Tamilen erobern Gemeinderäte
Erste Kommunalwahlen seit dem Bürgerkrieg in Sri Lanka
Von Henri Rudolph, Delhi *
Erstmals seit einem Vierteljahrhundert haben im tamilischen Norden Sri Lankas Kommunalwahlen
stattgefunden. Die Tamilische Nationale Allianz, politischer Arm der geschlagenen Befreiungstiger,
war erfolgreich. Die Bereitschaft der Regierung, mit ihr zusammenzuarbeiten, ist jedoch gering.
Zwei Jahre nach der Zerschlagung der militanten Organisation Befreiungstiger von Tamil Eelam
(LTTE), die für einen Separatstaat auf der Insel gekämpft hatte, vollzog Sri Lanka am Wochenende
einen weiteren Schritt in Richtung Normalisierung. Landesweit fanden Wahlen zu den örtlichen
Volksvertretungen statt. Das Interesse richtete sich besonders auf die Gebiete der tamilischen
Minderheit im Norden. Dort betraten die Bürger erstmals nach rund 25 Jahren wieder ein Wahllokal.
Während des Bürgerkriegs, der 1983 begann und erst im Mai 2009 endete, fanden keine
Gemeinderatswahlen statt.
In der Nordprovinz errang die Tamilische Nationale Allianz (TNA) am Sonnabend erwartungsgemäß
einen deutlichen Sieg. Sie hatte für 25 Räte ihre Kandidaten nominiert und gewann in 18 davon die
Mehrheit. Lediglich drei Gemeinden gingen an die regierende Vereinte Volksfreiheitsallianz (UPFA)
von Staatspräsident Mahinda Rajapakse. TULF, eine andere tamilische Partei, setzte sich zweimal
durch.
Das Ergebnis bedeutet für die TNA, die als parlamentarische Stimme der Befreiungstiger agierte,
einen enormen Prestigegewinn. Sie bestätigte ihren Anspruch, die wahre Vertreterin der tamilischen
Minderheit und die wichtigste Verhandlungspartnerin der Regierung im Ringen um eine politische
Regelung des ethnisch-sozialen Konflikts zwischen singhalesischer Mehrheit und tamilischer
Minderheit Sri Lankas zu sein. Colombo muss die TNA als Gesprächspartner nun ernster nehmen
und konsequenter an einer friedlichen Lösung arbeiten.
Die TNA tritt für Selbstverwaltung in den Tamilengebieten ein. Ihre Forderung, die Kontrolle über die
Polizei der Provinz sowie über Landbesitz auszuüben, wurde von der Rajapakse-Regierung bereits
zurückgewiesen. Sicherheitsangelegenheiten, so der Präsident, müssten in den Händen der
Regierung bleiben. Gegenüber der indischen Zeitung »The Hindu« erklärte er unverbindlich, den
Gemeinderatswahlen werde die Wahl zum Provinzrat folgen. Er habe seine Partei beauftragt, ein
parlamentarisches Komitee zu bilden, das sich mit einer politischen Lösung des Konflikts sowie mit
Ergänzungen der Verfassung befasst. Was dieses Komitee empfehle, werde er akzeptieren, bevor
die Vorschläge ins Parlament gingen.
Mehr als zwei Jahre nach dem Ende des Krieges zeichnet sich indes keine baldige Lösung des
Konflikts ab. Der Präsident vermied es, irgendeinen Zeitrahmen zu nennen. Für Spannungen und
Misstrauen sorgen nach wie vor das Problem Wiederansiedlung und Wiedereingliederung von
Flüchtlingen und Inlandsvertriebenen wie auch die übermächtige Militärpräsenz im Norden. Auch die
Weigerung der Regierung, sich ernsthaft mit Vorwürfen zu befassen, die Streitkräfte hätten sich in
den letzten Kriegsmonaten 2009 zahlreicher Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht,
beeinträchtigt das Verhandlungsklima.
Wahlkommissar Mahinda Deshapriya äußerte sich insgesamt zufrieden mit dem Wahlablauf
landesweit, obwohl es einige Zwischenfälle gab, bei denen ein Bürger getötet wurde. Die regierende
UPFA dominiert nach offiziellen Angaben insgesamt 250 von 355 örtlichen Volksvertretungen.
* Aus: Neues Deutschland, 26. Juli 2011
Prestigegewinn für Tamilen-Allianz
Sieg bei Wahlen zu Gemeinderäten in der Nordprovinz Sri Lankas
Von Ashok Rajput, Neu-Delhi **
Bei Wahlen zu den Gemeinderäten in der Nordprovinz Sri Lankas hat die Tamilische Nationale Allianz (TNA) am Samstag einen deutlichen Sieg errungen. Sie stellt 18 von 26 lokalen Volksvertretungen, für die sie Kandidaten nominiert hatte. Lediglich drei Vertretungen gingen an die Vereinte Volks-Freiheits-Allianz (UPFA) von Staatspräsident Mahinda Rajapakse. Das Ergebnis bedeutet für die TNA, die als parlamentarische Stimme der im Mai 2009 militärisch eliminierten Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) fungiert, einen enormen Prestigegewinn. Sie bestätigte ihren Anspruch als echte Repräsentantin der tamilischen Minderheit sowie als wichtigste Verhandlungspartnerin mit der Regierung im Ringen um eine »würdevolle politische Regelung« des ethnisch-sozialen Konflikts zwischen der singhalesischen Mehrheit und der tamilischen Minderheit. Colombo muß nun, da die Tamilen im Norden mit ihrem Votum mehrheitlich bekundeten, wem sie ihr Vertrauen schenken, die TNA als Gesprächspartner ernster nehmen und konsequenter an einer friedlichen Lösung arbeiten. Das scheint die unmißverständliche Botschaft der Wählerschaft in den nördlichen Tamilengebieten zu sein.
Die Tamilische Nationale Allianz tritt für Selbstverwaltung in den Tamilengebieten ein. Ihre Forderung, die Kontrolle über die Polizei der Provinz sowie über Landbesitz auszuüben, wurde von der Rajapakse-Regierung bereits vehement zurückgewiesen.
»Sicherheitsangelegenheiten«, so der Präsident, müßten in den Händen der Regierung Sri Lankas bleiben. Gegenüber der indischen Zeitung The Hindu erklärte er unverbindlich, den Gemeinderatswahlen würde die Abstimmung zum Provinzrat folgen. Er habe seine Partei beauftragt, ein parlamentarisches Komitee zu bilden, das sich mit einer politischen Lösung des Konflikts sowie mit Ergänzungen der Verfassung befaßt. Was dieses Komitee empfehle, werde er akzeptieren, bevor die Vorschläge ins Parlament gingen.
Mehr als zwei Jahre nach dem Ende des Krieges zeichnet sich mit dieser Perspektive keine baldige Lösung des Konflikts ab. Der Präsident vermied es, irgendeinen Zeitrahmen zu nennen. Inzwischen sorgen das Flüchtlingsproblem, die Wiederansiedlung der Inlandsvertriebenen, ihre soziale Rehabilitierung und die übermächtige Militärpräsenz im Norden weiter für Spannungen und Mißtrauen. Auch die Ablehnung der Regierung, sich ernsthaft mit Vorwürfen zu befassen, die Streitkräfte hätten sich in den letzten Kriegsmonaten im Jahre 2009 zahlreicher Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht, trägt nicht zu einem geeigneten Verhandlungsklima bei.
Am Samstag (23. Juli) fanden Wahlen zu den Gemeinderäten auch in anderen Landesteilen statt. Wahlkommissar Mahinda Deshapriya äußerte sich »insgesamt zufrieden« mit dem Ablauf, obwohl es einige Zwischenfälle gab, bei denen ein Bürger getötet wurde. Von insgesamt 65 Räten sicherte sich die UPFA, die unter der Mehrheit der Singhalesen sehr populär ist, 45 Vertretungen. Landesweit dominiert sie damit laut offiziellen Angaben 250 von insgesamt 355 lokalen Volksvertretungen.
** Aus: junge Welt, 26. Juli 2011
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