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Liquidierung des Verhandlers

Sri Lankas Armee tötet Tamilenführer S.P. Thamilchelvan

Von Gerd Schumann *

S.P. Thamilchelvan lebt nicht mehr. Am Freitag morgen (2. November) gegen sechs Uhr töteten Soldaten der srilankischen Armee den politischen Leiter der tamilischen Befreiungsbewegung. Wenig später gab Associated Press (AP) die Sprachregelung für den Umgang mit seinem Tod vor: Der Regierung von Sri Lanka sei »in ihrem langen, erbitterten Kampf gegen die tamilischen Rebellen ein wichtiger Sieg gelungen«, jubilierte die US-Agentur im Stile westlicher Kriegsberichterstattung so parteiisch wie manipulativ.

Thamilchelvan galt als »Nummer zwei« der Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE), die seit einem Vierteljahrhundert gegen soziale und ethnische Unterdrückung nicht nur der Tamilen auf der dem indischen Subkontinent vorgelagerten Insel bewaffnet kämpfen. International bekannt wurde der 40jährige charismatische Mann in den vergangenen Jahren, in denen er sich als Verfechter einer politischen Lösung im Konflikt mit der srilankischen Zentralgewalt profilierte. Aufgeschlossen, einen für beide Seiten annehmbaren Weg aus der Gewalt zu finden, zeigte er sich nach dem Waffenstillstand von 2002 bei Verhandlungen mit Colombo unter norwegischer Moderation in Oslo und Genf. Wie sich nun auf tragische Weise herausstellt, machte ihn insbesondere diese Rolle gefährlich – nicht nur für die srilanische Regierung.

Auch die von den USA angeführte »internationale Gemeinschaft« boykottierte regelrecht die Versuche des Verhandlers Thamilchelvan, den ramponierten Waffenstillstand zu renovieren. Da stieß Sri Lankas Armee in die Tamilengebiete im Norden und Osten vor, bombardierte Zivileinrichtungen, erzeugte ein Flüchtlingselend ungeheuren Ausmaßes, verhinderte NGO-gestützte humanitäre Hilfsbemühungen. Doch internationale Proteste dagegen blieben nahezu vollständig aus. Die Aggression schien willkommen in Berlin wie in London und Washington, die LTTE wurde unter »Terror« absorbiert und zum Abschuß freigegeben.

Die Liquidierung Thamilchelvans und fünf weiterer führender »Tiger« in der nördlichen Stadt Kilolochchi war wohlgeplant. »Es zeigt sich, daß unsere Informationen sehr genau sind (...) Wenn die Zeit gekommen ist, werden wir uns einen nach dem anderen vorknöpfen«, drohte Verteidigungsminister Gotabhaya Rajapaksa ohne etwa die Quellen für die »Informationen« zu offenbaren. Doch kursieren längst Spekulationen, die US-Satellitenaufklärung habe für den Killereinsatz wertvolle Zuliefererdienste geleistet.

Die Zeichen in Sri Lanka stehen auf Krieg statt auf Frieden. Das war im März 2005 noch nicht so. Damals plädierte Thamilchelvan gegenüber junge Welt in Berlin eindringlich für Verhandlungen. Nein, der Konflikt auf Sri Lanka kann niemals militärisch gelöst werden, meinte er damals. Diese Position hat er am Freitag mit seinem Leben bezahlt.

* Aus: junge Welt, 3. November 2007


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