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Demokratie in Ketten

Weltweiter Protest gegen Verurteilung des srilankischen Journalisten Tissainayagam

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Die Regierung Sri Lankas hat am Montag (31. Aug.) erneut ihre eklatante Mißachtung von Demokratie und Menschenrechten unter Beweis gestellt. Das ihr hörige Justizwesen verurteilte am Ende eines zweifellos politisch inszenierten Schauprozesses den tamilischen Journalisten J.S. Tissainayagam zu 20 Jahren verschärftem Freiheitsentzug. Colombo handelt sich mit diesem skandalösen Schandurteil weltweite Kritik ein.

Zur Fabrizierung der Anklage mußten zwei Artikel aus dem Jahre 2006 herhalten, aus denen die Richter bestimmte Passagen aus dem Zusammenhang rissen und daraus den Vorwurf konstruierten, Tissainayagam habe zur Gewalt aufgerufen, rassistischen Zwist geschürt und somit den Terrorismus unterstützt. Außerdem wurde ihm unterstellt, die im Mai dieses Jahres militärisch vernichtete LTTE (Befreiungstiger von Tamil Eelam) hätten ihn bei seiner journalistischen Tätigkeit als Herausgeber der Monatsschrift North Eastern Herald, für seine Website Outreachsl.com und Beiträge für die srilankische Sunday Times finanziell unterstützt. Ihm wurde bei den Verhören durch die Sicherheitsorgane ein »Geständnis« abgepreßt, das er vor Gericht widerrief. Die Justiz bezog sich in der Verurteilung auf das berüchtigte Antiterrorgesetz, das eigentlich gegen Terroristen -- so wurden die Kämpfer der LTTE generell bezeichnet -- und nicht gegen Journalisten und Menschenrechtsaktivisten ausgeheckt worden war und inzwischen dazu mißbraucht wird, jegliche Kritik am Regime des Präsidenten Mahinda Rajapakse im Keim zu ersticken. Tissainayagam galt nie als Einpeitscher ethnischer oder religiöser Extreme, trug mit seiner Berichterstattung jedoch dazu bei, daß in der Medienlandschaft Sri Lankas auch die Stimme der von dem mehr als 25 Jahre tobenden Bürgerkrieg schwer betroffenen tamilischen Minderheit ab und an zu hören war.

Die multiethnische Gruppe »Journalisten für Demokratie in Sri Lanka« (JDS), der in Deutschland lebende Exilanten aus diesem südasiatischen Inselstaat angehören, erklärt sich in einer Stellungnahme »Demokratie in Ketten« solidarisch mit Tissainayagam und rechnet zugleich mit dem die Menschenrechte mißachtenden Antiterrorgesetz ab. Der aus dem nordöstlichen Trincomalee stammende Rechtsanwalt K. Sivapalam, stellvertretender Chef des Nordöstlichen Sekretariats für Menschenrechte, äußerte aus seinem Exil in Norwegen: Laut Antiterrorgesetz müßte ein Großteil der singhalesischen Politiker Sri Lankas wegen ihrer scharfmacherischen, giftigen rassistischen Hetze vor Gericht. Doch werde keinem von ihnen ein Härchen gekrümmt.

Jean-Francois Julliard, Generalsekretär der »Reporter ohne Grenzen«, ist sich sicher, daß Sri Lanka Journalisten vom Schlage Tissainayagams braucht, die sich entschieden dafür einsetzen, die Wahrheit zu finden. Die Bürger hätten das Recht, über die Geschehnisse im Land korrekt informiert zu werden und zu lesen, was Leute wie Tissainayagam geschrieben haben. Sri Lanka, so Julliard, wird »niemals Frieden erleben, wenn die Medien ihre Rolle als vierte Macht nicht spielen dürfen.« Im Oktober wird in Washington J.S. Tissainayagam die »Peter-Mackler-Auszeichnung für mutigen und ethischen Journalismus« verliehen.

* Aus: junge Welt, 2. September 2009


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