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Schwerer Verlust für tamilische Rebellen

Sri Lankas Militär durchbrach Verteidigungsring der LTTE-"Hauptstadt" Kilinochchi

Von Hilmar König, Delhi *

Die Armee Sri Lankas hat mit Kilinochchi im Norden des Landes die wichtigste Rebellenhochburg eingenommen und den tamilischen Widerstandskämpfern damit einen schweren Schlag versetzt.

Von drei Seiten drangen am Freitagmorgen (2. Januar) die Streitkräfte Sri Lankas in die »Hauptstadt« der tamilischen Befreiungstiger (LTTE) Kilinochchi ein. Für die Rebellen bedeutet das eine schwere Niederlage, doch nicht das Ende des seit 1983 tobenden Bürgerkrieges. Sowohl Militär- als auch Regierungssprecher Colombos teilten am Freitag mit, dass die Truppen an mehreren Stellen den Verteidigungsring der Rebellen um Kilinochchi durchbrochen hätten. Im Laufe des Tages wollte man auch den letzten Widerstand der Tamiltiger in ihrer Hochburg brechen.

Bereits in den Tagen zuvor hatten die Soldaten die Ortschaft Paranthan und die Iranamadu- Kreuzung erobert und drei LTTE-Flugplätze unter ihre Kontrolle gebracht. Kilinochchi gilt seit 1998 faktisch als Hauptstadt der Aufständischen, als »Kern« des angestrebten Separatstaates »Tamil Eelam«. Die Tamiltiger hatten hier ihr Verwaltungszentrum, das Hauptquartier ihrer Polizei und der Justiz eingerichtet. Hier trafen sich während der Zeit des Waffenstillstands auch die Beobachter der skandinavischen Sri Lanka Monitoring Mission und ausländische Diplomaten mit politischen Führern der LTTE zu Verhandlungen. Und zahlreiche einheimische und internationale Nichtregierungsorganisationen hatten in Kilinochchi bis zum Herbst 2008 ihren Sitz, von wo sie vielen Tausenden Flüchtlingen und anderen Bedürftigen humanitäre Hilfe erwiesen.

Die Vertreibung aus diesem Zentrum bedeutet für Rebellenchef Velupillai Prabhakaran eine deftige Niederlage und für seine Kämpfer einen enormen psychologischen Schlag. Politische Beobachter ziehen Vergleiche mit 1995, als die Streitkräfte Jaffna, die Hauptstadt der Nordprovinz, unter ihre Kontrolle brachten.

Damals glaubte man, damit sei das Ende des Bürgerkrieges, dem inzwischen weit über 70 000 Menschen zum Opfer gefallen sind, zum Greifen nahe. Doch die LTTE überlebte, schlug zurück und setzte sich in Kilinochchi fest. Deshalb hütet man sich in Colombo jetzt auch vor voreiligen Schlussfolgerungen, dass mit der Eroberung Kilinochchis die Guerilla besiegt oder zerschlagen worden wäre. Davon kann vorerst keine Rede sein. Balasingham Nadesan, Leiter der Politikabteilung der LTTE, hatte bereits vor einigen Tagen verkündet, selbst wenn Kilinochchi falle, würden die Tamiltiger ihren Kampf fortsetzen. Freilich wird der bei weiter schrumpfendem Territorium für die Rebellen immer schwieriger.

Der seit 2005 regierende Staatspräsident Mahinda Rajapakse, der von Anfang an die Vernichtung der von ihm stets nur als Terroristen charakterisierten Feinde als Priorität behandelt, sieht seinen Kurs durch die jüngste Entwicklung bestätigt. Genau vor einem Jahr beendete er einseitig das 2002 mit Hilfe Norwegens geschlossene (allerdings ziemlich löchrige) Waffenstillstandsabkommen, nachdem seine Truppen zuvor den Osten des Landes aus dem Griff der LTTE befreit hatten. Seine Politik hat den ethnisch-sozialen Konflikt zwischen der tamilischen Minderheit und der singhalesischen Mehrheit, der dem Krieg zugrunde liegt, einer Lösung jedoch bislang keinen Schritt näher gebracht.

Der Konflikt nahm bewaffnete Formen an, als die Rebellen 1983 einen Armeekonvoi überfielen und zahlreiche Soldaten töteten. Darauf reagierte ein singhalesischer Mob mit der Ermordung Tausender tamilischer Zivilisten. Indische »Friedenssoldaten« wurden 1987 zu Hilfe gerufen, mussten aber zwei Jahre später unter beträchtlichen Verlusten unverrichteter Dinge wieder abziehen.

Die Guerilla operierte nicht nur im Dschungel, sondern bediente sich in den Städten auch terroristischer Mittel. Sie ließ 1991 den indischen Expremier Rajiv Gandhi, 1993 Staatspräsident Ranasinghe Premadasa und 2005 Sri Lankas damaligen Außenminister ermorden. Auf ihr Konto gehen zahlreiche Selbstmordanschläge, bei denen Hunderte Zivilisten ums Leben kamen. Alle Bemühungen um eine Lösung des Konflikts am Verhandlungstisch scheiterten.

Präsident Rajapakse besteht angesichts der militärischen Überlegenheit darauf, dass die LTTE die Waffen streckt, ehe an Verhandlungen gedacht werden kann.

* Aus: Neues Deutschland, 3. Januar 2009


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