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Tamilen demonstrierten in Berlin

Trotz Menschenrechtsverletzung in Sri Lanka: Deutsche Regierung verweigert Dialog mit Vertretern der Volksgruppe

Von Johannes Schulten *

Am Freitag (22. Okt.) haben rund 200 Mitglieder der tamilischen Gemeinde Berlins vor dem Brandenburger Tor gegen die Benachteiligung der tamilischen Minderheit in Sri Lanka protestiert. Anlaß war die Ankunft von drei jungen Männern von ihrem »Ride for Justice«. Thevan Kugathasan, Arunathas Sinnathurai und Sanjeeven Sivasubramaniam hatten in zehn Tagen 1000 Kilometer von Brüssel nach Berlin mit dem Fahrrad zurückgelegt, um darauf aufmerksam zu machen, daß auch mehr als anderthalb Jahre nach Ende des Vernichtungsfeldzugs der Armee Sri Lankas gegen die Befreiungstiger von Tamil Eelam (­LTTE) die Situation der Tamilen katastrophal ist.

Eigentlich hätten die drei am Freitag (22. Okt.) einen Gesprächstermin mit dem Länderreferenten für Sri Lanka im Auswärtigen Amt, Manuel Müller, gehabt. Sie wollten ihm eine Petition mit Forderungen an die deutsche Regierung überreichen, sagte der 22jährige ­Sinnathurai gegenüber junge Welt. Sie fordern von der Regierung, sich für die Absetzung des Vizebotschafters von Sri Lanka in Berlin, Jegath Dias, einzusetzen. Als kommandierender General der 57. Division der Armee Sri Lankas war Dias an der Planung und Durchführung zahlreicher Offensiven gegen die LTTE beteiligt. Er wird für den Mord an Hunderten Zivilisten, dem Einsatz geächteter Waffen und die Vertreibung Hunterttausender verantwortlich gemacht. Für Sinnathurai ist es unverständlich, daß Deutschland »Kriegsverbrecher« als diplomatische Partner akzeptiert. Doch im Auswärtigen Amt wollte man davon nichts wissen. Der Termin wurde kurzfristig abgesagt. Nach langer Diskussion sei schließlich ein Mitarbeiter der Pressestelle bereit gewesen, die Petition entgegenzunehmen, »allerdings ohne dieses schriftlich zu bestätigen«.

Insgesamt ist die Position der deutschen Regierung zu Sri Lanka schwer nachvollziehbar. Alle Welt denke, daß mit dem Ende des Krieges im Mai 2009 alles in Ordnung sei, erklärt der 28jährige Kugathasan. Allein in der Schlußphase des Krieges waren nach UN-Schätzungen rund 7500 Zivilisten getötet worden. Noch immer werden 30000 tamilische Inlandsvertriebene in Internierungslagern festgehalten. Und auch denjenigen, die inzwischen entlassen wurden, wird die Rückkehr in ihre Heimatgebiete im Norden des Landes verweigert. Zehntausende sehen sich zur Flucht gezwungen. »Doch die Bundesrepublik gewährt nur in seltenen Fällen Asyl«, moniert Kugathasan. Er selber habe Glück gehabt und 2007 Asyl in Deutschland gefunden. Zudem setze die BRD-Regierung alles daran, die Beziehungen zu Sri Lanka wieder zu normalisieren. Im Entwicklungsministerium wird sogar darüber nachgedacht, die 2003 gestoppte Entwicklungshilfe für Sri Lanka wieder aufzunehmen.

Daß noch nicht geborgene Minen und fehlende Infrastruktur eine Rückkehr der Vertriebenen unmöglich machen, wie es die srilankische Regierung regelmäßig verkündet, glauben die drei nicht. Ihrer Meinung nach wird das nur als Vorwand mißbraucht, um das Land anderweitig zu besiedeln. »Sie bauen Häuser für dort stationierte Soldaten und luxuriö­se Ferienanlagen für Touristen, « sagt Sinnathurai. Wenn er über die Zustände in den Internierungslagern spricht, weiß er, wovon er redet. Der in Dortmund geborene Sohn tamilischer Einwanderer wollte Mitte 2008 seine Großmutter in der Stadt Jaffna im Norden Sri Lankas besuchen. Doch die Bombardierungen durch die Armee zwangen sie zur Flucht. Nach Kriegsende kamen beide in eins der zahlreichen Lager außerhalb des Kriegsgebietes. »Man hat mir gesagt, entweder du gibst zu, der LTTE anzugehören und wir lassen dich gehen, oder du bleibst hier.« Erst im November 2009 konnte er wieder nach Deutschland zurückkehren.

* Aus: junge Welt, 25. Oktober 2010


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