, um die Lage unter Kontrolle zu bringen.

Gewöhnlich ziehen die ­Küstenstädte Aluthgama, Dharga Nagar und Beruwala in- und ausländische Touristen aus dem etwa 60 Kilometer entfernten Colombo an. Doch seit Sonntag herrscht in dieser Gegend der Ausnahmezustand. Über 12000 Polizisten und Soldaten bestimmen die Szene und versuchen, normale Verhältnisse wiederherzustellen. In dem Gebiet dominiert die muslimische Minderheit, die laut Zensus von 2011 im nationalen Maßstab 7,9 Prozent der rund 20 Millionen Landesbewohner stellt. 70,2 Prozent sind buddhistische Singhalesen, 12,5 Prozent überwiegend tamilische Hindus und 7,4 Prozent Christen. Im Vordergrund stand bislang die tamilische Minderheit, weil deren militanter Arm, die Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE), für einen Separatstaat kämpfte und erst nach über 27 Jahren im Mai 2009 von der Armee vernichtend geschlagen wurde. Die Muslime hatten nie ein solches Ziel. Ihnen ging und geht es nur um Gleichberechtigung. Doch seit 2012 nehmen Ausschreitungen von buddhistischen Hardlinern gegen sie zu.

Den jüngsten blutigen Zusammenstößen war ein Disput zwischen einem buddhistischen Mönch und seinem Fahrer sowie einigen muslimischen Jugendlichen am Donnerstag voriger Woche vorausgegangen. Die extremistische BBS kündigte daraufhin Aufmärsche in den drei erwähnten Städten an. Justizminister Rauf Hakim, ein Muslim, versuchte das zu verhindern, weil er das Unheil heraufziehen sah. Doch die Regierung reagierte nicht. »Der Ordnungsapparat hat völlig versagt«, befand der Minister nach dem blutigen Geschehen und drohte mit seinem Rücktritt und dem Rückzug seiner Partei aus der Regierung. Nach Augenzeugenberichten arteten die Aufmärsche schnell in Gewaltaktionen und Brandschatzungen aus. Die Polizei erschien erst nach vielen Stunden auf der Bildfläche und griff nur zögerlich ein. Die noch am Sonntag verhängte Ausgangssperre wurde von den Randalierern mißachtet.

Staatspräsident Mahinda Rajapakse kabelte zwar aus Bolivien, wo er an einer Konferenz teilnimmt: »Die Regierung wird niemandem erlauben, das Gesetz in die eigenen Hände zu nehmen.« Aber da war das Kind längst in den Brunnen gefallen. Erst als am Dienstag Soldaten anrückten, konnte die Lage einigermaßen beruhigt werden. Doch die Spannungen bleiben. Paikiasothy Saravanamuttu vom Zentrum für Politikalternativen in Colombo warnte, es sei gefährlich, einen solchen Geist aus der Flasche zu lassen. Den Hintergrund dafür liefert die verbreitete Annahme, daß der Staatspräsident und sein Bruder, der Verteidigungsminister ist, die BBS zumindest dulden, wenn nicht gar in ihrem militanten chauvinistischen Handeln ermutigen. Jedenfalls ging die BBS bei früheren Attacken stets straffrei aus. Fred Carver von der Sri-Lanka-Kampagne für Frieden und Gerechtigkeit, die ihren Sitz in London hat, erklärte: »Wir wissen aus Erfahrung, daß ethnische Gewalt in Sri Lanka sich ganz schnell aufschaukelt und zu einem phänomenalen Verlust an Leben führt.« Er hoffe, die Regierung bedenke die Konsequenzen der »Begünstigung und Ermutigung extremistischer Nationalisten«.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 19. Juni 2014


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