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Befristeter Übergang

Internationale Suche nach einer neuen Regierungsform für Somalia. Kampfhubschrauber für afrikanische Interventionstruppe gefordert

Von Knut Mellenthin *

Die Afrikanische Union, Dachorganisation aller Staaten des Kontinents, will ihre Militärintervention in Somalia ausweiten. Das wurde am Rande eines Gipfeltreffens der AU bekannt, das am Wochenende in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba stattfand. Beschlüsse der Konferenz wurden bis Redaktionsschluss nicht bekannt. Jean Ping, der Vorsitzende der AU-Kommission, teilte jedoch auf einer Pressekonferenz mit, dass die Union bereit sei, die afrikanische „Friedenstruppe“ AMISOM zu offensiven Kampfeinsätzen zu ermächtigen, sofern der UNO-Sicherheitsrat seine Zustimmung gibt.

AMISOM ist seit Frühjahr 2007 in der somalischen Hauptstadt Mogadischu stationiert, um die sogenannte Übergangsregierung vor der drohenden militärischen Niederlage im Kampf gegen die islamistische Al-Schabab zu schützen. Ihr bisheriges Mandat ist auf „Selbstverteidigung“ beschränkt, auch wenn das in den letzten Monaten nicht mehr so genau genommen wurde. Die ungefähr 8000 Mann starke Truppe besteht zu etwa zwei Dritteln aus ugandischen Soldaten; die übrigen kommen aus Burundi. Intensive Versuche der AU, auch andere afrikanische Staaten zu einer Beteiligung an AMISOM zu bewegen, waren bisher erfolglos. Der UNO-Sicherheitsrat hat im Dezember einer Aufstockung auf 12000 Mann zugestimmt. Die zusätzlichen Einheiten sollen im März eintreffen und werden vermutlich ausschließlich von Uganda gestellt.

Ping kündigte auf der Pressekonferenz auch an, die AU wolle sich dafür einsetzen, dass AMISOM fünf Hubschrauber – Kampfhubschrauber, wie er ausdrücklich betonte – erhält. Auch das bedarf indessen der Zustimmung des Sicherheitsrates. Schon jetzt verfügt die „Friedenstruppe“, anders als die somalischen Bürgerkriegskräfte, über Panzer und schwere Artillerie. Nicht ganz auszuschließen ist indessen, dass der Kommissionsvorsitzende der Presse mehr seine persönliche Meinung als die Beschlusslage der AU vorgetragen hat. Die hatte es nämlich auf einem Gipfeltreffen im vergangenen Jahr abgelehnt, dem ugandischen Drängen auf ein offensives AMISOM-Mandat nachzugeben. Schon damals bekundete Ping offen, dass er diese Entscheidung ablehnte und sie bei nächster Gelegenheit revidieren wollte.

Die somalische Übergangsregierung (TFG), deren Territorium im Wesentlichen auf den am Meer liegenden Süden Mogadischus beschränkt ist, war im Jahre 2004 nach einer mehrmonatigen Konferenz im Nachbarland Kenia eingesetzt worden. Ebenso wie das Parlament stellt die TFG einen missglückten Versuch dar, die wichtigsten Clans an der Macht zu beteiligen. Innerhalb von fünf Jahren, so hieß es damals, sollte eine Verfassung ausgearbeitet werden, über die dann in einem Referendum abgestimmt werden sollte. Gleichzeitig sollten 2009 Wahlen stattfinden, um eine demokratisch legitimierte Regierung zu bilden.

Nach der im Laufe des Jahres 2008 vereinbarten Einbeziehung gemäßigter Islamisten wurde die Amtszeit der TFG um zwei Jahre verlängert. Sie endet nun definitiv am 20. August 2011. Indessen sind landesweite Wahlen derzeit erstens technisch gar nicht möglich und würden zweitens sicher nicht zur Bestätigung der TFG führen. Premierminister Mohamed Abdullahi Mohamed entwickelt deshalb eine rege internationale Reisetätigkeit, um weitere drei Jahre Frist für die Übergangsregierung zu gewinnen.

Der UNO-Sonderbeauftragte für Somalia, Augustine Mahiga, erteilte diesem Versuch in der vorigen Woche eine Absage: Die Übergangszeit müsse auf jeden Fall im August enden. Er räumte indessen ein, dass es bis dahin keine vom Volk gebilligte Verfassung geben werde, und von Wahlen sprach er überhaupt nicht. In den nächsten Monaten soll durch „breite Konsultationen“ geklärt werden, wie die Beteiligten einschließlich der AU und der UNO sich aus dem Dilemma herauswinden wollen. An den Beratungen sollen auch die international nicht anerkannten Separatistenrepubliken Somaliland und Puntland beteiligt werden. Das würde ihren Status erheblich verbessern.

* Aus: junge Welt, 31. Januar 2011


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