Schwerste Kämpfe seit Monaten in Mogadischu
1000 Menschen flüchten täglich aus Somalias Hauptstadt / Zivilbevölkerung verelendet zusehends
Von Anton Holberg *
In Mogadischu ist es nach Informationen des britischen Nachrichtensenders BBC am Wochenende zu den schwersten Kämpfen seit Monaten gekommen. Bei den Gefechten zwischen äthiopischen Soldaten und islamistischen Milizen seien mindestens zehn Menschen ums Leben gekommen. Nach UN-Angaben fliehen täglich rund 1000 Menschen aus der umkämpften somalischen Hauptstadt.
»Die Sicherheitslage in Mogadischu ist absolut katastrophal«, sagte der UN-Koordinator für humanitäre Hilfe in Somalia, Eric Laroche, am Freitag in Genf. Inzwischen seien 735 000 Menschen in dem zerrissenen Land auf der Flucht. In der Hauptstadt lieferten sich Regierungstruppen, islamische Milizen und kriminelle Banden unaufhörlich Gefechte. Zudem würden die Bewohner durch gezielte Erschießungen, Selbstmordanschläge und Straßenbomben terrorisiert. In Mogadischu sei die medizinische Versorgung zusammengebrochen. In den Krankenhäusern der Hauptstadt existierten nur noch rund 250 Betten für Patienten.
Noch im Sommer letzten Jahres sah es besser aus. Der Union Islamischer Gerichtshöfe war es mit Hilfe ihrer Milizen gelungen, das Land weitgehend zu befrieden. Doch im Dezember wurden sie durch eine von den USA unterstützte Invasion der Armee des Nachbarlandes Äthiopien gestürzt. An die Macht brachte man die bis dahin im Land bedeutungslose Föderale Übergangsregierung (TGF), die zuvor von der UNO im kenianischen Exil aus einem Teil der ehemaligen Warlords zusammengebastelt worden war.
Trotz der Präsenz der äthiopischen Armee ist es der TGF nicht gelungen, das von ihr beanspruchte Territorium zu kontrollieren. Anfang Oktober hat die TGF – oder genauer die äthiopische Besatzungsarmee – deshalb erneut eine massive Operation gegen die islamischen Milizen gestartet und in diesem Zusammenhang Tausenden Zivilisten befohlen, ihre Wohngebiete zu räumen.
Die Lage der Zivilbevölkerung ist in der Tat katastrophal. Insgesamt seien 1,5 Millionen Somalier auf humanitäre Hilfe angewiesen, teilte UN-Koordinator Laroche mit. Laut Laroche hat das Welternährungsprogramm (WFP) seine Hilfslieferungen für jene Hunderttausende Menschen noch nicht wieder aufgenommen, die nach der Festnahme des WFP-Leiters in Somalia, Idris Osman, ausgesetzt wurden. Am 17. Oktober hatten schwer bewaffnete Sicherheitskräfte die UN-Zentrale in Mogadischu gestürmt und Osman festgenommen. Das WFP hat nach eigenen Angaben bis heute keinerlei Begründung für die Festnahme erhalten.
Es wird vermutet, dass die Auseinandersetzungen zwischen Präsident Abdullahi Yusuf und Ministerpräsident Ali Mohammed Ghedi den Hintergrund dieser Aktion bilden. Beide – zu verschiedenen Clans gehörend – streiten sich seit längerem über die Kontrolle der internationalen Hilfe und bestimmte Handelsgeschäfte, nicht zuletzt auch über die Vergabe von Konzessionen an den einen oder anderen ausländischen Erdölkonzern. Präsident Yusuf versucht, im Parlament Unterstützung für eine Amtsenthebung Ghedis zusammenzutrommeln, der sich wiederum an seinen Hawiye-Clan um Hilfe gewandt hat.
Der Gouverneur von Mogadischu, ein Verbündeter Ghedis, hatte dem WFP kürzlich die Erlaubnis gegeben, über die Moscheen der Stadt Nahrungsmittel zu verteilen. Das ist ein Schlüssel zur Gewinnung politischer Unterstützung. Doch nicht nur intern hat die Regierung zu kämpfen. Vergangenen Monat hat sich in Asmara, der Hauptstadt des mit Äthiopien verfeindeten Eritrea, ein breites Bündnis unter dem Namen »Allianz für die Wiederbefreiung Somalias« zusammengefunden, mit dem Ziel, die äthiopische Besatzung Somalias zu beenden.
In ihrem jüngsten Bericht über die Menschenrechte in der Region kommt die US-amerikanische Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch zu dem Ergebnis, dass sich die äthiopischen Truppen zahlreicher Kriegsverbrechen wie der wahllosen Beschießung von dicht bevölkerten Stadtvierteln schuldig gemacht hätten. Die USA laufen Gefahr, als Hauptunterstützer Äthiopiens dafür mitverantwortlich gemacht zu werden. Eine Antwort aus Washington steht noch aus.
* Aus: Neues Deutschland, 29. Oktober 2007
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