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Srilankischer Fehlstart in Norwegen

Versuch der Anbahnung von Kontakten zwischen Regierung und Rebellen scheiterte

Von Hilmar König, Delhi

Der Versuch, Vertreter der Regierung Sri Lankas und der aufständischen tamilischen Befreiungstiger (LTTE) in der Nähe von Oslo an einem Tisch zu versammeln, ist in der vergangenen Woche schmählich gescheitert. In Sri Lanka selbst nimmt die Gewalt von beiden Seiten unaufhörlich zu.

Am Montag (12. Juni) wurde im Norden Sri Lankas ein Soldat durch eine Minenexplosion getötet, drei Zivilisten erlitten Verletzungen. Am Sonnabend ereilte LTTE-Kommandant Mahenti das gleiche Schicksal. Wiederum wurden drei Zivilisten verletzt. Am 8. Juni drangen Soldaten in Vankuli in ein Haus ein, folterten und töteten eine vierköpfige Familie. Am Vortag waren bei einem Anschlag nahe Batticaloa neun Bürger ums Leben gekommen, 14 wurden verletzt. Seit April fielen mehr als 380 Menschen blutiger Gewalt zum Opfer. Doch scheint das immer noch nicht Anlass genug für die verfeindeten Parteien, ernsthaft nach einer Verhandlungslösung zu suchen.

Jedenfalls kam es in der vorigen Woche nicht zur angekündigten Kontaktaufnahme zwischen LTTE und Regierungsvertretern auf norwegischem Territorium. Die Norweger, die seit ein paar Jahren im ethnisch-sozialen Konflikt zwischen der tamilischen Minderheit und der singhalesischen Mehrheit Sri Lankas vermitteln und deren Bemühungen die am 22. Februar 2002 vereinbarte Waffenruhe zudanken ist, konnten lediglich mitteilen, man habe »keine Basis gefunden für Direktgespräche«. Tatsächlich wollte sich der Chef der politischen Abteilung der LTTE, S.P. Thamilselvan, am 8. Juni in Jevnaker bei Oslo nicht mit den Vertretern Colombos an einen Tisch setzen.

Einen Tag später gab die Sri Lanka Monitoring Mission (SLMM), ein Gremium zur Überwachung der Waffenruhe, dem Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden angehören, eine aufschlussreiche Stellungnahme ab. Sie warf der Regierung in Colombo vor, Verpflichtungen, die sie beim ersten Treffen im Februar in Genf eingegangen war, nicht einzuhalten, und wenig Bereitschaft zu zeigen, den Forderungen der LTTE nach Normalisierung der Situation nachzukommen. Die wichtigste Verpflichtung hatte gelautet, in den Gebieten unter Kontrolle der Armee keine bewaffneten Gruppen zu erlauben. Doch den Beobachtern liegen angeblich Hinweise darauf vor, dass die Kommandos des abtrünnigen LTTE-Obersten Karuna im Kampf gegen dessen ehemalige Rebellenkameraden von den Streitkräften tatkräftig unterstützt werden. Es seien sogar Bewegungen seiner Trupps von und in Stützpunkte der Armee beobachtet worden.

Offenbar ist das für die tamilischen Rebellen einer der Hauptgründe, Kontakte zur anderen Seite abzulehnen. Freilich erklärt das nicht, warum sie unter diesen Umständen überhaupt nach Norwegen gereist waren. Sri Lankas Regierung reagierte auf die SLMM-Erklärung empört. Den Beobachtern mangele es an Professionalismus, sie seien parteiisch. Besonders harsch wurde SLMM-Chef Generalmajor Ulf Henricsson kritisiert. Er hege Vorbehalte gegenüber Colombo, weil er die Regierung daran erinnerte, dass sie für Recht und Ordnung sowie für die »demokratische Kontrolle der Streitkräfte« zuständig sei. Außerdem habe er angezweifelt, dass die EU-Entscheidung, die LTTE ausgerechnet kurz vor dem Oslo-Treffen auf die Liste »internationaler Terrororganisationen« zu setzen, richtig gewesen sei. Solche Bemerkungen stünden Henricsson gar nicht zu. Die Rebellen machten übrigens ihrerseits inzwischen deutlich, dass sie Anstoß an der Mitarbeit von SLMM-Beobachtern aus den EU-Staaten Dänemark, Finnland und Schweden nehmen.

Die norwegischen Vermittler fühlten sich vor den Kopf gestoßen. An Präsident Mahinda Rajapakse und an Guerillachef Velupillai Prabhakaran richteten sie einen Brief mit fünf Fragen, die bis 20. Juni beantwortet sein sollen. Erst danach wird sich Oslo entscheiden, ob es sich weiter als Vermittler engagiert. Zu den Fragen gehören die, ob sich beide Seiten der Waffenruhe noch verpflichtet fühlen, ob sie die Fortsetzung der Beobachtermission wünschen, ob sie Ergänzungen zur Vereinbarung über die Waffenruhe akzeptieren würden und ob sie Sicherheit für die rund 60 SLMM-Mitarbeiter gewährleisten können.

* Aus: Neues Deutschland, 13. Juni 2006


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