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Kenias Flugzeuge greifen "radikal-islamische" Esel in Somalia an

Dichtung und Wahrheit im Krieg am Horn von Afrika - zwei Beispiele

"18 Tote: Kenias Militär versenkt somalisches Rebellenboot". - So lautete die Schlagzeile im Hamburger Abendblatt am 4. November 2011. Dazu mochte das mitgeteilte Foto von dem Vorfall nicht so recht passen: Es zeigt ein - offenbar mit Flüchtlingen - übervoll beladenes Boot. Die Bildunterschrift scheint das zu bestätigen: "Ein Flüchtlingsboot ist von der kenianischen Miliz versenkt worden".

Der sich daran anschließende Text des Artikels (siehe unten im Kasten) vermittelt indessen wieder nur die offizielle kenianische Version des Kampfs gegen Rebellen. Es sind somalische Rebellen der Al-Schabaab-Miliz, keine libyschen oder syrischen Rebellen! Außerdem wird noch eine Revolvergeschichte über den Kampf gegen somalische Esel (Esel!) nachgeliefert, deren Glaubwürdigkeit ebenfalls Geschmackssache ist. Bei den angedrohten Luftangriffen auf die Esel fehlt eigentlich nur noch der sonst übliche Zusatz, es handle sich um "radikal-islamische" Esel, weil damit jede Art der Kriegführung gerechtfertigt wird. Zu hoffen ist, dass jetzt wenigstens ein Aufschrei der ansonsten gut vernetzten Tierschützer/innen durch die Welt geht.

Am selben Tag veröffentlichte die chinsesischen Nachrichtenagentur XinHua einen Bericht über einen Angriff der kenianischen Marine ("At least seven fishermen feared shot dead off coast of Somalia"). Ziel war aber weder ein Flüchtlings- noch ein Rebellen- noch ein Piratenboot, sondern ein Fischerboot. Und die Fischer kamen auch nicht einmal aus Somalia sondern aus Kenia. (Auch dieser Artikel befindet sich unten im Kasten.)

Beide Vorfälle können, müssen aber nichts miteinander zu tun haben. Sie zeigen aber allzu deutlich, wie in dem sog. "Antiterrorkrieg" die Grenzen zwischen "Freund" und "Feind", zwischen unschuldigen Zivilpersonen und Kombattanten verschwimmen. Und noch etwas anderes wird klar: Das Völkerrecht, das jede Gewaltanwendung in den internationalen Beziehungen, d.h. auch jede Militärintervention strikt verbietet, wird heutzutage immer ungenierter verletzt. Aber warum soll Kenia nicht dürfen, was die USA, Frankreich, Großbritannien, Deutschland oder die NATO dutzendfach vorgemacht haben? Skandalös ist in diesem Fall aber auch das Schweigen der Vereinten Nationen, namentlich des UN-Sicherheitsrats, der für den Frieden in der Welt verantwortlich ist. Von der hiesigen Presse wollen wir erst gar nicht reden, denn die hat sich spätestens seit Libyen fast vollständig auf die Seite der Kriegsherren geschlagen und plädiert offen für eine Revision des Gewaltverbots der UN-Charta.

Pst


Auszug aus dem Artikel im Hamburger Abendblatt:

Die Militäroffensive Kenias gegen radikale Islamisten in Somalia weitet sich aus. Beim Angriff der kenianischen Marine auf ein Boot mit mutmaßlichen Rebellen der somalischen Al-Schabaab-Miliz kamen laut kenianischen Medienangaben 18 Extremisten ums Leben. Das kenianische Militär veröffentlichte ein Video im Internet mit dem brennenden Boot im Indischen Ozean.

Nairobi war vor drei Wochen in Somalia einmarschiert, nachdem zuvor mehrere Europäer aus Kenia in das Nachbarland entführt worden waren. Hauptverdächtige ist die radikalislamische Miliz.

Nach Angaben des Sprechers der kenianischen Militäroffensive, Major Emmanuel Chrirchir, transportieren die Rebellen mittlerweile ihre Waffen auf Eseln. „Jede größere Ansammlung und Bewegung von beladenen Eseln werden wir als Al-Schabaab-Aktivität werten“, sagte er. Die Preise für die Lastentiere in der Region seien bereits um 50 Dollar (36 Euro) pro Esel auf 200 Dollar (145 Euro) gestiegen, berichtete die Zeitung „The Standard“.

Vor einigen Tagen wurde bekannt, dass drei mit Waffen beladene Flugzeuge in Somalia gelandet sind, die wahrscheinlich für die Al Schabaab bestimmt sind. Es wird vermutet, dass die Waffen aus Eritrea stammen, obwohl die Regierung dies bestreitet. Das kenianische Militär hatte darauf angekündigt, alle Waffen bei Luftangriffen zerstören zu wollen.

(Hamburger Abendblatt, 04.11.2011)


Auszug aus einer Meldung der chinesischen Nachrichtenagentur XINHUA:

At least seven Kenyan fishermen are feared dead after they were shot at sea, after being mistaken to be either Al-Shabaab or pirates off the coast of Somalia.

Sources claimed on Friday that the fishermen from Mombasa were in a group of 11 during the Thursday dawn incident after they went to sea via Kiangoni route. Family sources claimed they fishermen were attacked by Kenya Navy military personnel at Kiunga area near Ras Kamboni along the Somali border.

Two of the fishermen who dived into the water as they allegedly escaped from a hail of bullets, swam up to Kiunga, and while their colleague, who is said to have bullets lodged on his leg, has been taken to hospital.

Police sources confirmed that the two, who are now being treated as either Al-Shabaab accomplices or pirates, have been flown to Mombasa for further interrogation.

(...)

Beach Management Unit (BMU) officials from Ngomeni where the fishermen on board Nawal fishing vessel was spotted by the Navy personnel on its way back home from a ten-day fishing exhibition and after interrogation were allowed to dock until the following day to proceed with their journey.

Omar Mushamu, chairman of BMU Coast and Ngomeni said the fishermen issued all their permits and registration but turned against them in the morning.

According to one of their relatives, who is also a fisherman, Said Abdulrahman, the fishermen had their boat bombed despite alerting the Kenya Navy on patrol that they had drifted and had to anchor, as they waited for assistance. "Several of our relatives have died, yet they had sought for assistance and had been released but hours later, they (Navy) turned against them and fired at them," Abdulrahman said.

Some of those identified to have been on the boat are Isaack Yusuf, Ajabala Mohammed, among others. Some of the relatives wailed and accused the government of not taking into account the plight of the fishermen.

The Lamu Council of Elders-Shungwaya, Vice-Chairman Mohammed Mbwana, blamed the government of not only cutting short the livelihoods of hundreds of fishermen in the area, following the ban but also causing a lot of security concerns in the area.

It was claimed by security officials, who maintained that the fishermen, will be treated as suspects.

Sources also indicated that the fishermen, had initially been rescued by a senior naval officer identified as, Asman Aboudh. "Most of them have children who were waiting for them to cove over for the celebrations, but it has turned out to be a very sad day," Hassan Mohammed said.

Magarini District Commissioner Richard Karani confirmed that he was aware of the attack, adding that three had been arrested and the whereabouts of the other seven were still unknown.

Xinhua, 2011-11-04; http://news.xinhuanet.com




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