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Verhärtung der Fronten

Kein Optimismus für Konfliktlösung nach Treffen der Tamil-Rebellen Sri Lankas in Paris

Den folgenden Korrespondentenbericht über die jüngste Entwicklung im Bürgerkriegsland Sri Lanka haben wir der "jungen Welt" vom 3. September 2003 entnommen.


Von Hilmar König, Neu-Delhi

Die spärlichen Nachrichten, die vom Treffen der Repräsentanten der LTTE (tamilische Befreiungstiger) in Paris an die Öffentlichkeit drangen, lassen nur eine Schlußfolgerung zu: Die Fronten zwischen den Rebellen und der Regierung von Premier Ranil Wickremasinghe werden sich weiter verhärten. Ziel des Treffens war, Gegenvorschläge zu Colombos Angebot für eine provisorische Verwaltungsstruktur des Nordostens auszuarbeiten. In Paris hieß es dazu, das Angebot enthalte nicht ausreichend Machtbefugnisse für die in dieser Region lebenden Tamilen. Gemeint sind neben Verwaltungsfragen die stärkere Einbeziehung in den Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur und Wirtschaft der Region. Die Gegenvorschläge aber würden die Aspirationen der Tamilen berücksichtigen. Einzelheiten teilte S. P. Tamilselvan, der Leiter des politischen Flügels der LTTE, nicht mit.

Laut S. Puleedevan vom Friedenssekretariat der LTTE berieten in Paris Steuer- und Verfassungsexperten der tamilischen Diaspora mit Abgesandten aus Norwegen, Frankreich und Kanada. Weitere Konsultationen sollen folgen, ehe die Gegenvorschläge formuliert, dem Hauptquartier der Rebellen vorgelegt und nach nochmaliger eingehender Prüfung dann über die norwegischen Vermittler Colombo unterbreitet werden. Von deren Annahme macht die LTTE bereits jetzt die Wiederaufnahme des im April abgebrochenen Friedensdialogs abhängig. Gegenüber Journalisten wurde erklärt: »Autonomie zu akzeptieren, wie Colombo sie sich vorstellt, steht außer Frage. Wir werden unsere eigene Flagge haben. Wir könnten einer losen Föderation zustimmen, nicht aber der Idee über eine von Colombo kontrollierte Provinz.«

Auf der anderen Seite rechnet auch der Premier mit einer »sehr schweren Aufgabe«, den Friedensprozeß wieder in Gang zu bringen. Er glaubt, die Gegenvorschläge der LTTE werden neue Hürden darstellen. Gerade deshalb hält er die Fortsetzung von Verhandlungen für unabdingbar, zumal die Staatspräsidentin Chandrika Kumaratunga, die den Friedensdialog recht skeptisch bewertet, andeutete, daß sie eventuell die Aufteilung der Nordostregion in eine nördliche und eine östliche Provinz verfügen wird. Das widerspräche nicht nur einer früher von ihr vertretenen Auffassung, sondern auch dem Kurs der LTTE, die den gesamten Nordosten als »Eelam«, Heimatland der Tamilen, betrachtet und verwalten will.

Dieser Gedanke enthält Sprengstoff, der zum Ende des Waffenstillstands führen kann. Die vier Parteien der Tamilischen Nationalallianz, die im Parlament vertreten ist, jedoch die LTTE politisch unterstützt, appellierten sofort an die Präsidentin, diesen »gefährlichen Kurs« zu verlassen. Die tamilische Minderheit sähe sich damit nur in ihren ernsthaften Zweifeln über die Ehrlichkeit der singhalesischen politischen Führung bei der Suche nach einer Lösung des ethnisch-sozialen Konflikts bestärkt.

Unterdessen befürworteten Kumaratungas Sri Lanka Freiheitspartei und die maoistische Volksbefreiungsfront Janata Vimukthi Peramuna (JVP) die Aufteilung der Region. Am Ende eines mehrere hundert Kilometer langen Protestmarsches aus dem Süden Sri Lankas bis nach Colombo rief der JVP-Abgeordnete Anura Dissanayake auf einer Massenkundgebung aus: »Komme was wolle, wir werden allen Widrigkeiten trotzen und alles opfern, selbst unser Leben, um den Einheitscharakter der Nation zu sichern.«

Aus: junge Welt, 3. September 2003


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