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Tamilen an der Wahlurne

Historische Abstimmung: Sri Lankas Norden entscheidet am Samstag erstmals seit 25 Jahren über Regionalparlament. UN-Generalsekretär sieht Chance auf Versöhnung

Von Thomas Berger *

Wenn am heutigen Samstag (21. Sept.) die Einwohner in drei Regionen Sri Lankas zu Provinzratswahlen aufgerufen sind, richten sich alle Augen im Land auf den Norden. Erstmals seit einem Vierteljahrhundert werden die Menschen im Großraum Jaffna dann die Chance haben, über die Zusammensetzung eines Regionalparlaments abzustimmen. Vier Jahre nach dem Ende des Bürgerkrieges, der seit 1983 mehrere zehntausend Todesopfer gefordert hat, werten Politiker, Analysten und Diplomaten den Urnengang als Chance, einen Schlußstrich unter die blutige Vergangenheit des Nordens zu ziehen. Selbst UN-Generalsekretär Ban KiMoon unterstrich in einem Grußwort die Chance auf Versöhnung, die in dem Ereignis stecke. Dazu müßten die Parteien nach der Wahl aber für die Entwicklung der Provinz zusammenarbeiten.

Von den gut 700000 Wählern im Norden des Inselstaates gehören rund 90 Prozent der tamilischen Minderheit an. Das Trauma jener fast drei Jahrzehnte, in denen die Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) auch mit terroristischen Mitteln für einen eigenen Tamilenstaat kämpften, wirkt bei ihnen noch nach. Armee und Geheimdienst hatten während dieser Jahre keine Gnade gegenüber all denen walten lassen, die auch nur entfernt der Kooperation mit den Rebellen verdächtig waren. Tausende waren aus ihren Heimatorten geflohen, noch immer ist nicht überall wirklich Normalität eingekehrt. Trotzdem der Staat zuletzt viel Geld in Infrastrukturprojekte gesteckt und beispielsweise die Eisenbahnverbindung um 65 Kilometer bis in die frühere Rebellenhochburg Kilinochchi verlängert hat, empfinden etliche Einwohner die nach wie vor starke Armeepräsenz eher als Besatzung. Neue Straßen und Schulen können nicht aufwiegen, daß dem Militär massive Menschenrechtsverletzungen in der finalen Phase des Krieges im Frühjahr 2009 vorgeworfen werden. Bis heute sind bürgerliche Freiheiten eingeschränkt. Im Wahlkampf war beispielsweise Haustürwerbung der Parteien verboten, größere Menschenaufläufe wurden streng überwacht.

Die Tamilische Nationalallianz (TNA), ein Bündnis von mehreren Parteien der Minderheit, das im zentralen Parlament wichtigste Stimme der Tamilen ist, hat sich eine Zweidrittelmehrheit zum Ziel gesetzt. Unrealistisch ist das in der 38 Abgeordnete zählenden Provinzversammlung keineswegs. Als Mehrheitsbeschaffer stünde zudem der Sri Lanka Muslim Congress (SLMC) zur Verfügung. Der ist auf nationaler Ebene zwar im Bündnis mit der Sri Lanka Freedom Party (SLFP) von Präsident Mahinda Rajapakse an der Regierung beteiligt, steht einer Zusammenarbeit mit der TNA im Norden aber grundsätzlich offen gegenüber. Stimmen im tamilischen Lager könnte dafür die mit der Regierung verbündete EPDP abziehen. Der von singhalesischen Hardlinern dominierten SLFP werden angesichts der Bevölkerungszusammensetzung nur geringe Chancen eingeräumt.

Doch selbst wenn es TNA-Spitzenkandidat C. V. Wigneswaran – ein ehemaliger Richter am Obersten Gerichtshof des Landes – zum ersten Chefminister der Nordprovinz schaffen sollte, dürfte sein Entscheidungsspielraum begrenzt sein. Denn die Zentralregierung setzt parallel einen Gouverneur ein. Ein Rajapakse-Getreuer auf diesem Posten dürfte Wigneswaran im Streit um Kompetenzen manche Probleme bereiten. Die TNA hat im Wahlkampf klargestellt, daß sie keineswegs den Separatismus der LTTE wieder beleben will. Die tamilische Selbstbestimmung innerhalb einer föderalen Grundstruktur Sri Lankas steht auf der Agenda der Allianz aber ganz oben – und liegt auch vielen Wählern am Herzen.

* Aus: junge Welt, Samstag, 21. September 2013


Upcoming elections in Sri Lanka an opportunity for reconciliation – UN chief

19 September 2013 – The forthcoming provincial elections in Sri Lanka are an important opportunity for reconciliation in the country, Secretary-General Ban Ki-moon said today, calling on all parties to take part in the electoral process in a peaceful manner.

In a statement issued by his spokesperson, Mr. Ban described the elections as a way to “foster political reconciliation and to build confidence between Sri Lankans after many years of conflict.”

Sri Lankan Government forces declared victory over the rebel Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) in May 2009, after a conflict that had raged on and off for nearly three decades and killed thousands of people. The country is still recovering from the protracted war.

Mr. Ban welcomed the provincial elections, which are scheduled for 21 September, particularly in the Northern Province, which has not had provincial elections since 1987.

He also called on all parties “to participate peacefully in the elections and to work together in the period following the elections to address the national and post-war agenda constructively and collaboratively.”

Source: UN News Centre, 19 September 2013; http://www.un.org




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