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Verstärkte Stimmkraft

Neue Proteste der srilankischen Tamilen im Inland und in der Diaspora

Von Thomas Berger *

Der Ruf nach Gleichberechtigung für die größte ethnische Minderheit in Sri Lanka wird wieder lauter. Mehr als drei Jahre, nachdem die frühere Untergrundorganisation Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) im Mai 2009 von der Armee militärisch besiegt wurde und mit dem Tod ihrer Führung auch als politische Kraft von der Bildfläche verschwand, regt sich im Norden und Osten des Inselstaates sowie in der tamilischen Diaspora neuer Protest gegen das Vorgehen der Regierung in Colombo sowie ihrer Statthalter in den tamilisch dominierten Provinzen. Während seitens der UNO und internationaler Vereinigungen weiterhin vor allem eine Aufarbeitung der massiven Menschenrechtsverletzungen in der finalen Phase des bewaffneten Konflikts gefordert wird, werden aktuell bei Demos, Hungerstreiks und anderen Aktionen besonders Fragen rund um die Situation tamilischer Gefängnisinsassen oder der Vorwurf des Landraubs thematisiert.

Die jüngsten Proteste entzündeten sich am Tod von Delruxon Mariyathas, einem Insassen des Gefängnisses von Vavuniyaa. Dort hatten 122 tamilische Häftlinge am 29. Juni vorübergehend drei Wachen in ihre Gewalt gebracht. Sie forderten Aufklärung, was aus einem ihrer Mithäftlinge geworden sei, der mutmaßlich gefoltert wurde. Polizeikräfte schlugen die Erhebung brutal nieder, die Aktivisten wurden in andere Einrichtungen transferiert. Delruxon erlag später im Krankenhaus seinen schweren Verletzungen – Ärzten und Behörden wird mangelnde medizinische Fürsorge vorgeworfen. Zudem soll der Schwerverletzte an sein Bett gefesselt worden sein. Die Trauerfeier für das frühere LTTE-Mitglied am vergangenen Sonnabend wurde zu einem neuen Höhepunkt der Kritik einer breiten Front unterschiedlicher Gruppen an der Führung in Colombo. Sowohl Abgeordnete der Tamil National Alliance (TNA), wichtigste Sammlungsbewegung der Minderheit, als auch Vertreter anderer Tamilenparteien und verbündeter Gruppen aus dem Süden Sri Lankas nahmen daran teil. Vom gegenwärtigen Regime unter Präsident Mahinda Rajapakse sei keine Gerechtigkeit zu erwarten, sagte Gajendrakumar Ponnambalam, Exparlamentarier und Führer der Tamil National Peoples Front (TNPF), während einer Kundgebung seiner Partei am Mittwoch. Die Tamilen müßten endlich als zweite gleichberechtigte Nation auf der Insel anerkannt werden.

In London ist derweil der 22tägige Hungerstreik eines jungen Aktivisten zu Ende gegangen. Parallel zum Olympia-Finale am Montag schloß Gobi Sivanthan seine Aktion ab, mit der er für ein freies Tamil Eelam (eigenen Staat der srilankischen Tamilen) und gegen die Vertreibung von Tamilen zugunsten der Einrichtung von Sonderwirtschaftszonen demonstrieren wollte. Hunderte Familien sollen so bereits ihre Ländereien verloren haben. Diverse Solidaritätsbekundungen hatte Sivanthan erhalten, darunter von Politikern aus dem südindischen Unionsstaat Tamil Nadu. Die vor wenigen Tagen in der dortigen Regionalhauptstadt Chennai (Madras) stattgefundene Konferenz der Frauenorganisation der Kommunistischen Partei Indiens (CPI) hatte sich mit dem Thema Unterdrückung der tamilischen Minderheit in Sri Lanka ausführlich befaßt und Unterstützungsbotschaften ins Nachbarland gesandt.

An einer weiteren Veranstaltung in Tamil Nadu hätten auch Abgesandte von TNA, TNPF und anderen Gruppen teilnehmen sollen. Ihnen waren von der indischen Botschaft in letzter Minute aber die Einreisevisa verwehrt worden. Zudem hatte Neu-Delhi versucht, bei der Konferenz durchzusetzen, daß Begriffe wie Tamil Eelam oder Eezham Tamils, die Selbstbezeichnung der Minderheit, nicht genannt werden. Bereits die früheren LTTE-Mitglieder aus der Haft zu entlassen, ist von tamilischen Parteien schon in einer Erklärung von Ende Juli nachdrücklich gefordert worden. Wie viele solche »Kriegsgefangene« in den Gefängnissen festgehalten werden, ist nicht genau bekannt.

* Aus: junge Welt, Montag, 20. August 2012


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