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Planwirtschaft

"Roadmap" zum Frieden für Somalia. Die Vorgaben sind jedoch unrealistisch

Von Knut Mellenthin *

Somalia soll im August 2012 erstmals eine Regierung bekommen, die aus allgemeinen freien Wahlen hervorgegangen ist. So steht es zumindest im detaillierten »Fahrplan«, den eine international aufmerksam betreute dreitägige »Versöhnungskonferenz« in der vorigen Woche beschlossen hat. Die derzeitigen somalischen »Übergangsinstitutionen« wurden im Jahr 2004 nach monatelangen Verhandlungen in Kenia, die unter Obhut der UNO und der Afrikanischen Union stattfanden, eingesetzt. Sie sollten ein ungefähres Gleichgewicht zwischen den Clans, Warlords und Teilgebieten des Landes schaffen.

Nach diesen Vereinbarungen hätten im August 2009 Wahlen stattfinden sollen. 2008 wurde der Zeitpunkt auf August 2011 verschoben, doch im Juni verlängerten Regierung und Parlament ihre Amtszeit um ein weiteres Jahr.

Daß die »Versöhnungskonferenz« in Mogadischu abgehalten werden konnte statt im ugandischen Kampala oder im kenianischen Nairobi, gilt als großer Erfolg. Möglich war das nur, weil die islamistische Al-Schabab im August ihre militärischen Einheiten aus der Hauptstadt abgezogen hat. Dadurch hat sich die Sicherheitslage so weit gebessert, daß man – wenn auch unter dem Schutz der 9000 Mann starken afrikanischen Interventionstruppe AMISOM – zum Teil sogar im Stadtgebiet und nicht nur auf dem Flughafengelände tagen konnte.

Ein zweiter großer Erfolg der Konferenz ist, daß sowohl die Vertreter der Übergangsregierung – Präsident und Premierminister – als auch der einflußreiche Sprecher des Parlaments teilnahmen. Ein vorausgegangenes ähnliches Treffen im April in Nairobi war von der Parlamentsmehrheit boykottiert worden. Im übrigen entsprach der jetzige Teilnehmerkreis völlig dem damaligen. Die de facto unabhängigen Teilstaaten Puntland und Galmudug hatten Vertreter geschickt, nicht hingegen die separatistische Republik Somaliland, die definitiv eigene Wege gehen will und sich zunehmend engerer Kontakte zur EU und den USA erfreut. Außerdem nahm an beiden Konferenzen die Organisation Ahlu Sunna teil, deren Milizen mehrere Regionen Somalias kontrollieren. Ihre Zusammenarbeit mit der Übergangsregierung beruht allerdings in erster Linie nur auf der gemeinsamen Feindschaft gegen Al-Schabab. Eine im Frühjahr 2010 geschlossene Vereinbarung, Ahlu Sunna an der Regierung zu beteiligen, wurde bisher nach Meinung der Organisationsmehrheit nicht umgesetzt.

Die jetzt verabschiedete »Roadmap« trägt in ihrer detailfreudigen Pedanterie und vorgetäuschten Exaktheit die Handschrift des US-Außenministe­riums und seiner Chefin Hillary Clinton. Das neun Seiten lange Papier legt in einer vierspaltigen Tabelle »Aufgaben und Zeitplan«, Verantwortlichkeiten, Ressourcen (dies allerdings nur vage) und Kriterien für die Plan­erfüllung fest. Themen sind die »Sicherheit« (Ausdehnung der Herrschaft der Übergangsregierung auf das ganze Land), Bekämpfung der Korruption, Sicherung der Meere (Kampf gegen die Piraterie), »Parlamentsreform« (insbesondere Neubestimmung der Größe und der Zusammensetzung der Volksvertretung) und Durchführung von Wahlen.

Diese sollen dem Plan zufolge bis zum 20. August 2012 stattfinden. Daß das militärisch durchsetzbar ist, scheint unwahrscheinlich. Schon Aufgaben wie die Verabschiedung eines Wahlgesetzes und die Aufstellung von Wählerlisten stellen riesige Hürden in dem zerstrittenen und in zahlreiche weitgehend unabhängige Teilgebiete zerfallenen Land dar.

* Aus: junge Welt, 13. September 2011


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