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Appell an Colombo

Indien: Von Tamilrebellen angebotene Waffenruhe für humanitäre Hilfe nutzen

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Indien hat an die Regierung in Colombo appelliert, auf die von den Befreiungstigern von Tamil Eelam (LTTE) angebotene Waffenruhe einzugehen und diese für ein sicheres Geleit der noch etwa 70 000 in der Kriegszone im Norden festsitzenden Zivilisten zu nutzen. Außenminister Pranab Mukherjee äußerte sich dazu am Wochenende im südindischen Tuticorin. Die Offerte der Waffenruhe, so erklärte er, mag weniger sein, als eine Erklärung, die Waffen zu strecken. Aber die Regierung Sri Lankas sollte diese Pause in den Kampfhandlungen als Chance begreifen und den Zivilisten eine sichere Passage an Orte ermöglichen, wo sie ordentlich versorgt werden können und zu denen internationale Hilfsorganisationen freien Zugang haben, um medizinische und andere humanitäre Assistenz zu leisten. Mukherjee sagte, einem Waffenstillstand müßte im Verfassungsrahmen Sri Lankas eine ordentliche Machtteilung in den Provinzen folgen – mit gleichen Rechten für die Tamilen wie für alle Bürger. Er hoffe, daß Colombo »und alle anderen« auf diesen ernsten Appell Neu-Delhis reagieren.

Unterdessen schließt sich der Ring der srilankischen Streitkräfte um Puthukkudiviruppu, das letzte urbane Zentrum unter Kontrolle der tamilischen Rebellen, immer enger. Die Soldaten nahmen dort am Samstag ein Satellitenkommunikationszentrum der LTTE ein und begannen, laut unbestätigten Militärangaben, am Sonntag mit der Erstürmung der Hauptkreuzung im Stadtzentrum. Fällt Puthukkudiviruppu, dann bleibt den Befreiungstigern nur noch ein knapp bemessenes ländliches Gebiet.

Korrespondenten erhielten in der vorigen Woche die Erlaubnis, unter Aufsicht der Regierungsagentin P.S.M. Charles erstmals das Flüchtlingsdorf Manik Farm am Stadtrand von Vavuniya zu besichtigen. Die etwa 2800 Einwohner wissen nicht, wie lange dieses Vorzeigedorf noch ihr zeitweiliges Zuhause sein wird. Für viele ist es bereits die dritte oder vierte Station auf der Flucht aus dem Kriegsgebiet. Die mit Stacheldraht eingezäunte Manik Farm wird von Soldaten streng bewacht. Auswärtigen ist kein Zutritt erlaubt. Ausgang haben nur Personen, die über 60 Jahre alt sind. Es existiert kein Telefon, keinerlei Verbindung zur Außenwelt. So bleibt die Ungewißheit der Eingesperrten über das Schicksal ihrer Familienangehörigen, denen die Flucht nicht gelang.

Die Regierungsagentin behauptete, die Bewachung diene lediglich der Sicherheit der Flüchtlinge: »Es handelt sich nicht um ein Internierungslager.« Das Vertrauensdefizit zwischen den Insassen und ihren Militärbewachern, schätzte der Korrespondent der Zeitung The Hindu ein, sei gewaltig. Die Flüchtlinge wollen nichts anderes, als so schnell wie möglich in ihre Heime zurückkehren und Kontakt zu den Familienangehörigen aufnehmen. Doch die Regierung vertröstet sie, erst müßten der Identifizierungsprozeß, ob keine »LTTE-Terroristen« sich unter die Flüchtlinge geschlichen haben, abgeschlossen, die zerstörte Infrastruktur wiederaufgebaut und die Minen entfernt worden sein. Das alles wird sich noch Monate hinziehen. Momentan existieren insgesamt 17 Flüchtlingslager in den Distrikten Vavuniya, Mannar und Jaffna. Überzeugend klingt angesichts des Ausmaßes des Flüchtlingsproblems nicht, daß die Regierung ihr Vorhaben realisieren kann, Unterkünfte für 200 000 Bedürftige einzurichten.

* Aus: junge Welt, 3. März 2009


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