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"Tiger", wohin das Auge schaut

Propagandaoffensive und Geheimdienstränke gegen LTTE in Sri Lanka

Von Gunnar Jacobsen *

Glaubt man dem Präsidenten Sri Lankas und ihm nahestehenden Kreisen, dann ist der Inselstaat südlich von Indien bald übernahmereif für die sogenannten Terroristen der tamilischen Guerilla. Sogar bis in die eigene Regierung hinein konnten die »Befreiungstiger« der LTTE demnach ihre dämonischen Sendboten schmuggeln, so Präsident Mahinda Rajapakse: Den ehemalige Außenminister Mangala Samaraweera, den Rajapakse vor gut einem Monat zusammen mit zwei Kabinettskollegen entließ, nannte er einen LTTE-Unterstützer.

Bereits seit einem Monat ist der singhalesische Finanzdirektor der Wochenzeitung Maubima (Mutterland), Dushyantha Basnayake, unter Terrorismusverdacht in Polizeigewahrsam. Vier seiner Kollegen wurden nach Angaben der Zeitung verhört und dabei zum Teil massiv bedrängt. Erst vor wenigen Tagen kam Parameshwari Munuswamy, eine tamilische Reporterin und Übersetzerin der Zeitung, nach vier Monaten aus dem Gefängnis frei. Der Richter sah keinerlei Beweise für die Anschuldigungen der »Sicherheitsorgane«, wonach Munuswamy eine Terroristin sei. Inzwischen hat die Regierung fast alle Konten des Verlagshaus gesperrt. Statt etwa 115 Seiten hatte die Ausgabe vom vergangenen Sonntag nur noch 15 Seiten, es droht dem singhalesisch-sprachigen Blatt das endgültige Aus.

Alle Maßnahmen waren mit dem berüchtigten »Prevention Of Terrorism Act« (Gesetz zur Terrorabwehr, PTA) begründet worden, einem Notstandsparagraphen, der Sri Lankas Gerichtsbarkeit weitgehend aushebelt. Die Maubima ist dabei durchaus keine »linke« Zeitung. Sie bringt aber Berichte, die schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen der srilankischen Armee gegen Tamilen dokumentieren. Daneben kommen in Kommentaren und Analysen aber auch Scharfmacher der ausgesprochen chauvinistischen »Partei des nationalen Erbes« JHU zu Wort.

Während das Militär des mehrheitlich buddhistisch-singhalesischen Landes ohne Rücksicht auf zivile Opfer Jagd macht auf die tamilischen Rebellen im Norden und Osten der Insel, herrscht im singhalesischen Teil Sri Lankas Inquisitionsstimmung. Kritische Medien und unbotmäßige Gewerkschaften werden als »Vaterlandsverräter« gebrandmarkt, Sondergesetze geben dem Präsidenten diktatorische Machtfülle. Neu ist, daß zunehmend Singhalesen unter »Tiger-Verdacht« geraten: Ende Februar präsentierte die Regierung geschockten Fernsehzuschauern drei junge Männer, die gestanden, von der LTTE als Terroristen ausgebildet worden zu sein. Als Drahtzieher präsentierten die Sicherheitsbehörden einen jungen Singhalesen Namens »Sharmal«. Dann entlarvte ein bizarrer Zufall das ganze als kolossalen Schwindel. Sharmal offenbarte sich einem Freund: Er sei kein »Tiger«, sondern Spitzel des militärischen Geheimdienstes, verriet er. Der Freund war Mitarbeiter eines der drei im Februar entlassenen Minister. Er zeichnete die Telefongespräche auf, weil er fürchtete, sein Kontakt zu dem »Verräter« Sharmal könne ihn und Exminister in Tiger-Verdacht bringen. Dann gab er die Bänder an eine Zeitung, die die Gespräche abdruckte.

Peinlich ist der Vorfall nicht nur für Präsident Mahinda Rajapakse, sondern auch für die vermeintlich marxistische »Volksbefreiungsfront« JVP: Sie war es nämlich, die Sharmals Dienste für den Geheimdienst einfädelte. Die Partei war nach einer mißglückten Revolution 1989 blutigen Repressalien der Armee ausgesetzt und jahrelang im Untergrund. Regierungsbeteiligung und chauvinistische Propaganda haben ihrem Ansehen bislang nicht geschadet. Daß die JVP nun allerdings mit dem Geheimdienst paktiert, um die Bevölkerung in die Irre zu führen, dürfte den JVP-Anhängern nicht leicht zu erklären sein.

* Aus: junge Welt, 2. April 2007


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