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Afrikas Terrorfilialen

Zwischen Mali und Somalia etablieren sich neue Untergrundgruppen

Von Thomas Nitz *

In Mogadischu zeichnet sich eine neue militärische Kraftprobe zwischen Regierungstruppen und radikalislamischen Milizen ab. Augenzeugen berichteten, dass Hunderte schwer bewaffnete Kämpfer aus Stellungen im Süden Somalias in die Hauptstadt strömen. Die Übergangsregierung bereitet ihrerseits eine Offensive gegen die von den USA als Terrororganisation eingestufte Shabaab-Miliz vor.

Somalia und das dünnbesiedelte Grenzgebiet im Dreieck Algerien/Mali/Niger entwickeln sich mehr und mehr zu »Brutstätten des Terrors«. Auch in Nigeria versucht Al Qaida Einfluss zu gewinnen. Wie gefährlich sind diese Filialen des Terrors?

Al Qaida ist in Afrika auf dem Vormarsch. In Somalia kontrollieren radikale Islamisten, die sogenannte Shabaab-Miliz und andere islamische Bewegungen den größten Teil des von Dauerkrieg zerrütteten Landes. Nachdem die Hauptstadt Mogadischu Anfang Februar von den heftigsten Kämpfen seit Monaten erschüttert wurde, erklärten die Shabaab-Miliz und eine kleinere Gruppe militanter Islamisten erstmals ihre Zusammenarbeit mit dem internationalen Terrornetzwerk Al Qaida. Ihr Kampf sei ab sofort Teil des globalen Dschihad, hieß es in der Erklärung. Das Ziel ist klar: Die Errichtung eines islamischen Gottesstaats am Horn von Afrika. Und es sieht ganz so aus, als stelle sich dieser Entwicklung niemand entgegen.

Die Übergangsregierung unter dem gemäßigten Islamisten Sheikh Sharif Sheikh Ahmed hat sich in Mogadischu verschanzt. Die 4300 Soldaten aus Burundi und Uganda, die unter dem Mandat der Afrikanischen Union (AU) in der zerstörten Hauptstadt stationiert sind, waren bislang gerade mal in der Lage, den Hafen, den Flughafen und einige Regierungsgebäude zu schützen. Und UN-Generalsekretär Ban Ki Moon will prüfen lassen, ob die Bedingungen für einen UN-Friedenseinsatz gegeben sind. Da scheint die Forderung der AU fast hilflos, dass die aus ihrer Sicht bedrohliche Entwicklung von der internationalen Gemeinschaft ebenso ernst genommen werden solle wie die in Afghanistan.

Wie in Afghanistan oder Irak bekommt auch der bewaffnete Kampf in Somalia Zulauf von Sympathisanten aus aller Welt. Nach Angaben der somalischen Übergangsregierung halten sich bereits mindestens 500 Kämpfer aus Afghanistan, Pakistan und Russland (Tschetschenien) in Somalia auf. Vorerst aber wird sich die Unterstützung der Regierung Sharif Sheikh Ahmed auf Waffenlieferungen aus den USA und der Ausbildung somalischer Polizisten und Soldaten durch Frankreich in Dschibuti beschränken. Weder die EU-Staaten noch die USA werden sich auf das Abenteuer einlassen, Soldaten auf das somalische Festland zu entsenden. Dafür soll die afrikanische Friedenstruppe AMISOM auf 8000 Mann aufgestockt werden. Allerdings fehlt es der AU an Ausrüstung und Geld.

Auch in anderen Teilen des Kontinents breitet sich Al Qaida aus. Bereits Ende 2006 schloss sich die im Grenzgebiet Algerien/Mali/Niger agierende »Salafisten-Gruppe für Predigt und Kampf« – ein Überbleibsel der Untergrundarmee, die sich in den 90er Jahren einen erbitterten Krieg mit der algerischen Armee lieferte – dem Netzwerk an und benannte sich in »Al Qaida des Islamischen Maghreb« um. Die Maghreb-Gruppe gilt als die am besten organisierte bewaffnete Gruppe Al Qaidas.

Der zwischen 300 und 400 Kämpfer starken Gruppe werden zahlreiche Entführungen von Touristen und mindestens sieben Sprengstoffanschläge mit insgesamt über 150 Toten zugeschrieben, unter anderem auf das Gebäude des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen und das des Obersten Gerichts in Algier im Dezember 2007. Dabei kamen mindestens 26 Menschen ums Leben. Derzeit befinden sich sechs Europäer in der Gewalt der Terroristen. Sie werden vermutlich im Norden Malis festgehalten. Die Sahara-Staaten sind aber bis auf Algerien kaum in der Lage, etwas gegen die gut organisierte Terrorgruppe auszurichten.

Auch Nigeria wird spätestens seit dem vereitelten Bombenanschlag von Detroit durch den Nigerianer Umar Faruk Abdulmutallab mit Terror in Verbindung gebracht. In Zentralnigeria, an der Nahtstelle zwischen dem mehrheitlich muslimischen Norden und dem christlich geprägten Süden, kommt es immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Christen und Muslimen. So geschehen vor zwei Wochen in der zentralnigerianischen Stadt Jos, bei der mehr als 450 Menschen getötet wurden. In Reaktion darauf forderte »Al Qaida des Islamischen Maghreb« die Muslime in Nigeria auf, sich dem Dschihad anzuschließen. Der Chef der Maghreb-Gruppe, Abu Musab Abd al-Wudud, sagte: »Wir sind bereit, eure Söhne an der Waffe auszubilden und euch mit Gewehren, Munition, Sprengstoff und Kämpfern zu versorgen.« Allerdings stehen den Expansionsplänen des Terrornetzwerkes gut ausgerüstete nigerianische Streitkräfte gegenüber.

* Aus: Neues Deutschland, 15. Februar 2010


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