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Sri Lanka verkündet Sieg über Tamilen

Befreiungstiger gestehen schwere Niederlage ein und werfen Regierung Massaker vor

Von Hilmar König, Delhi *

Als Sri Lankas Regierung Anfang vergangenen Jahres ankündigte, die Tamilen-Rebellen militärisch zu vernichten, glaubte kaum jemand an einen Erfolg. Doch nun verkündete Präsident Mahinda Rajapakse den Sieg über die LTTE.

Die Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE), die am Sonntag (17. Mai) angesichts der Übermacht der Regierungstruppen ihre Waffen gestreckt haben, kämpften seit fast vier Jahrzehnten für einen unabhängigen Tamilenstaat. Nach einer monatelangen Großoffensive des Militärs gaben sie nun wohl auf. »Diese Schlacht ist an ihrem bitteren Ende«, erklärten die Rebellen im Internet. In der jüngsten Stellungnahme heißt es dagegen, die LTTE verteidige ihre Positionen weiter.

Sri Lankas Armeeführung teilte am Sonntag mit, die letzten Zivilisten hätten die Kampfzone im nördlichen Distrikt Mullaitivu verlassen können. Jetzt sei der Weg frei, die restlichen Befreiungstiger von Tamil Eelam, die auf einem 400 mal 600 Meter messenden Geländestück umzingelt sind, zu eliminieren.

Die Rebellen, so Militärsprecher Brigadier Udaya Nanayakkara, hätten am Sonntagmorgen mit sechs Booten einen Ausbruch versucht, der jedoch vereitelt wurde. 70 Rebellen seien getötet worden. LTTE-Chef Velupillai Prabhakaran sei bislang jedoch nicht gesichtet worden. Man vermute, dass sich die Führungskader auf einen »Massenselbstmord« vorbereiten. Die Tamiltiger würden ihre Munitions- und Warenlager in Brand setzen und damit ihr nahes Ende signalisieren. Die der LTTE nahestehende Website Tamilnet.com meldete etwa 2000 bis 3000 Leichen in der Kriegszone und sprach von einem Massaker der Regierungssoldaten.

Am Samstag (16. Mai) hatte die Armee den gesamten Strand im Vellaimullaivaikkal-Gebiet unter Kontrolle genommen und damit der LTTE den Zugang zum offenen Meer abgeschnitten. Diese Operation wurde als entscheidender Durchbruch bewertet und Präsident Mahinda Rajapakse, der sich zur Teilnahme an einer internationalen Konferenz in Jordanien aufhielt, verkündete von Amman aus bereits am Samstag den Sieg. Er kehre als »Führer einer Nation, die den Terrorismus besiegt hat«, in die Heimat zurück. Die Niederlage der LTTE leite eine neue Ära in Sri Lanka ein und eröffne allen Bürgern eine »brandneue Möglichkeit für Frieden und Entwicklung«. Die Geschichte habe ihn gelehrt, dass Lösungen, die von außen von Leuten mit wenig Verständnis für die Kompliziertheit der internen Probleme vorgeschlagen werden, zum Scheitern verurteilt sind. Deshalb sehe sich seine Regierung verpflichtet, eine eigenständige Lösung für den ethnisch-sozialen Konflikt zu finden, die akzeptabel für alle in Sri Lanka lebenden Gemeinschaften ist.

Während der Sieg auf den Straßen Colombos und anderer Städte mit Feuerwerk, Musik und Tänzen gefeiert wurde, beschrieb das Internationale Rote Kreuz, die einzige in der Kriegszone arbeitende neutrale Organisation, die Lage als »unvorstellbare humanitäre Katastrophe«. Nach wie vor erweise sich die Versorgung und Betreuung von fast 250 000 Vertriebenen, die jetzt in Notlagern hausen, als außerordentlich schwierig. Die UNO schätzt, dass im Kampfgebiet zwischen Januar und der ersten Maiwoche 7000 Zivilisten ums Leben kamen und 16 700 verwundet wurden. Doch genaue Zahlen darüber und wie viele Soldaten die im Herbst vorigen Jahres angelaufene Offensive das Leben kostete, wird die Öffentlichkeit voraussichtlich nie erfahren. Colombo hält sie aus Gründen der »nationalen Sicherheit« unter Verschluss.

* Aus: Neues Deutschland, 18. Mai 2009


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