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Machtkämpfe in Sri Lanka

Präsident will oberste Richterin des Landes absetzen

Von Thomas Berger *

In Sri Lanka laufen Vorbereitungen, die oberste Richterin des Landes abzusetzen. 117 Abgeordnete der regierenden Volksfreiheitsallianz (UPFA) von Präsident Mahinda Rajapaksa haben am Donnerstag eine entsprechende Resolution unterzeichnet. Die 54jährige Shirani Bandaranayake, die als Regierungskandidatin ins Amt gekommen war, ist zuletzt auf Konfrontationskurs mit der Clique um das Staatsoberhaupt geraten. Außenminister Gamini Lakshman Peiris warf ihr vor einigen Tagen Überschreitung ihrer Befugnisse und Beugung der Verfassung vor.

Bandaranayake hatte ein Gesetz gekippt, das ihrer Ansicht nach gängigen Verfahren im srilankischen Föderalismus nicht genügend Rechnung trage. Es ging um ein Vorhaben, dem Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung – geführt vom jüngeren Bruder des Präsidenten, Basil Rajapaksa – mehr Macht zu übertragen. Dem hätten, führte sie zur Begründung für den Einspruch an, aber die Provinzen ausdrücklich zustimmen müssen.

Schon vorher hatte ein enger Vertrauter Bandaranayakes den Zorn der Machtelite in Colombo auf sich gezogen. Manjula Tilakaratne hatte von einer »Konspiration« gesprochen, die »die Zerstörung der Unabhängigkeit der Justiz« zum Ziel habe. Der Richter am High Court tritt derzeit öffentlich noch nicht wieder in Erscheinung, nachdem er im Oktober niedergestochen worden ist.

Daß es zwischen den Spitzen von Regierung und Justiz derzeit massiv kriselt, ist mit der ersten Phase des Abberufungsverfahrens gegen die Chefrichterin nun offensichtlich geworden. Ausgerechnet Parlamentspräsident Chamal Rajapaksa, ein weiterer Bruder des Staatsoberhauptes, soll jenes Gremium anführen, das in nächster Zeit die Vorwürfe genauer prüfen wird.

Hinter den Kulissen geht es auch um den Vorwurf, die Regierung habe sich 2009 in der finalen Phase des Krieges gegen die Rebellen der Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) sowie nach deren kompletter militärischer Niederlage massive Menschenrechtsverletzungen zuschulden kommen lassen. Die heutige Lage der tamilischen Minderheit sowie der Umgang mit früheren LTTE-Aktivisten, von denen einige als vermißt gelten, wird international kritisiert. Unabhängige Organisationen wie die Internationale Kommission der Juristen werfen der Regierung in Colombo vor, daß tamilische Opfer des Bürgerkriegs kaum eine Chance hätten, Gerechtigkeit zu erstreiten.

* Aus: junge Welt, Samstag, 03. November 2012


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