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"Starker Mann" zu Besuch

Sri Lankas Staatsoberhaupt absolvierte erfolgreiche Visite in Indien

Von Hilmar König *

Aus einer Position der Stärke absolvierte Sri Lankas Präsident Mahinda Rajapakse in dieser Woche einen viertägigen Staatsbesuch in Indien. Er war im Januar bei Wahlen in seinem Präsidentenamt bestätigt worden, und die von ihm geführte Allianz hatte sich bei Parlamentswahlen im April klar durchgesetzt. Gerade deshalb sieht Neu-Delhi in ihm den »starken Mann«, der das sozial-ethnische Problem mit der tamilischen Minderheit im Inselstaat lösen kann und muß. Indien erwartet von ihm mehr als ein Jahr nach dem Sieg der Streitkräfte Sri Lankas über die tamilischen Eelam-Befreiungstiger (LTTE), endlich mit der zugesagten Machtteilung zu beginnen und den Provinzen mehr Entscheidungsgewalt zu gewähren. Das würde »automatisch« auch dem Norden und dem Osten, wo die meisten Tamilen siedeln, eine gewisse Autonomie verschaffen. Diese Chance zur Regelung des ethnischen Konflikts sollte nicht vertan werden.

Eine Delegation von Parlamentariern aus dem südindischen Bundesstaat Tamil Nadu suchte Rajapakse während der Indien-Visite auf und versuchte Druck zu machen. In Chennai (früher Madras) kam es gleichzeitig zu Protestbekundungen gegen Sri Lankas Staatsoberhaupt: Er sei verantwortlich für den »Genozid an den Tamilen« in der letzten Phase des 26 Jahre währenden Bürgerkrieges. Tamil Nadus Chefminister Karunanidhi hatte zuvor einen Brief an Premier Manmohan Singh geschickt, in dem er ihn mahnte, bei den Gesprächen mit Rajapakse auf eine umfassende und zügige Heimkehr der tamilischen Inlandsvertriebenen in ihre Wohnorte als Vorstufe für eine »permanente politische Regelung« zu drängen. Es gehe dabei um »Würde, Gerechtigkeit und Versöhnung«, schrieb er.

Der Gast versicherte den Indern, die Rückführung der noch in Flüchtlingslagern hausenden rund 80000 tamilischen Inlandsvertriebenen in ihre Heimatdörfer bis Ende August abzuschließen. Diese Aufgabe sollte ursprünglich bis Dezember 2009 erfüllt sein. Er informierte seine Gastgeber über – der Öffentlichkeit nicht bekannt gewordene - Schritte Colombos, einen Konsens für eine politische Lösung zu schaffen. Verbindliches äußerte er jedenfalls nicht.

Indien zeigte sich während der Visite außerordentlich kooperationsbereit. Es kam zum Abschluß von sieben Abkommen, darunter über Energiesicherheit, Eisenbahnbau und Kulturaustausch. Ein Niedrigzinskredit über eine Milliarde Dollar mit einer Laufzeit von 20 Jahren soll Infrastrukturprojekte vor allem im kriegszerstörten Norden sowie ein Kohlekraftwerk im östlichen Trincomalee finanzieren. Indien baut 50000 Häuser für Inlandsvertriebene im Norden und Osten Sri Lankas. Vereinbart wurde, den seit Jahrzehnten unterbrochenen Fährverkehr über die Meerenge Palk Strait zwischen Colombo und Tuticorin sowie zwischen Talaimannar und Rameswaram wieder aufzunehmen. Geplant ist ein Tiefseekabel von Südindien zur Stromversorgung des Nordens von Sri Lanka. Die sehr erfolgreiche indische Selbstorganisation für Frauen SEWA wird Kriegswitwen bei der sozialen Rehabilitation unterstützen. Das bestehende Freihandelsabkommen wurde aktualisiert. Zur Debatte steht jetzt ein umfassendes ökonomisches Partnerschaftsabkommen. Indien wird ein Konsulat in Jaffna und eins im südlichen Hambantota einrichten. Vor diesem Hintergrund kann Mahinda Rajapakse seinen Indien-Besuch als sehr erfolgreich einschätzen.

Zur gleichen Zeit wurde in Sri Lanka der Ausnahmezustand um einen weiteren Monat verlängert. Einige Bestimmungen waren kürzlich gelockert, beispielsweise die Machtbefugnisse des Militärs und der Polizei eingeschränkt worden. Premier D.M. Jayaratne begründete die aktuelle Entscheidung mit der »Gefahr einer Neugruppierung von LTTE-Kadern« im Norden und Osten. Im Gegensatz dazu erklärte er auf einer internationalen Konferenz in Colombo, Sri Lanka sei heute der »sicherste Platz in der Welt«, ein Land, »wo Terrorismus komplett ausgerottet und totaler Frieden erreicht« worden sei.

* Aus: junge Welt, 12. Juni 2010


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