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Wahlbetrug und Krieg

Sri Lanka: Regierung bewertet Sieg bei Provinzwahlen als Mandat zur Fortsetzung der Offensive gegen die tamilischen Befreiungstiger

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Bei den von Gewalt überschatteten Wahlen am 10. Mai in der Ostprovinz Sri Lankas gewann das Bündnis aus der regierenden »Vereinten Freiheitsallianz des Volkes« von Präsident Mahinda Rajapakse und der Partei Tamil Makkal Vidutalai Pulikal (TMVP) 20 der 37 Sitze des Provinzrates. Das Bündnis aus Vereinter Nationalpartei und Muslimkongreß gewann 15 Sitze und die Tamilische Demokratische Nationalallianz und die singhalesisch-chauvinistische Volksbefreiungsfront JVP je ein Mandat. Die Beteiligung der 92000 Wahlberechtigten lag bei 60 Prozent.

Am frühen Morgen des Wahltages hatte ein Kommando der Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) ein Schiff der Marine, das mit Munition beladen wurde, im Hafen von Trincomalee versenkt. Am Freitag nachmittag waren elf Besucher eines Restaurants im Zentrum der Stadt Ampara getötet und 30 verletzt worden, als ein Sprengkörper explodierte.

Die Opposition sowie unabhängige Wahlbeobachter sprachen von »Wahlbetrug« und zahlreichen Unregelmäßigkeiten in den drei östlichen Distrikten Ampara, Batticaloa und Trincomalee. Sie schätzten ein, der Urnengang sei weder frei noch fair gewesen. Allein das Zentrum für Überwachung von Gewalt im Wahlprozeß registrierte 64 Vorfälle, darunter 48 schwere Verstöße. Rauff Hakim, der Chef des Muslimkongresses, äußerte: »Wir akzeptieren das Wahlergebnis nicht.« Als Gründe nannte er u.a., daß die noch immer nicht entwaffnete TMVP (die sich 2004 von der LTTE abgespalten hatte, vom Militär unterstützt wird und mit der Regierung kollaboriert) Wähler einschüchterte, verfolgte, Zwang auf sie ausübte, Wahlurnen mit vorgefertigten Stimmzetteln füllte und sogar Kindersoldaten votieren ließ. Auch politische Analytiker in Colombo bekundeten »ernste Zweifel an der Glaubwürdigkeit« der Wahlen.

Die Regierung interpretierte das Resultat überschwenglich als großartigen Erfolg und als Auftrag, den Krieg im Norden, wo am Sonntag wiederum mindestens zwei Dutzend Menschen getötet wurden, unerbittlich fortzusetzen. Präsidentensprecher Chandrapal Liyanage behauptete, der Sieg zeige, daß die Menschen aller ethnischen und religiösen Gemeinschaften »den Terrorismus überall im Land und nicht nur im Norden ausgelöscht sehen möchten«. Und Umweltminister Patali Ramawaka verstieg sich zu der Meinung, der Wahlsieg der Regierungskräfte in der Ostprovinz habe die »wilden Träume der vom Westen unterstützen Eelamisten zerschmettert.« Gemeint war die LTTE, die seit 1983 für ein eigenes Heimatland der tamilischen Minderheit »Tamil Eelam« kämpft.

Die Ostprovinz war im Juli 2007 nach schweren Gefechten mit den Rebellen von Regierungstruppen erobert worden. Sie war 13 Jahre unter Kontrolle der tamilischen Guerilla. Die dortige Bevölkerung setzt sich zu 44 Prozent aus Tamilen, 32 Prozent aus Muslimen, die in Sri Lanka nicht als religiöse, sondern als ethnische Gruppe gelten, und zu 23 Prozent aus Singhalesen zusammen. Laut Zensus von 2001 machen die Singhalesen im Landesmaßstab jedoch 74 Prozent, die Tamilen 11,9 und die Muslime sieben Prozent aus. Dem Konflikt fielen bislang weit über 70000 Menschen zum Opfer. Allein in den letzten vier Monaten wurden nach offiziellen Angaben bei den Gefechten im Norden der Jaffna-Halbinsel mindestens 4000 Rebellen, Soldaten und Zivilisten getötet.

* Aus: junge Welt, 13. Mai 2008


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