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Neue Konfrontation in Sri Lanka

Vor anstehender Regionalwahl im Norden will Zentralregierung Kompetenzen der Provinzen beschneiden *

C. V. Wigneswaran, ein früherer Richter an Sri Lankas Oberstem Gerichtshof, ist von der Tamilischen Nationalallianz (TNA) als Spitzenkandidat für die erstmals seit Ende des Bürgerkriegs im Norden des Inselstaates anstehenden Regionalwahlen benannt worden, die für September vorgesehen sind. Ein genaues Wahldatum wurde bisher nicht bekanntgegeben. Angesichts der Stärke tamilisch-separatistischer Kräfte in der Provinz gibt es derweil in der von singhalesischen Hardlinern dominierten Zentralregierung Überlegungen, mit einer Änderung oder gar Abschaffung des 13. Verfassungszusatzes Selbstverwaltungs-Kompetenzen der Provinzadministrationen zu streichen. Vier Jahre, nachdem der blutige Bürgerkrieg, der seit Ausbruch 1983 Zehntausende Todesopfer forderte, mit der militärischen Niederlage der Rebellen der LTTE (Liberation Tigers of Tamil Eelam) endete, kommt es damit zu einer neuen Konfrontation zwischen den beiden größten Bevölkerungsgruppen.

Für die in der TNA zusammengeschlossenen fünf Tamilenparteien sind die anstehenden Wahlen im Norden eine Chance, aus der Oppositionsrolle herauszutreten und im Zentrum des tamilischen Siedlungsraumes womöglich selbst eine Regierung zu stellen. Während des Bürgerkrieges waren die TNA-Parteien von Politikern der singhalesischen Mehrheitsgesellschaft als fünfte Kolonne der radikalen, als terroristisch eingestuften LTTE-Befreiungstiger von Tamil Eelam eingestuft worden. Die Rebellen unter ihrem Anführer Velupillai Prabhakaran wiederum wollten ungern Konkurrenz im eigenen Lager und diffamierten die wegen ihrer Teilnahme an Wahlen »angepaßten« Parteien als Verräter an der nationalen Sache, dem Kampf für einen eigenen Staat Tamil Eelam.

Während die LTTE im Grunde von der politischen Bildfläche verschwunden ist, streitet die TNA als Oppositionsgruppe weiter für tamilische Freiheitsrechte. Das ist der Zentralregierung in Colombo ein Dorn im Auge, zumal sich diese in den zurückliegenden Jahren immer weiter zum Sprachrohr radikal-singhalesischer Strömungen gemacht hat. Der immer autoritärer agierende Präsident Mahinda Rajapakse hat jetzt auch noch eine Sonderkommission eingesetzt, die den 13. Verfassungszusatz unter die Lupe nehmen soll. Dieser regelt die Vollmachten der Provinzen und ist die Grundlage, erstmals auch im Norden eine demokratisch legitimierte Regionalregierung zu installieren. Bevor diese aber womöglich TNA-dominiert ist und damit in ihren Entscheidungen auf Konfrontationskurs mit Colombo gehen kann, fordern Regierungsvertreter vehement die Revision oder gar Abschaffung des 13. Zusatzes. Zu den Wortführern dieser Bewegung gehören auch die in der Regierung sitzenden Brüder des Präsidenten, vorneweg Verteidigungsminister Gotabaya Rajapakse.

Der drohende Angriff auf die provinzielle Selbstverwaltung ruft aber auch den großen Nachbarn Indien auf den Plan. Vor allem Politiker aus dem südlichsten Bundesstaat Tamil Nadu fühlen sich bemüßigt, ihren »ethnischen Verwandten« auf Sri Lanka beizustehen. Chefministerin Selvi J. Jayalalithaa hat sogar einen offenen Brief an Premier Manmohan Singh verfaßt. Dieser solle diplomatischen Druck auf Colombo ausüben, den 13. Verfassungszusatz nicht anzurühren, so Jayalalithaa. Eine Forderung, die ungeachtet sonstigen scharfen Parteiengezänks in Tamil Nadu breite Zustimmung erfährt.
Thomas Berger

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 17. Juli 2013


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