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Tamilen wollen Antworten

Neue Vorwürfe gegen Regierung Sri Lankas wegen anhaltender Menschenrechtsverletzungen

Von Ashok Rajput, Neu-Delhi *

Die Tamilische Nationale Allianz (TNA) hat nach ihrem deutlichen Sieg bei den Kommunalwahlen im Norden Sri Lankas im Juli die Regierung von Präsident Mahinda Rajapakse aufgefordert, sich ernsthaft und zügig für eine politische Lösung des ethnisch-sozialen Konflikts zwischen der tamilischen Minderheit und der singhalesischen Mehrheit einzusetzen.

In einer Erklärung vom Donnerstag (4. Aug.) verweist die TNA auf Vorschläge zur Aufteilung der Macht, die der Regierung seit Monaten vorliegen. Wenn binnen zehn Tagen darauf keine offizielle Antwort erfolgt, will die Tamilenpartei die Unterredungen mit Colombo abbrechen. Seit Januar 2011 gab es bereits zehn Gesprächsrunden, die ohne konkrete Ergebnisse geblieben waren. Das will die TNA nicht länger hinnehmen. Sie hat der Regierung ihre Vorstellungen über die künftige Verwaltungsstruktur in der Nord- und in der Ostregion, über die Aufteilung der Verantwortlichkeiten zwischen Colombo und den Provinzräten sowie über Finanzierungsfragen unterbreitet. Das Statement listet Aufgaben auf, die sofort in Angriff zu nehmen sind, etwa die Wiederansiedlung von Zehntausenden Inlandsvertriebenen, die Beseitigung der militärischen »Hochsicherheitszonen«, die Entwaffnung paramilitärischer Kommandos, die im Norden und Osten ihr Unwesen treiben und die Klärung des Schicksals politischer Gefangener.

Die Regierung versucht nach Darstellung der TNA, in den tamilischen Gebieten ein Programm zu verwirklichen, durch das kulturelle und religiöse Stätten der Tamilen beschädigt und zerstört werden. Die militärische Einmischung in das zivile Leben nehme zu, auf Beschwerden habe Colombo bislang nicht reagiert. Viele Tamilen konnten nicht in ihre Heimatdörfer im Jaffna-Distrikt zurückkehren. Ihre Abwesenheit wird dazu mißbraucht, die ethnische Struktur und die kulturelle Identität der Region zu verändern. Dies habe negative Konsequenzen für die Zukunft der Tamilen.

Fast gleichzeitig mit der TNA-Erklärung legte Verteidigungssekretär Gotabaya Rajapakse, ein Bruder des Präsidenten, ein von seinem Ministerium verfaßtes Dokument zu den Vorkommnissen während der Kampfhandlungen vor zwei Jahren vor. Darin werden alle Vorwürfe, die Streitkräfte hätten in den Monaten des Krieges gegen die Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) Menschenrechtsverletzungen begangen, zurückgewiesen. Was dazu in der Auslandspresse gestanden habe, so der Sekretär, sei »ziemlich absurd«. Weder LTTE-Kämpfer noch Zivilisten seien gefoltert worden. Von 11000 LTTE-Kadern, die sich ergeben hatten, seien 6100 bis zum Juni 2011 freigelassen worden, und alle 595 Kindersoldaten seien in ihre Familien zurückgekehrt.

Die Kritik am Kurs der Regierung verstummt durch derartige Erklärungen nicht. Human Rights Watch verlangte Mitte der Woche eine internationale Untersuchung der Ermordung von 17 überwiegend tamilischen Mitarbeitern der französischen Hilfsorganisation »Aktion gegen Hunger«. Sie waren Anfang August 2006 bei Tsunami-Aufräumungsarbeiten angeblich von Sicherheitskräften umgebracht worden. Colombo sprach Polizei und Militär frei, konnte und wollte aber die Täter nicht identifizieren. Selbst das verbündete Indien brachte unterdessen vorsichtige Kritik an. Außenminister S. M. Krishna erklärte, er habe in Gesprächen mit srilankischen Politikern die Notwendigkeit unterstrichen, Vorwürfen von Menschenrechtsverletzungen nachzugehen, Notstandsverordnungen aufzuheben, humanitäre Aufgaben zu erledigen und in den Tamilengebieten für Normalität zu sorgen. »Eine gerechte und faire Lösung des politischen Problems ist von vordringlicher Bedeutung«, so der Minister.

* Aus: junge Welt, 6. August 2011


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