Neue Soldaten für Somalia
EU will Einheiten in Dschibuti ausbilden
Von Marc Engelhardt, Nairobi *
Die EU will Soldaten für die weitgehend machtlose somalische Übergangsregierung ausbilden. Die
Ausbildung soll im benachbarten Dschibuti stattfinden. Unterdessen spitzt sich die Krise in Somalia
immer mehr zu einem regionalen Konflikt zu.
Die ersten Schüsse rund um die Basis der burundischen Truppen fielen vergangenen Sonnabend
nach Sonnenuntergang. Die Truppen sollen im Auftrag der Afrikanischen Union für Sicherheit in
Somalias Hauptstadt Mogadischu sorgen. Nach den Schüssen kam die dicht bevölkerte
Wohngegend nicht mehr zur Ruhe. Bewohner berichten von einer weiteren Nacht in Todesangst.
Denn wenn die Islamisten der Shabaab, die weite Teile Mogadischus kontrollieren, sich mit den AUTruppen
anlegen, geraten fast immer Zivilisten ins Kreuzfeuer. Weil die Truppen der
Übergangsregierung nur zwei Straßenzüge in Mogadischu kontrollieren, stehen die AU-Soldaten seit
Monaten immer wieder in der Frontlinie.
Das soll sich ändern, wenn die Europäische Union der Regierung beim Aufbau einer somalischen
Armee hilft. An der Ausbildung somalischer Sicherheitskräfte soll die deutsche Bundeswehr beteiligt
sein, bestätigte der damalige Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung schon bei einem EUMinistertreffen
in Göteborg Ende September: »Ich habe gesagt, dass wir vom Grundsatz her bereit
sind, Unterstützung zu leisten.« Ausgebildet werden die somalischen Soldaten und Polizisten nicht
in Somalia, sondern in Uganda oder Dschibuti. Die Sprecherin des EU-Außenbeauftragten Javier
Solana, Cristina Gallach, räumt ein, dass noch einige Probleme zu lösen sind - etwa, wie man
verhindern kann, dass die Truppen mit EU-Ausbildung zu den Islamisten desertieren. »Wir wollen
mit der AU verhandeln, ob deren Truppe die Kontrolle übernehmen kann.« Wie das in der Praxis
aussehen soll, ist unklar. Mit ihrem militärischen Engagement begibt sich die EU in eine gefährliche
Gemengelage. Frankreich etwa, das hinter dem EU-Engagement steht, ist im Konflikt klar
positioniert. 485 somalische Soldaten, so heißt es aus Militärkreisen in Dschibuti, sind bereits im
Stützpunkt der dschibutischen Armee in Holhol trainiert worden - von französischen Ausbildern.
Sobald der EU-Beschluss da ist, soll das Training auf dem Stützpunkt der französischen Armee in
Dschibuti stattfinden. Mehr als 30 dschibutische Soldaten sollen zudem auf Druck aus Paris bereits
von der Regierung der ehemaligen Kolonie abgestellt worden sein, um in Mogadischu weitere
regierungstreue Truppen zu trainieren.
Von Dschibuti aus operieren zudem bereits die US-Amerikaner, die unbemannte Drohnen und
Kampfflugzeuge auf Mission nach Somalia schicken. Auch die US-Geheimdienste sind immer
stärker in Dschibuti präsent, heißt es. Spezialeinheiten der US-Armee landeten Anfang September in
Barawe, einer von der Shabaab kontrollierten somalischen Stadt, und exekutierten den 28-jährigen
Saleh Ali Saleh Nabhan. Der Kenianer soll vor sieben Jahren einen Anschlag auf ein Strandhotel
nahe Mombasa organisiert und an den Attentaten auf die USA-Botschaften in Nairobi und
Daressalam 1998 beteiligt gewesen sein. Die Shabaab hat bereits Rache geschworen.
Aus Somalias jüngster Krise im fast 19 Jahre alten Bürgerkrieg droht zudem ein regionaler Konflikt
zu werden. Dschibutis Treue zum Westen hat die ohnehin angestrengten Beziehungen zum
Nachbarn Eritrea weiter verschlechtert. »Eritrea exportiert Chaos«, erklärte Dschibutis
Außenminister Machmud Ali Yussuf vor kurzem. »Eritrea trainiert Rebellen und rüstet sie für
Attentate in Dschibuti aus.« Dass Eritreas Alleinherrscher Isaias Afwerki Al Shabaab und Hizbul
Islam unterstützt, ist ein offenes Geheimnis. Auf bis zu eine halbe Million US-Dollar wird das Geld
aus Libyen, Katar und Iran geschätzt, das Eritrea an die Islamisten weiterleitet. Ein von eritreischer
Seite unterstützter Putschversuch - von Asmara aus schickten die Eritreer Islamistenführer Aweys
samt einem Flugzeug voller Waffen heim - scheiterte knapp.
Bislang ist die Afrikanische Union mit dem Versuch gescheitert, im UN-Sicherheitsrat Sanktionen
gegen Eritrea durchzusetzen. Manch einer, vor allem der Erzfeind Äthiopien, träumt von einer
militärischen Lösung. Doch der autokratisch geführte Kleinstaat Eritrea hat 450 000 Männer unter
Waffen - knapp ein Zehntel der Bevölkerung. Afwerki wird nicht kampflos aufgeben. Sollten Berichte
stimmen, nach denen eine Rebellengruppe aus ethnischen Somalis am Wochenende mehrere
Städte im Osten Äthiopiens eingenommen hat, könnte das bereits das erste Signal für einen neuen
Stellvertreterkonflikt sein.
* Aus: Neues Deutschland, 18. November 2009
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