Buddha gegen unbequeme Fragen
Trotz Boykottaufrufen aus mehreren Ländern begann am Freitag in Sri Lanka der 23. Commonwealth-Gipfel
Von Hilmar König, Neu-Delhi *
Delegationen aus 53 Staaten haben am Freitag in Colombo das 23. Gipfeltreffen des Commonwealth eröffnet. 25 Staats- und Regierungschefs waren in die Hauptstadt Sri Lankas gereist. Die Premierminister von Kanada, Indien und Mauritius blieben dem Gipfel allerdings wegen der kritischen Menschenrechtslage im Gastgeberland fern. Sri Lankas Präsident Mahinda Rajapakse reagierte darauf in seiner Begrüßungsansprache mit einem Ausspruch Buddhas: »Schenke den Fehlern anderer, den Dingen, die sie getan oder unterlassen haben, keine Beachtung. Beachte nur, was man selbst getan oder versäumt hat.« Noch deutlicher ließ er die Warnung folgen, den Commonwealth nicht zu einem »bestrafenden oder verurteilenden« Gremium zu machen.
Nicht nur wegen der Lebensverhältnisse der Minderheit der Tamilen, von denen Tausende fast fünf Jahre nach dem Ende des Bürgerkrieges noch immer in Notunterkünften hausen, muß sich Präsident Rajapakse auf unangenehme Fragen gefaßt machen. Die Präsenz der Streitkräfte in deren Gebieten ist nach wie vor erdrückend und gleicht einem Besatzungsregime. Von Aussöhnung kann keine Rede sein. Die schweren Vorwürfe, Soldaten hätten in den letzten Monaten vor Kriegsende Verbrechen an Zivilisten verübt und 40000 Tamilen getötet, konnte Colombo bislang nicht glaubwürdig entkräften. Die Regierung lehnt eine internationale Untersuchung ab.
Doch Menschenrechtsaktivisten schlagen den Bogen weiter und verweisen auf aktuelle Verfolgungen und Tötungen systemkritischer Journalisten, auf Todesfälle im Polizeigewahrsam, auf Folter und Vergewaltigung, das Verschleppen und spurlose Verschwinden unliebsamer Bürger sowie auf die Vetternwirtschaft des Rajapakse-Klans. Die in New York ansässige Organisation Human Rights Watch mahnte, das Commonwealth riskiere seine Glaubwürdigkeit, wenn es nicht öffentlich und mit Nachdruck ein Ende der Menschenrechtsverletzungen fordere. Boykottaufrufe kamen aus Südafrika, Neuseeland und Malaysia. Das Parlament im indischen Bundesstaat Tamil Nadu verlangte sogar einen Ausschluß Sri Lankas, bis Colombo der tamilischen Minderheit gleiche Rechte gewährt wie der singhalesischen Mehrheit.
Vor der Presse gab sich Rajapakse gelassen: »Wir sind offen und haben nichts zu verbergen. 30 Jahre lang wurden Menschen getötet. Das haben wir 2009 gestoppt. Wir haben diesen Krieg, dieses Übel beendet, und das schätzen die Menschen.« Er hofft, die Tamilen-Frage in den Hintergrund drängen zu können. Statt dessen will er das Treffen des losen Staatenbunds des britischen Königreichs und seiner ehemaligen Kolonien mehr auf multilaterale Wirtschaftskooperationen und Investitionen fokussieren. Mit Wachstumsraten von knapp über acht Prozent und mehr als einer Million Touristen im Jahre 2012 kann Sri Lanka dabei mit beeindruckenden Zahlen aufwarten.
* Aus: junge welt, Samstag, 16. November 2013
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