"Alptraum aus Gewalt und Unterdrückung"
Hilfslieferung zurückgeschickt, Einreise verweigert: Sri Lankas Regierung schottet Tamilen weiter ab
Von Gerd Schumann *
Sri Lankas Armeeführung bleibt ebenso wie die Regierung in Colombo stur. Seit Monaten, und auch nach dem militärischen Sieg über die tamilische Befreiungsbewegung LTTE (Liberation Tigers of Tamil Eelam), wird internationalen Hilfsorganisationen, UN-Offiziellen, Politikern und Journalisten der Zugang zu den überwiegend von Tamilen besiedelten, nun von Colombo kontrollierten Gebieten ebenso wie zu den Flüchtlingslagern verwehrt. Am Mittwoch verweigerte Colombo Bob Rae die Einreise. Der ehemalige Premier der kanadischen Provinz Ontario (1991–1995) hatte 2002 und 2003 bei der Kontrolle des »Friedensprozesses« zwischen Regierung und LTTE eine führende Rolle gespielt. Nun wurde er direkt nach Ankunft auf dem Flughafen der srilankischen Hauptstadt zum Rückflug gezwungen. Wie die tamilische Website TamilNet.com meldete, erklärte der Geheimdienst, Raes Besuch sei »unpassend«.
Als unpassend betrachtet die Regierung auch die Lieferung von Hilfsgütern. Am Dienstag wurde bekannt, daß das Verteidigungsministerium ein Schiff aus Europa mit 900 Tonnen Medikamenten und Nahrungsmitteln an Bord zur Umkehr gezwungen hat. Der unter syrischer Flagge fahrende Frachter, der von der tamilischen Exilgemeinde in Großbritannien gechartert worden war, hatte am Donnerstag vergangener Woche die Hoheitsgewässer der Insel im Indischen Ozean erreicht und war umgehend von der Marine gestoppt worden. Die 15köpfige Crew habe sich »Verhören stellen« müssen, hieß es.
Auch gegenüber den Vereinten Nationen bewegt sich die Regierung keinen Millimeter. Am Wochenende hatte deren Generalsekretär Ban Ki Moon erneut eine »internationale Untersuchung zu möglichen Kriegsverbrechen« gefordert. Das Agieren beider Seiten, der Tiger-Guerilla ebenso wie der Regierungsarmee, sollte aufgearbeitet werden. »Ich möchte die srilankische Regierung bitten, den internationalen Ruf nach Verantwortung und Transparenz anzuerkennen.« Ergebnis: Colombo argumentiert weiterhin, es handele sich bei ihrem Vorgehen gegen die LTTE um eine »innere Angelegenheit«. Die Regierung selbst werde »im Rahmen des Prozesses der nationalen Versöhnung« Ermittlungen veranlassen, so der Minister für Menschenrechte, Mahinda Samarasinghe.
Dessen Kabinett bezeichnet die schwerbewachten Regionen, in denen zur Zeit etwa 300000 Tamilen zusammengepfercht leben, als »Wohltätigkeitslager« – »typische Orwell-Sprache«, so der Sri-Lanka-Experte John P. Neelsen, Soziologie-Professor an der Universität Tübingen. Diese Camps seien tatsächlich »Internierungslager, umzäunt von rasiermesserscharfem Draht, alle Eingänge und Ausgänge militärisch kontrolliert« – auch um eine unabhängige Beobachtung zu verhindern.
Berichten zufolge wurden in den Lagern »bislang 9100 LTTE-Kämpfer von den übrigen Flüchtlingen getrennt« (FAZ, 28.5.2009). Diese würden in insgesamt drei gesonderten sogenannten Rehabilitationszentren im Osten Sri Lankas festgehalten, zitiert FAZ-Korrespondent Jochen Stahnke einen Militärsprecher. Der dementierte natürlich Berichte über willkürliche Exekutionen als »Unsinn«. Nicht dementiert wurde, daß Tamilen, die sich in bereits nach »Terroristen durchsuchten Lagern« befinden, keinesfalls in ihre Heimatorte zurückkehren. »Wir halten sie zu ihrer eigenen Sicherheit fest«, zitiert die FAZ den Armeesprecher.
Der tamilischen Bevölkerung drohe nunmehr ein »Alptraum aus Gewalt, politischer Unstabilität, Unterdrückung und Ausbeutung des Landes«, meint Professor Neelsen in einem »dringenden Appell«. Darin wendet er sich insbesondere dagegen, einen »ausschließlich humanitären Blick« auf die Lage nach dem Ende der Kampfhandlungen zu werfen. Diese sei schließlich keine Naturkatastrophe, kein neuer Tsunami, sondern das »Ergebnis einer bewußten Politik der Regierung«, die mit Bomben und vielleicht sogar chemischen Waffen gegen »die eigene Bevölkerung« vorgegangen sei. 20000 Menschen sollen allein in den letzten Wochen des Kriegs gegen die Tamilen in der No-Fire-Zone im Osten hingemeuchelt worden sein.
* Aus: junge Welt, 11. Juni 2009
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