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Zugang verweigert

Somalische Regierung läßt Mitarbeiter einer türkischen Hilfsorganisation festnehmen

Von Knut Mellenthin *

Die somalische Übergangsregierung (TFG) hat am Freitag allen Mitarbeitern ausländischer Hilfsorganisationen die Tätigkeit in den von der islamistischen Al-Schabab beherrschten Gebieten untersagt. Begründet wird diese Maßnahme mit der Sorge um die Sicherheit der Helfer. Das Verbot gilt zugleich auch für ausländische Journalisten.

Der gesamte Nordosten Afrikas – Äthiopien, Somalia, Kenia und Teile des Sudan – leidet seit Monaten unter der schwersten Ernährungskrise der letzten Jahrzehnte. Allein in Somalia sollen nach Angaben der Vereinten Nationen 3,2 Millionen Menschen von der Hungersnot betroffen sein. In der Vergangenheit war Al-Schabab immer wieder fälschlich vorgeworfen worden, sie würde keine Hilfsaktionen in ihrem Machtbereich zulassen.

Dem jetzt verhängten Verbot waren am Montag (12.) und Donnerstag (16. Sept.) vergangener Woche Zwischenfälle vorausgegangen, bei denen Mitarbeiter einer türkischen Hilfsorganisation und ihre somalischen Begleiter von Milizen der TFG festgenommen wurden. Während die Türken unter Einschaltung ihrer Botschaft nach wenigen Stunden wieder freikamen, blieben die Somalis den bisher vorliegenden Berichten zufolge in Haft. In einem Fall wurde der Hilfskonvoi festgehalten, als er nach Ablieferung von Lebensmitteln, Zelten und anderen Gütern in die Hauptstadt Mogadischu zurückkehren wollte. Im zweiten Fall wurden die Helfer schon gestoppt, als sie einen Grenzposten passieren wollten, um zu einem zentralen Flüchtlingslager im Al-Schabab-Gebiet, 50 Kilometer von Mogadischu entfernt, zu gelangen. Bisher kommen Hilfsgüter fast ausschließlich über den Hafen der Hauptstadt ins Land und werden von dort aus mit LKW weitertransportiert.

Bei den festgenommenen Türken handelt es sich um Mitarbeiter der IHH, die in Zusammenhang mit dem israelischen Überfall auf das Hilfsschiff »Mavi Marmara« im Mai 2010 bekannt geworden war. Diese karitative Organisation ist schon seit einigen Jahren mit Projekten wie dem Bau von Schulen und Waisenhäusern in Somalia tätig. Besonders übel hatte die Übergangsregierung offenbar die Tatsache aufgenommen, daß die IHH-Mitarbeiter offiziell mit Vertretern von Al-Schabab zusammengetroffen waren und bei dieser Gelegenheit auch Unterstützung für andere Regionen im Machtbereich der Islamisten versprochen hatten.

Die IHH hat inzwischen angekündigt, daß die von ihr gecharterten Hilfsschiffe künftig auch den zweitgrößten somalischen Hafen, Kismajo im äußersten Süden des Landes, anlaufen sollen, der von Al-Schabab kontrolliert wird. Außerdem will die Hilfsorganisation die »Mavi Marmara« als mobiles Hospital nach Somalia schicken.

Die Türkei nimmt bei Hilfsaktionen für Somalia eine führende Stellung ein. Allein durch Spendenkampagnen während des Ramadan, der traditionell im Zeichen wohltätiger Handlungen steht, kamen 115 Millionen Dollar zusammen. Anfang September belief sich die Summe türkischer Hilfsgelder für Somalia bereits auf 250 Millionen Dollar. Premierminister Recep Tayyip Erdogan besuchte am 19. August als erster nicht-afrikanischer Staatsmann seit zwanzig Jahren Mogadischu. In seiner Begleitungen befanden sich fünf Minister seines Kabinetts. Mit türkischer Unterstützung sollen in Somalia Straßen, Krankenhäuser, Schulen und Wasserbrunnen gebaut oder wiederhergestellt werden.

* Aus: junge Welt, 19. September 2011


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