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"Letzter Nagel für den Sarg"

Sri Lankas Regierung feiert bereits Sieg über die Tamilenrebellen

Von Hilmar König, Delhi *

Der Chefminister des südindischen Unionsstaates Tamil Nadu hat in einem Telegramm an Premier Manmohan Singh gefordert, »die tamilische Rasse« in Sri Lanka vor der Ausrottung zu retten. Weltweit wächst die Besorgnis um die 100 000 Flüchtlinge, die in der »Sicherheitszone« im Norden Sri Lankas festsitzen.

UN-Sonderbotschafter Walter Kälin zeigte sich am Dienstag (7. April) nach einem viertägigen Besuch in Colombo tief besorgt über die etwa 100 000 Zivilisten, die auf dem 14 Quadratkilometer großen Gebiet gestrandet sind, das Sri Lankas Regierung zur »Nichtgefechtszone« erklärt hat. Viele von ihnen seien bereits getötet oder verletzt worden. Ihre Überlebenschancen seien beträchtlich gesunken, nachdem Regierungstruppen am Sonntag die Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) in diese Zone getrieben und das gesamte einst von den Rebellen beherrschte Gebiet im Norden und Osten der Insel unter ihre Kontrolle gebracht hatten.

Kälin appellierte an die LTTE, die Zivilisten nicht am Verlassen dieser Zone zu hindern, und an Colombo, diese Zone strikt zu respektieren. Dorasamy Raja, Nationalsekretär der KP Indiens, forderte die indische Regierung am Dienstag auf, sich energisch für eine politische Lösung des ethnisch-sozialen Konflikts zwischen tamilischer Minderheit und singhalesischer Mehrheit Sri Lankas zu engagieren. Delhi dürfe nicht länger »schweigender Zuschauer« dessen sein, was in Sri Lanka passiert. Am heutigen Donnerstag wird es in Chennai (Madras), der Hauptstadt Tamil Nadus, eine Solidaritätskundgebung für die »ethnischen Brüder« in Sri Lanka geben.

Das Regierungslager in Colombo befindet sich derweil bereits in Feierstimmung. Präsident Mahinda Rajapakse sagte. der LTTE bleibe »nur noch die Option, die Waffen zu strecken, sich zu ergeben und des Leben ihrer verbliebenen Kader zu retten«. Der Mythos ihrer Unbesiegbarkeit sei zerschlagen worden. »Unsere heroischen Soldaten haben jegliche Form von LTTE-Widerstand auf dem Schlachtfeld zerschmettert«, rief er aus. In Sri Lanka werde Terrorismus nie wieder sein Haupt erheben können. Man könne nun Kredite und Investitionen internationaler Agenturen nutzen, um das Land wieder aufzubauen und zu entwickeln. Premier Ratnasiri Wickremanayake erklärte: »Wir sind dabei, den letzten Nagel in den Sarg der LTTE zu schlagen und sie für immer zu begraben.«

Das letzte von den Rebellen gehaltene Gebiet um das Dorf Puthukkudiriruppu war am Sonntag von den Streitkräften erobert worden. Dabei fanden mehr als 500 LTTE-Kämpfer den Tod. Pottu Amman, Chef des Geheimdienstes der Guerilla, soll auf die Forderung seiner Kämpfer nach Verstärkung geantwortet haben: »Vergebt mir. Das war’s. Alles ist außerhalb meiner Kontrolle.«

Der Rest der tamilischen Rebellen soll sich mit ihrem Führer Velupillai Prabhakaran in die »Sicherheitszone« zu den Tausenden Flüchtlingen abgesetzt haben. Regierung und Militär werfen der LTTE vor, die Zivilisten als menschliche Schutzschilde zu missbrauchen. Die Rebellen behaupten, sie seien machtlos, da die Menschen nicht gehen wollten.

Die endgültige Niederlage der Befreiungstiger würde das Ende des Krieges bedeuten, der in 26 Jahren weit über 75 000 Menschen das Leben kostete, nicht aber das Ende des ethnisch-sozialen Konfliktes. Dafür wäre eine nachhaltige politische Lösung zu finden, über die Präsident Rajapakse jüngst jedoch kein Wort verloren hat.

* Aus: Neues Deutschland, 9. April 2009


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