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Somalia: Rückkehr ins Jahr 1993

Wieder wurden in Mogadischu Soldaten durch die Straßen geschleift

Von Anton Holberg *

In der erneut umkämpften somalischen Hauptstadt Mogadischu werden Erinnerungen an das Debakel der ausländischen Interventen 1993 wach.

Vor 14 Jahren wurde die Öffentlichkeit von Bildern geschockt, die zeigten, wie tote GIs an den Füßen durch die Straßen geschleift wurden. Kurz darauf zogen sich die USA aus Somalia zurück. Am 21. März ging es ähnlich makaber zu: Fünf offenbar äthiopische Soldaten wurden durch die Straßen gezerrt und dann verbrannt.

Äthiopien hatte, ermutigt von den USA, im Dezember die Regierung der Union Islamischer Gerichtshöfe (UIC) gestürzt und die im kenianischen Exil aus dem Angebot somalischer Warlords zusammengeklaubte Übergangsregierung (TFG) installiert. Diese hatte sich bis dahin als völlig unfähig erwiesen, irgendeine Aufgabe auch nur in Angriff zu nehmen. Die UIC konnte hingegen erstmals seit dem Bürgerkrieg ein Mindestmaß an Sicherheit gewährleisten. Nicht völlig unbegründet wurde den Islamisten allerdings vorgeworfen, auch mit Al Qaida verbundenen Extremisten zu kooperieren. Das war der Vorwand für die USA, das überwiegend christliche äthiopische Regime auf Somalia loszulassen und auch selbst von Basen in Dschibuti und Äthiopien aus militärisch aktiv zu werden.

Die Milizen der UIC hatten sich praktisch kampflos zurückgezogen, aber »heiligen Krieg« gegen die Invasoren und ihren Schützling TGF angekündigt. Gleichzeitig machten die Führer der UIC deutlich, dass sich dieser Dschihad auch gegen die von der Afrikanischen Union geschickten Blauhelme richten werde. Als die Vorhut der AU-Streitmacht – 400 Soldaten aus Uganda – auf dem Flughafen von Mogadischu eintraf, wurde sie mit Mörserfeuer empfangen. Während die UNO Ende Februar die Zahl der aus der Hauptstadt geflohenen noch mit 15 000 angab, beziffert sie diese nun mit 40 000.

Die jüngsten Kämpfe waren das Resultat des Vorrückens äthiopischer Panzer und Soldaten mit Unterstützung von Soldaten der TGF in die Gegend um das ehemalige Verteidigungsministerium. Das sollte dazu beitragen, den Aufstand niederzuschlagen, bevor im April eine Versöhnungskonferenz stattfindet.

Allerdings ist gerade dieses Viertel eine Bastion des Hawiye-Klans. Dessen politische Führer und die Klanältesten hatten sich kurz vor Ausbruch der Kämpfe getroffen und eine Stellungnahme abgegeben, die gegen Äthiopien und die TGF gerichtet war. In der Tat deutet immer mehr darauf hin, dass der Widerstand nicht nur oder möglicherweise nicht einmal in erster Linie unter islamistischem Vorzeichen stattfindet, sondern unter dem der Klans.

Die in Mogadischu und dessen Umgebung beheimateten Hawiye stellen mit 25 Prozent der Bevölkerung den stärksten Klan. Der Präsident der TGF, Abdullahi Yusuf Ahmed, gehört jedoch dem Klan der Daarood an, zu dem 20 Prozent der Bevölkerung gehören, und nun werfen die Hawiye der TGF vor, die Daarood zu bevorzugen. Es ist nicht zu erkennen, wieso eine militärische Kampagne gegen UIC und Hawiye dazu angetan sein sollte, zu einer erfolgreichen Versöhnungskonferenz zu führen. Nichts deutet darauf hin, dass die Rebellion bis dahin zurückgedrängt werden könnte. Wie es scheint, sehen das auch die AU-Staaten Nigeria, Ghana, Burundi und Malawi so, die sich zur Entsendung von Einheiten nach Somalia verpflichtet haben, und lassen sich sichtlich Zeit, ihren Aufgaben nachzukommen.

Die TGF orientiert unverdrossen darauf, sich durch ausländische Unterstützung an der Macht zu halten und versucht, den Widerstand propagandistisch in die Al-Qaida-Ecke zu drücken. So behauptet sie, ein gewisser Aden Hashi Ayro, der in Afghanistan gekämpft habe, befehlige nun die UIC-Miliz.

* Aus: Neues Deutschland, 24. März 2007


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