Mehr Soldaten und mehr Geld nach Somalia
Auch private Sicherheitsfirmen sollen offenbar zur "Stabilität" am Horn von Afrika beitragen
Von Marc Engelhardt, Genf *
Die Somalia-Konferenz in London beschloss
Rückendeckung für den Versuch
einer militärischen Stabilisierung
Somalias. Mit Soforthilfen will
man außerdem die Herzen der Bevölkerung
gewinnen.
Mehr Soldaten und millionenschwere
Soforthilfen sollen die
Stabilität im zerrütteten Somalia
wiederherstellen. Darauf einigten
sich Minister und Regierungschefs
aus mehr als 40 Staaten am Donnerstag (23. Feb.) bei einer Konferenz in
London, zu der Britanniens Premier
David Cameron eingeladen
hatte. »Somalias Probleme gehen
uns alle an«, sagte Cameron in seiner
Rede. »Wir werden bei den
Vereinten Nationen dafür werben,
Sanktionen gegen alle zu beschließen,
die den Fortschritt in Somalia
verhindern«, verkündete US-Außenministerin
Hillary Clinton. Die
Schlusserklärung der Konferenz
spricht von einem historischen
Moment in der Geschichte Somalias,
der ergriffen werden müsse.
Im Mittelpunkt steht das militärische
Vorgehen gegen die radikal-
islamische Schabab, die weite
Teile Somalias kontrolliert. Schon
am Vorabend (22. Feb.) hatte der
UN-Sicherheitsrat
beschlossen, die
Friedenstruppe unter Mandat der
Afrikanischen Union (AMISOM) um
5000 auf mehr als 17 700 Mann zu
vergrößern. Das heißt vor allem,
dass die bereits im Südwesten Somalias
kämpfenden kenianischen
Soldaten unter AMISOM-Mandat
gestellt werden, wodurch ihr Einmarsch
völkerrechtlich legitimiert
wird. Äthiopien, das Truppen in
Ostsomalia stationiert hat, will der
Friedenstruppe nicht beitreten.
Somalia soll zudem beim Aufbau
eigener Sicherheitskräfte unterstützt
werden. Ob das nur die
Ausbildung abdeckt, woran sich
auch die Bundeswehr bereits beteiligt,
ist unklar. Das Waffenembargo
gilt jedenfalls – trotz Protesten
der somalischen Übergangsregierung
– weiterhin, und auch die
Forderung nach Luftangriffen auf
Schabab-Stellungen wies die Konferenz
zurück.
Dagegen soll die Piraterie
künftig zu Wasser und zu Land bekämpft
werden. Die Schlusserklärung
lobt das Vorgehen der Schifffahrtsindustrie
gegen die Piraterie,
wozu der Einsatz privater Sicherheitsfirmen
gehört. Die könnten
auch zur Schaffung der gewünschten
»Stabilität auf lokaler
Ebene« eingesetzt werden. Angeblich
sollen diverse Sicherheitsfirmen
bereits Interesse bekundet
haben. Finanziert werden könnten
sie aus dem neuen Sonderfonds.
Daraus soll befreiten Gebieten eine
schnelle Friedensdividende zufließen.
Unter anderem sollen mit den
zugesagten zweistelligen Millionenbeträgen
Schulen und Krankenhäuser,
Polizeistationen und
Gerichte gebaut und eben »Stabilität
geschaffen« werden. Herzen
und Hirne gewinnen, heißt diese
Strategie im Militärjargon. Man
möchte verhindern, dass die »Befreiten
« sich – etwa wegen latenter
Unsicherheit oder Armut – nach
der Schabab zurücksehnen.
Die Schabab selber saß in London
nicht mit am Tisch. Und Hillary
Clinton machte ebenso wie das
Kommuniqué klar, dass es keine
Verhandlungen mit den Islamisten
geben werde. Gespräche, die vor
allem arabische Staaten wie Katar
gefordert hatten, sollen aber möglich
sein.
Wer Somalia in die Stabilität
führen soll, blieb unklar. Das Ende
August auslaufende Mandat der
umstrittenen Übergangsregierung,
der ebenso wie der Schabab
schwere Menschenrechtsverletzungen
vorgeworfen werden, soll
jedenfalls nicht verlängert werden.
Weiteres soll der nächste Somalia-
Gipfel im Juni in Istanbul entscheiden.
Die Konferenz in London sei
»nichts weiter als eine Veranstaltung
zur weiteren Finanzierung
der Gewalt in Somalia« gewesen,
kritisierte der linke Bundestagsabgeordnete
Jan van Aken deren
Ergebnisse.
* Aus: neues deutschland, 25. Februar 2012
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