Zurückgeschickt ins Kriegsgebiet
Sri Lanka: Kontroverse um Deportation von Tamilen aus Colombo
Von Hilmar König, Delhi *
Die Kontroverse um die Deportation hunderter tamilischer Bürger aus Colombo in die Kriegsgebiete
Sri Lankas hält an. Verteidigungssekretär Gothabaya Rajapakse rechtfertigte die Vertreibung als
Maßnahme, die aus »Gründen der Sicherheit vor Terroranschlägen« notwendig gewesen sei.
In der ersten Juni-Woche hatte die Polizei in einer Nacht- und Nebel-aktion nahezu 400 in
Herbergen Colombos wohnende Tamilen per Bus in den nördlichen Distrikt Vavunyia sowie in die
östlichen Distrikte Trincomalee und Batticaloa verfrachtet. Dort toben seit Wochen Kämpfe zwischen
der Armee und den tamilischen Befreiungstigern (LTTE), die seit 25 Jahren für ein unabhängiges
»Eelam« der tamilischen Minderheit kämpfen. Zugleich wurde Tamilen die Einreise nach Colombo
verweigert.
Die Polizei folgte einer Anordnung von Präsident Mahinda Rajapakse. Unter den Deportierten
befanden sich Menschen, die aus den Kriegsgebieten geflohen, auf Arbeitssuche oder zur
medizinischen Behandlung in die Hauptstadt gekommen waren. Angeblich konnten die Opfer der
Polizeiaktion weder eine Arbeit nachweisen noch triftige Gründe für ihren Aufenthalt in Colombo
nennen. Keheliya Rembukwella, Sprecher des Verteidigungsministeriums, begründete das
verfassungswidrige Vorgehen mit dem Hinweis auf Informationen, wonach 90 Prozent der jüngsten
Terrorschläge in und um Colombo in solchen Herbergen vorbereitet worden seien.
Nach energischen Protesten in- und ausländischer Menschenrechtsorganisationen, aber auch von
Medien in Sri Lanka schritt der höchste Gerichtshof ein und wies an, die Aktion zu stoppen. Das
Zentrum für Politikalternativen hatte eine Eingabe gemacht und das Vorgehen der Ordnungshüter
als »falsch, ungesetzlich, illegal und die in der Verfassung garantierten Grundrechte verletzend«
bezeichnet. Ein Teil der Deportierten wurde daraufhin zurück in die Hauptstadt gebracht.
Premier Ratnasiri Wickremanayake fand die Aktion kurz darauf denn auch bedauerlich. Das
wiederum hielten Minister Jayaraj Fernandopulle und Verteidigungssekretär Gothabaya Rajapakse,
der Bruder des Staatspräsidenten, für unangebracht. Schließlich habe es sich um eine Maßnahme
»im Interesse der nationalen Sicherheit« gehandelt. »Wir müssen uns verteidigen. Ich spreche hier
von Terroristen«, sagte Sekretär Rajapakse. Zugleich klagte er den Westen an, eine Politik von
Doppelstandards zu praktizieren. Den USA sei im Zuge des Antiterrorkampfes alles erlaubt, nicht
aber Sri Lanka. Die LTTE habe in Sri Lanka tätige UN-Agenturen infiltriert, behauptete er und
verurteilte, dass der Westen, »ohne das Problem zu verstehen«, Colombo mit Isolierung und Entzug
von Wirtschaftshilfe droht.
* Aus: Neues Deutschland, 19. Juni 2007
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